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Flickenteppich aus Zuwendungen

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Daß Deutschland hinsichtlich seiner finanziellen Leistungen einen weltweiten Spitzenplatz bei der Familienförderung einnimmt, ist seit längerem bekannt. Auch, daß dabei Geldaufwendungen und Geburtenrate in einem umgekehrten Verhältnis korrelieren. Die Bundesregierung gab jüngst den zu Zwecken der Familienförderung aufgewendeten Betrag für 2005 mit rund 100 Milliarden Euro an. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft hat nun seine Mitarbeiterin Astrid Rosenschon sämtliche familienpolitischen Leistungen der Bundesrepublik – zuzüglich der Sozialversicherungshaushalte – unter die Lupe nehmen lassen und kommt zu einer weitaus höheren Summe: Über 240 Milliarden Euro und damit rund elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts seien im vergangenen Jahr für Maßnahmen der Familienpolitik ausgegeben worden. Aufgezählt und beziffert werden in der Studie rund 100 Kategorien von der Einkommenssteuergesetzgebung über Eigenheimzulagen, Studentenwohnraumförderung, Waisengeld und Behindertenpauschbeträge. Als mächtige Posten entfallen demnach beispielsweise allein 51 Milliarden Euro auf die Finanzierung von Schulen, weitere 25 Milliarden auf Sozialversicherungsleistungen für nicht erwerbstätige Familienmitglieder; zudem gingen 23 Milliarden Euro auf das Konto von Steuermindereinnahmen durch Ehegattensplitting. Insgesamt, so zieht Rosenschon ein Fazit unter ihre knapp hundertseitige Studie, könne Familienpolitik „kaum als Stiefkind im Kanon staatlicher Fürsorge“ bezeichnet werden. Die Wissenschaftlerin weist darauf hin, daß sie den Eigenfinanzierungsanteil, den die Familien dabei leisten, nicht habe einberechnen können. Zu großen Teilen handle es sich dabei bei den Geldern um „Zahlungen von Mutters oder Vaters rechter Tasche in die linke auf dem Umweg über die Kassen des Staates“. „Fundamentalreform des Arbeitsmarktes“ Die Finanzleistungen stellten sich als „undurchschaubarer Flickenteppich von Leistungen mit letztlich ungeklärten Gesamtwirkungen in Hinblick auf die Familienpolitik“ dar. Rosenschon hält ihre Ratschläge knapp. Erstens müßten familienpolitische Zuwendungen künftig gründlicher evaluiert werden, zweitens: Sinnvoller als eine Aufstockung von Prämien sei eine „Fundamentalreform des Arbeitsmarktes“, etwa eine Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten, um Mutterschaft und Beruf besser vereinbaren zu können. Darüber hinaus dürfte zunächst ein weiteres dringend geboten sein: ebenjene Berechnungen, die in der vergangenen Woche medienweit zitiert wurden, ihrerseits unter die Lupe zu nehmen. Zuletzt hatte das Kieler Institut für Weltwirtschaft im August 2001 – ebenfalls unter der Autorschaft Rosenschons – seine immensen Zahlen zu familienpolitischen „Subventionen“ veröffentlicht. Seinerzeit hatten sie – neben hämischer Zustimmung durch organisierte Single-Verbände – massiven Protest und profilierte Gegenrechnungen, etwa durch das Münchner ifo-Institut und den Sozialrichter Jürgen Borchert hervorgerufen. Auch das rührige Heidelberger Familienbüro nennt Rosenschons Studien kurzerhand „hochwissenschaftlichen Unsinn“ und stellt den Zahlen etwa Berechnungen des ifo-Instituts entgegen, nach denen Eltern zwischen 1990 und 2002 allein mindestens 33 Milliarden Euro in verfassungswidriger Weise zuviel an Steuern entrichtet hätten. Etliche Schwachpunkte der Kieler Studie sind offensichtlich: So begünstigt das Ehegattensplitting bekanntlich in hohem Ausmaß kinderlose Paare; fraglich ist auch, ob Bildungsinvestitionen unter „Familienförderung“ subsumiert werden sollten. Ein weiterer Posten wäre das Kindergeld, dessen Zahlung rund 35 Milliarden ausmacht: Hier gibt das Finanzministerium den im Kindergeld enthaltenen Anteil an Rückzahlung überhöhter Steuern mit knapp 21 Milliarden an. Jürgen Borchert nannte es ein „starkes Stück Ignoranz“, jenen „Freibetragssurrogat“ den Familien als Förderung unterzujubeln; gleichermaßen müsse man etwa die Schonung des Existenzminimums bei Kinderlosen oder die Einberechnung von Betriebskosten bei Unternehmen als „Förderung“ bezeichnen. Borchert rechnete auch vor, daß die Aufwendungen der Gesetzlichen Krankenversicherung für kostenfrei mitversicherte Kinder nur ein Drittel der Aufwendungen für kinderlose Senioren ausmachten. Des weiteren, so Borchert, stamme rund ein Viertel aller staatlichen Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen und Verbrauchssteuern (wie Öko-und Mehrwertsteuer), durch die gerade Familien mit Kindern überproportional belastet würden. In bezug auf Deutschland von einer weich gepolsterten Familiensubvention zu reden, sei auch deshalb „blanker Unsinn“, weil kein anderes Land der Welt in seinem „Steuer- und Sozialversicherungslabyrinth eine solche Vielzahl heimtückischer familienfeindlicher Mechanismen installiert“ habe. Kostenlose Ausmalhefte beim Museumsbesuch Bemerkenswert ist weiterhin, daß Rosenschon den Eigenfinanzierungsanteil von Eltern an den ihnen zugute kommenden Leistungen für nicht bezifferbar ausweist. 2001 ist sie von 69 Prozent ausgegangen; in der aktuellen Studie vermeldet sie das Fehlen eines geeigneten „Relativierungsmaßstabs“. Demgegenüber ersetzt Rosenschon andere nicht genau berechenbare Ausgaben des Staates durch „vorsichtige Schätzungen“ in immerhin einstelliger Milliardenhöhe. Darunter fallen etwa auch sogenannte „Familienpässe“ einzelner Bundesländer. Deren Nutzwert aber ist bisweilen ein Hohn. In Sachsen-Anhalt etwa reicht er von einem „kostenlosen Ausmalheft“ als Zugabe zu einem regulär zu bezahlenden Museumsbesuch bis zu einem Rabatt von drei Prozent bei einem Einkauf in einzelnen „Partnerunternehmen“.

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