Die Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt (SPD) hat kürzlich in einem Vortrag ein Geschichtsbild offenbart, wie man es bei der Mehrheit unserer heutigen politischen Klasse kaum anders erwartet. Die Rechtshistorikerin beschwor in dem Vortrag ihr Bild von der „spezifischen und über weite Strecken düsteren Historie Deutschlands“. Da war es also einmal mehr, „auf hohem Niveau“, das ganze Elend unserer sogenannten Vergangenheitsbewältigung, der „Ruin deutscher Geschichte und ihres Verständnisses“ (Alfred Heuß), der inzwischen bei uns zu einer Art staatstragender Konfession wurde, das ganz Mißverständnis unserer Geschichte als bloßer Vorgeschichte der Hitler-Diktatur und umgekehrt „der braune Koloß der Nazizeit“ (Wilhelm Kamlah) mit seiner geschichtspolitischen Funktion, tausend Jahre wirklicher, großer, wenn auch nicht selten tragischer Geschichte den Nachfahren zu verstellen und zu verekeln. Wer in diesem Teufelsbild unserer Geschichte befangen ist wie große Teile unserer politischen und medialen Klasse, auch der sogenannten Intelligenz, ist kaum bereit und in der Lage, über die Düsternis der Gegenwart und ihrer Ursachen nachzudenken. Dazu ein Beispiel aus den vergangenen Tagen. Als der polnische Präsident Lech Kaczynski an der Berliner Humboldt-Universität einen Vortrag halten wollte, erhob sich zur Schande dieser einst angesehenen deutschen Hohen Schule, bis 1914 eine der besten der Welt, ein nur allzu bekanntes Spektakel: Im Nu war vor den Augen der Welt das ganze wohlbekannte Szenarium der Achtundsechziger-Revolte wieder da: der Terror einer lautstarken und brachialen Minderheit, in diesem Fall einer besonders famosen, die Unfähigkeit und das feige Zurückzucken des professoralen Establishments, das zuerst mit dem „Hausrecht“ droht und dann den Sprecher der Demonstranten „an das Mikrofon bittet“ – kurz das ganze Brimborium des einst von Habermas erfundenen „herrschaftsfreien Diskurses“. Ein Kreis schließt sich: Von der „Verdunkelung“ unserer Geschichte im Stil der „düsteren Historie“ durch die Verfassungsrichterin zu jener sehr realen Düsternis und Dekadenz, die heute wie zäher Nebel über den deutschen Landen liegt und den „Phoenix in Asche“ hält. Denjenigen, die seit 1968 entweder leichtfertig und nihilistisch oder aber gezielt ruinierend über die so „düstere“ deutsche Geschichte geredet und sie oft geradezu mit nationalem Masochismus konstruiert haben, fällt es offensichtlich meist gar nicht mehr auf, wie düster und dekadent die deutsche Gegenwart inzwischen tatsächlich geworden ist. Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim. Foto: von Klaus Hornung
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