Deutschland „vergreist“ und schrumpft, den neuen Ländern droht gar eine „Entvölkerung“, immer weniger Menschen heiraten bei gleichzeitiger Zunahme der Scheidungsraten: Das ist das Ergebnis des zum Jahresende veröffentlichten „Familienreport 2005“ der Konrad-Adenauer-Stiftung, in dem aktuelle und bereits publizierte Statistiken zum Thema gebündelt sind. Unter Heranziehung neuester Daten des Mikrozensus, des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung sowie zahlreicher weiterer Statistiken und Umfragen zeichnen die Autorinnen der Studie ein datengestütztes Bild der Situation von Familien in Deutschland. Im europäischen Vergleich, so ein Fazit des Reports, gehört Deutschland zu den Ländern mit der geringsten Haushaltsgröße, dem höchsten Anteil Alleinlebender und dem geringsten Anteil an Haushalten mit Kindern. Die Zahl der Haushalte wächst dabei beständig, zugleich wird deren Personenzahl kleiner. Mit 37 Prozent dominieren die Einpersonenhaushalte, wobei der Begriff „Single-Haushalt“ in die Irre gehen dürfte: Frauen ab 55 stellen eine der größten Gruppe unter den Alleinlebenden dar. Die Zahl der Einpersonenhaushalte ist seit 1972 um 89 Prozent angestiegen. Großfamilien, in denen drei Generationen unter einem Dach leben, sind laut Studie „nahezu ausgestorben“. Es wird später und weniger geheiratet und häufiger geschieden. Im Auge der Statistik wird mehr als jede dritte heute geschlossene Ehe scheitern. So sind auch immer mehr Ehen Folgeehen nach Scheidungen: Bei 36 Prozent der Eheschließungen in den alten, bei 41 Prozent in den neuen Bundesländern war mindestens ein Partner bereits verheiratet. Am häufigsten scheitern Ehen im fünften Jahr; geht, wer sich jung trauen läßt, geht statistisch ein höheres Scheidungsrisiko ein als ältere Brautpaare. Auch werden heute doppelt so viele Ehen noch nach der Silberhochzeit geschieden wie vor dreißig Jahren. Bei knapp der Hälfte aller im Jahr 2000 geschiedenen Ehen waren minderjährige Kinder betroffen. Die Zahl der Kinder pro Frau ist auf rund 1,3 zurückgegangen, Deutschland wird dabei im EU-Vergleich nur von Italien, Spanien und stärker noch von Slowenien und der Tschechei unterboten. Noch deutlicher als die Geburtenquote ist der Kinderwunsch zurückgegangen, rund ein Drittel aller westdeutschen Männer zum Beispiel möchte keine Kinder haben. Während der Anteil zeitlebens kinderloser Menschen vor allem im Westen stiegt, schwindet in Mitteldeutschland die Mehrkinderfamilie: Unter den Haushalten mit Kindern überwiegt hier die Einkindfamilie. Hinter der Zahl von 52 Prozent aller Ehepaare, die kinderlos leben, verbergen sich allerdings viele Eltern, deren Kinder bereits einen eigenen Hausstand gegründet haben. Mangelnde Nachkommenschaft und steigende Lebenserwartung werden zukünftig eine drastisch gealterte Gesellschaft ergeben: 2050 wird jeder dritte Deutsche älter als 65 sein, in Thüringen und Sachsen dürften bereits 2020 ein Drittel der Einwohner die Sechzig überschritten haben. Zwischen ausländischen, binationalen und eingedeutschten Familien kann die Studie nur unscharf trennen. Deutschlandweit sei jede zehnte Familie mit Kindern ausländisch, heißt es. In Großstädten hätten bis zu 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen einen „Migrationshintergrund“. Ingesamt ist es wie so oft auch hier mit Statistiken und Umfrageergebnissen eine schwierige Sache, erst recht mit deren Zusammenführung: Kann es etwa sein, daß tatsächlich 80 Prozent der Eltern Anspruch auf Erziehungsgeld ab dem siebtem Lebensmonat des Kindes (Einkommensgrenze: 16.479 Euro jährlich) haben, wenn das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen von Eltern mit einem Kind – wie es an anderer Stelle heißt – bei 3.256 Euro liegt? Und: Daß drei Viertel aller Kinder in Familien mit verheirateten Eltern aufwachsen, sagt nichts über eine gemeinsame Elternschaft und daher wenig über eine eventuelle Problematik von Stiefkindern in sogenannten Patchworkfamilien aus. Auch, daß nur drei Prozent aller westdeutschen Kindergärten ein „gesundes“ Mittagessen anbieten, dürfte nachzuprüfen, zu definieren und verifizieren sein. Oder: Es sei ein Gerücht, schreiben die Autorinnen der Studie, daß die Pflege von Großeltern vermehrt an Heime abgegeben werde. Nur sechs Prozent der 80- bis 84jährigen, so die Studie, lebten in Altersheimen: Andere Formen – oft nur anders lautend – von außerhäuslicher Delegierung der Pflege (etwa „Seniorenresidenzen“ und betreutes Wohnen) sind hiermit nicht angesprochen. Der zweite Teil der Studie liefert eine Zusammenstellung sogenannter „Best-Practice-Modelle“ im familienpolitischen Sektor ausgewählter Bundesländer. Gemeint sind landesspezifische Projekte zur Verbesserung der Lage von Familien. Diese können von „Familienpässen“ für Eintrittsermäßigungen zu kulturellen Veranstaltungen über Betreuungsinitiativen bis zu einem erweiterten Landeserziehungsgeld reichen.