Das EU-Parlament, das sich bislang durch seine erweiterungsfreundliche Haltung ausgezeichnet hat, erklärte nun, die Anerkennung Zyperns sei ein „Glaubwürdigkeitstest“ für die Türkei, die nach dem Willen der Erweiterungsfanatiker um jeden Preis aufgenommen werden soll. Darüber hinaus kritisierten die Europaparlamentarier, die einen „Fortschrittsbericht“ des niederländischen Christdemokraten Camiel Eurlings mit deutlicher Mehrheit angenommen hatten, Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit sowie ganz allgemein die „Verlangsamung des Reformtempos“ in dem islamischen, außereuropäischen Staat. Was in Straßburg großspurig als „Glaubwürdigkeitstest“ für die Türkei bezeichnet wurde, ist allerdings einer für die selbsternannte Brüsseler Wertegemeinschaft. Denn trotz aller Beweise, welche die Mißachtung grundlegender Menschen- und Minderheitenrechte bestätigten, beschloß die EU vor gut einem Jahr, mit Ankara Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Und als es vor dem Sommer darum ging, die ersten Verhandlungskapitel zu eröffnen, wurden die berechtigten Interessen Zyperns von dessen EU-„Partnern“ bereitwillig auf dem Altar der Türkei-Lobby geopfert. Daher darf davon ausgegangen werden, daß es sich bei der Warnung an Ankara, den Inselstaat endlich anzuerkennen und die Wirtschaftsblockade zu beenden, bestenfalls um die Beruhigung fürs schlechte Gewissen handelt. Besonders beschämend für die EU ist der Umstand, daß sich das Europaparlament nicht dazu durchringen konnte, von Ankara die klare Anerkennung der Schuld am Völkermord an rund anderthalb Millionen Armeniern zu verlangen. Stattdessen werden die Türken lediglich halbherzig aufgefordert, ihre Vergangenheit zu „bewältigen“ und ihre Archive für Forscher zu öffnen. Offenbar hat alle jene Mandatare, die sonst im moralinsauren Ton der Political Correctness gegen vermeintlichen Rassismus zu Felde ziehen, ob der zu erwartenden Drohungen aus Ankara der Mut verlassen. Denn als die französische Nationalversammlung die Leugnung des Genozids an den Armeniern unter Strafe stellen wollte, kündigte die Regierung des Islamisten Recep Tayyip Erdoğan umgehend Wirtschaftssanktionen gegen Paris an, weshalb Frankreich sofort von diesem Vorhaben abrückte. Die EU muß den Eurling-Bericht, der nichts anderes als ein politischer Offenbarungseid für das kleinasiatische Land ist, zum Anlaß nehmen, die Beitrittsgespräche mit Ankara unverzüglich abzubrechen. Mit einem sofortigen Abbruch der Verhandlungen könnten die Eurokraten den Bürgern, die den Beitritt der Türkei mehrheitlich ablehnen, beweisen, ihre Anliegen und Interessen zu achten und ihre Entscheidungen frei von den Vorgaben mächtiger Drahtzieher und Lobbys im Hintergrund zu treffen. Vor allem aber könnte Brüssel mit dem Ende des Türkeiabenteuers zeigen, daß die EU den historisch gewachsenen europäischen Völkern und somit dem christlichen Abendland verpflichtet ist und nicht einer islamischen, außereuropäischen Macht. Auch die angeblich langdauernden Beitrittsgespräche werden an der Tatsache, daß die Türkei alles andere als ein europäisches Land ist, nichts ändern können. Genausowenig werden die von der Türkenlobby hochgejubelten Reformen Erdoğans die Türkei demokratischer machen. Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Zur Zeit“ und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.
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