Über den Eklat während der Veranstaltung im Berliner Stadtbezirk Lichtenberg am 14. März, bei der ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) ehemalige Opfer des DDR-Regimes verhöhnten und der anwesende Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei.PDS) dagegen nicht einschritt, sondern teilweise sogar für Verständnis gegenüber der MfS-Positionierung warb (JF 13/06), wurde in den letzten Tagen von der Berliner Lokalpresse intensiv berichtet. Am vergangenen Donnerstag mußte sich Flierl in einer Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses für dieses Verhalten rechtfertigen. Der Oppositionsantrag von CDU, FDP und den Grünen, dem Senator eine öffentliche Rüge zu erteilen, scheiterte jedoch am Widerstand der mit der PDS koalierenden SPD. Gezielte Provokation der DDR-Opfer Die gezielte Provokation der DDR-Opfer wurde von der Gesellschaft für rechtliche und humanitäre Unterstützung e.V. (GRH) organisiert. Die GRH wurde im Mai 1993 als Zusammenschluß ehemaliger Mitarbeiter des Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR gegründet. Erster und wichtigster Zweck des Vereins ist laut Satzung die „Unterstützung verfolgter DDR-BürgerInnen“. Darunter versteht die GRH nicht die zahlreichen Opfer des SED-Regimes, sondern alle, die nach 1989 in der Bundesrepublik juristisch wegen Menschenrechtsverletzungen und sonstiger Straftaten als Herrschaftsträger in der DDR belangt wurden. Laut eigener Definition will sich der Verein, „um die Opfer der politischen Siegerjustiz, um ehemalige Grenzer, Richter, Staatsanwälte, Kundschafter und MfS-Mitarbeiter … kümmern“. Eine weitere Aufgabe der GRH ist es, mit Hilfe von gezielter Öffentlichkeitsarbeit „Richtigstellungen“ über das MfS und seine Tätigkeit sowie über den Charakter der DDR zu veranlassen. Zu diesem Zweck sollen ehemalige hohe Offiziere des MfS die eigene Sicht über ihre damalige Tätigkeit in den öffentlichen Diskurs „einbringen“. Hingegen werden die Aussagen ihrer Opfer in der DDR sowie von Aufarbeitungsinitiativen und der Birthler-Behörde grundsätzlich in Frage gestellt. So wendet sich die GRH gezielt an Schulen, in denen Klassenbesuche an Gedenkstätten wie Hohenschönhausen geplant sind, und behauptet, daß dort „lügnerische Behauptungen“ aufgestellt und „jegliche sozialistische Ideen und Ideale“ „diffamiert“ würden. Ein wichtiges Mittel zur Verbreitung der eigenen Position stellen für die GRH Publikationen dar. Neben zahlreichen Kleinschriften, die im Eigenverlag erscheinen, ist der Verein bemüht, größere Titel in Verlagen mit einem breiteren Interessentenspektrum herauszugeben, so daß die unmittelbare Autorenschaft des MfS weniger offensichtlich ist. So erschien im Jahr 2002 in der Berliner edition ost unter dem Dach des Verlages Neues Leben ein Sammelband „Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS“, den die ehemaligen MfS-Generalmajore Siegfried Hähnel und Gerhard Niebling sowie Oberst a. D. Reinhard Grimmer und Oberstleutnant a. D. Wolfgang Schmidt erstellt hatten. Dieses Buch sollte „der Stasi-Hysterie etwas entgegensetzen“ und das vermeintliche „Deutungsmonopol seitens der Gauck/Birthler-Behörde“ durchbrechen, sagten die ehemaligen Offiziere in einem Interview im ehemaligen FDJ-Organ Junge Welt. So sollte der Beweis dafür angetreten werden, „daß die Arbeit der Aufklärung des MfS der international üblichen Tätigkeit von Auslandsnachrichtendiensten entsprach“. Andererseits wurde jedoch bei der Vorstellung dieses Buches und weiterer Titel – so unter anderem des ebenfalls in der edition ost