Die Zusammensetzung der Bevölkerung in Deutschland wandelt sich dramatisch. Das ist das Ergebnis des „Mikrozensus 2005“ den der Präsident des Statistischen Bundesamtes Johann Hahlen in der vergangenen Woche vorgestellt hat. Der Mikrozensus, die sogenannte „kleine Volkszählung“, ist seit 1957 die amtliche Statistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt in Deutschland. Dafür werden jährlich circa 390.000 Haushalte in Deutschland mit rund 830.000 Personen befragt. Damit ist der Mikrozensus die größte jährliche Haushaltsbefragung in Europa und dient dazu, die Datenlücke zwischen zwei Volkszählungen zu füllen. Die Bevölkerungsstruktur, die wirtschaftliche und soziale Lage der Bevölkerung, der Familien, Lebensgemeinschaften und Haushalte, die Erwerbstätigkeit, Arbeitsuche, Aus- und Weiterbildung, Wohnverhältnisse und die Gesundheit werden durch die persönliche Befragung aller Personen im Haushalt durch die Interviewer der Statistischen Landesämter ermittelt. Auf großes Interesse stießen dieses Jahr die Daten zu Menschen mit Migrationshintergrund, denn der Themenkomplex „Migration und Integration“ ist eine Neuerung in der Statistik. Die Daten und Ergebnisse dieses Themenkomplexes sorgten für eine Überraschung. Und dies nicht nur, weil der Präsident des Statistischen Bundesamts dazu feststellte, daß Deutschland mit 15,3 Millionen Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund ein „Zuwanderungsland“ sei. Zunächst unterscheidet der Mikrozensus die in Deutschland lebenden Menschen (insgesamt 82,4 Millionen) in Deutsche ohne Migrationshintergrund (67,1 Millionen, 81 Prozent), Ausländer (9 Prozent) und Deutsche mit Migrationshintergrund (10 Prozent). Die Statistik verdeutlicht, daß 19 Prozent (also fast ein Fünftel) der in Deutschland lebenden Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben. Zu diesen 15,3 Millionen Personen mit Migrationshintergrund gehören neben Ausländern, Migranten (Zuwanderern) und den in Deutschland geborenen Eingebürgerten auch eine Reihe von in Deutschland Geborenen mit deutscher Staatsangehörigkeit, bei denen sich der Migrationshintergrund aus dem Migrationsstatus der Eltern ableitet. Damit ist festzustellen, daß sowohl die Zahl aller Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland wie auch ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung mehr als doppelt so hoch ist als die bislang bekannten Ausländerzahlen. Spätaussiedler gelten als Einwanderer Die Statistik gliedert die Personen mit Migrationshintergrund noch weiter auf: Von diesen 15,3 Millionen Personen (100 Prozent) ist die größte Gruppe die der 5,5 Millionen Ausländer mit eigener Migrationserfahrung (36 Prozent). Danach folgen die über drei Millionen Eingebürgerten mit eigener Migrationserfahrung (20 Prozent). Als drittstärkste Gruppe sind die 2,7 Millionen Deutschen ohne eigene Migrationserfahrung zu nennen (18 Prozent). Es handelt sich hierbei um Kinder von Eingebürgerten, Spätaussiedlern oder Ausländern. Zu den noch fehlenden Gruppen gehören die 1,8 Millionen Spätaussiedler mit eigener Migrationserfahrung (12 Prozent), die 1,6 Millionen Ausländer ohne eigene Migrationserfahrung (11 Prozent) und als kleinste Gruppe die rund 500.000 Eingebürgerten ohne persönliche Migrationserfahrung (drei Prozent). Wie gesehen werden von der Statistik auch 1,8 Millionen Spätaussiedler erfaßt. Diese sind laut Statistik grundsätzlich zugewandert und haben eigene Migrationserfahrung. Dabei weist der Mikrozensus nicht alle in Deutschland lebenden Spätaussiedler aus. Erfaßt sind nur jene, die nach dem 1. August 1999 nach Deutschland zugewandert sind und damit nicht eingebürgert wurden. Bis zu diesem Stichtag hatten sogenannte Statusdeutsche die gleichen Rechte und Pflichten, die nach dem Grundgesetz und nach dem einfachen Recht nur für Deutsche begründet wurden, auch wenn sie keine deutsche Staatsbürgerschaft besaßen. Mit Neuregelung des Staatsangehörigenrechts zum 1. August 1999 haben allerdings alle bis dahin anerkannten Statusdeutschen die deutsche Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes erworben. Spätaussiedler nach dem Bundesvertriebenengesetz werden nunmehr gleichzeitig mit ihrer Anerkennung deutsche Staatsbürger. Damit gibt es nur noch wenige Statusdeutsche. Alle vor dem 1. August 1999 zugewanderten Spätaussiedler sind in der Zahl der Eingebürgerten statistisch enthalten und lassen sich nicht von den anderen Eingebürgerten unterscheiden, da die Betroffenen im Mikrozensus nicht gefragt wurden, ob sie Spätaussiedler sind oder nicht, sondern ob sie zugewandert sind und die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung erhalten haben. Für die Bevölkerung insgesamt zeigt die Statistik eine für Deutschland typische schrumpfende Bevölkerung. Bei den unter 10jährigen werden hier nur noch etwa je 350.000 Männer und Frauen je Geburtsjahr gezählt. Für Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund zusammen gibt es in allen Altersgruppen bis etwa 40 Jahren eine nahezu konstante Anzahl von je zwischen 110.000 und 150.000 Männern und Frauen. Der Rückgang der Bevölkerung vollzieht sich somit ausschließlich bei den Deutschen ohne Migrationshintergrund. Zur Verbesserung der Datenlage forderte Hahlen, daß sich Deutschland an der für 2011 geplanten europaweiten Volkszählung beteiligen solle. Eine Volkszählung (Zensus) ist eine gesetzlich angeordnete Erhebung von Bevölkerungsdaten, die letzte in Deutschland veranstaltete Volkszählung fand im Jahr 1987 statt. Die Kosten einer Volkszählung werden auf eine Milliarde Euro geschätzt. Aber nur mit genauen Daten läßt sich sicher die Zukunft eines Landes planen.