von den ehemaligen HVA-Offizieren Klaus Eichner und Gotthold Schramm herausgegebenen „Kundschafter im Westen. Spitzenquellen der DDR-Aufklärung erinnern sich“ (2003) – immer wieder beklagt, daß „viele Beteiligte“, die weitere wichtige Details zur Entlastung des MfS vorbringen könnten, durch die „teilweise bis heute anhaltende Strafverfolgung von Beteiligten“ nach wie vor an einem solchen Schritt daran gehindert seien. Teile des Erlöses von „Die Sicherheit“ spendeten die Autoren unmittelbar an die GRH. Die GRH vertritt wie ihre Mitglieder und Unterstützer die These, daß das MfS grundsätzlich keine andere Arbeit geleistet habe als jeder andere Geheimdienst der Welt. Vielmehr habe das MfS durch seine Tätigkeit an einer Schnittstelle des Kalten Krieges dazu beigetragen, daß der Frieden in Europa und der Welt über mehrere Jahrzehnte bewahrt wurde. Heute stelle sich diese Frage erneut angesichts „dieses entfesselten Kapitalismus“, dem keine ausreichend gerüstete „Gegenmacht“ entgegenstehe: „Heute geht es nicht mehr um Schuld und Sühne, sondern darum, wie man (den Kapitalismus) bändigt. Wie man gemeinsam verhindert, daß Krieg, rechte Gewalt, existentielle Not, Angst und Perspektivlosigkeit weiter Einzug in den Alltag halten“, so die ehemaligen MfS-Offiziere in der Jungen Welt. „Solidarität mit Opfern der Bonner Rachejustiz“ Die GRH kooperiert eng mit dem gleichfalls in den neunziger Jahren gegründeten „Solidaritätskomitee für die Opfer der politischen Verfolgung“, dessen Ziele mit denen der GRH nahezu identisch sind. Das Solidaritätskomitee hat es sich eigenen Angaben zufolge „zur Aufgabe gemacht, aktive Solidarität mit den Opfern der Bonner Rachejustiz zu üben, d.h. zu den Prozessen hin zu mobilisieren, Post an die Betroffenen und Besuche im Gefängnis zu fördern und auch international die Solidarität voranzubringen“. Ebenso wie die GRH legt das Komitee großen Wert auf die Öffentlichkeitsarbeit, zu der es auch den Besuch zu Veranstaltungen von politischen bzw. ideologischen Gegnern rechnet. GRH und Solidaritätskomitee gründeten Ende der neunziger Jahre den unverdächtig klingenden Dachverband Gesellschaft für Bürgerrechte und Menschenwürde (GBM). Obwohl das GRH eine direkte Unterstützung durch die Linkspartei.PDS leugnet, gibt es zahlreiche Hinweise auf ein enges Einvernehmen. So werden Meldungen der Organisation immer wieder kommentarlos über die Internetseiten der PDS-Landesverbände verbreitet; die Eigenpublikationen werden in vielen Geschäftsstellen der Partei vertrieben. Zudem hat der Verein seinen Sitz in einem Berliner Bürogebäude am Franz-Mehring-Platz 11 im dritten Stock, wo sich bis vor wenigen Jahren die Redaktion des früheren SED-Zentralorgans Neues Deutschland befand. Eine enge Zusammenarbeit besteht ferner zwischen dem GRH und der linksextremistischen Roten Hilfe e.V. So ist der verurteilte ehemalige DDR-Spion Klaus von Raussendorff – einer der führenden Köpfe der Ortsgruppe Berlin der Roten Hilfe – als Initiator der Gruppe „Kundschafter des Friedens fordern Recht“ aufgetreten. Diese Gruppe trat wiederum in die GBM ein, der Dachorganisation der GRH. Die Rote Hilfe wird bereits seit Jahren intensiv vom Verfassungsschutz beobachtet. Gemäß der Theorie der staatlichen Repression tritt sie jeglicher Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft entgegen, um zu verhindern, daß linke und linksextreme Aktivisten und Unterstützer wegen begangener Straftaten verurteilt werden. Foto: Ex-Stasi-General Markus Wolf (l.) im Kreis ehemaliger MfS-Agenten: „Kundschafter im Westen“