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Bürgerkriegsvokabular

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Ein extra breiter Gang trennt die NPD-Abgeordneten im Schweriner Landtag von den anderen Parlamentariern. Die Separierung soll zwei Signale aussenden: Das erste, symbolische, wendet sich an die Öffentlichkeit, das zweite soll die Psyche der NPDler zermürben. Der Wahlerfolg der Partei hat in Politik und Berichterstattung zu einem Bürgerkriegsvokabular geführt, das in seltener Klarheit der Praxis derer entspricht, die Demokraten heißen. Landtagspräsidentin Sylvia Brettschneider (SPD) spricht von „politischen Fußfesseln“, die der NPD angelegt werden müssen. Im Eiltempo wurde dafür die Geschäftsordnung geändert und die Rechte der kleinen Fraktionen beschnitten (JF 43/06). Ihre Redezeit wurde gekürzt, der Grundbetrag der Fraktionen abgesenkt. Die Schläge, die auf die NPD zielen, treffen den Parlamentarismus insgesamt. In einer Erklärung der Fraktionsvorsitzenden von PDS, SPD, CDU und FDP wird die „Erwartung“ ausgesprochen, daß keiner der „demokratischen“ Abgeordneten mit der NPD stimmt. Doch auf die Empfehlung allein verläßt man sich nicht. Parallel wurden geheime Abstimmungen eingegrenzt, um die eigenen Fraktionsmitglieder unter Kontrolle zu halten, die damit in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werden. „Wer sich selbst und seine Ziele ‚verfassungsfeindlich‘ nennt, kann nicht auf politische Gleichbehandlung bestehen und diese einfordern“, heißt es weiter. Unbewußt stand eine Argumentation aus DDR-Zeiten Pate: Wer sich selber aus der sozialistischen Menschengemeinschaft ausgrenze, dürfe sich nachher nicht über die Folgen beklagen. Die Erklärung endet mit der Versicherung, daß Mecklenburg-Vorpommern ein „tolerantes und weltoffenes Land“ bleibt. Das ist die importierte Sprache der alten, saturierten Bundesrepublik, die es flächendeckend auch im Westen nicht mehr gibt. Wie soll jemand, der im sozialen Tränental lebt, ein Selbstwertgefühl entwickeln, das ja erst die Grundlage für Toleranz ist? Einen anspruchsvollen Journalismus, der solche Fragen thematisiert, gibt es nicht in Mecklenburg-Vorpommern. Die drei wichtigsten Regionalzeitungen verbinden die alte Staatshörigkeit des Ostens mit dem eloquenten Opportunismus des Westens. Die Zeitschrift Super-Illu, die im Westen kaum jemand kennt, die in der Ex-DDR aber eine größere Reichweite hat als Spiegel, Stern und FAZ zusammen, zeigt unter der Überschrift „Die Wahrheit über die braunen Biedermänner“ ein Foto von der „Villa“ des NPD-Fraktionschefs Udo Pastörs ab (ein schönes, aber normales mecklenburgisches Backsteinhaus) – als Zielvorgabe? Im Interview sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil: „Wie schwierig die soziale Situation auch sein mag, ist dies doch keine Rechtfertigung, Nazis zu wählen. Wer seinen Unmut über die Regierenden zum Ausdruck bringen will, findet genügend demokratische Alternativen auf seinem Wahlzettel.“ Seit 1990 gab es in Mecklenburg-Vorpommern drei Koalitionsmodelle: Zuerst eine schwarz-gelbe, dann eine Große, dann eine rot-rote. Das Land liegt trotzdem am Boden. Auf die Frage, was die Politik jetzt tun wolle, antwortete Heil: „Wir dürfen Regionen, in denen die Nazis sich festzusetzen versuchen, mit dem Problem nicht allein lassen. Das heißt: Wir müssen dort örtliche Initiativen gegen Neonazis stärken.“ Das heißt auch: Die Politik hat es längst aufgegeben, sich der wirtschaftlichen und sozialen Hoffnungslosigkeit dieser Regionen anzunehmen, aber wenigstens sollen neue Planstellen für Parteiarbeiter geschaffen werden. Ein Mitarbeiter der Regionalen Arbeitsstelle für Jugendhilfe, Schule und interkulturelle Arbeit in Schwerin ergänzt: „Für die Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern und für die berufliche und persönliche Zukunft der Jugendlichen wird es nicht in erster Linie entscheidend sein, ob sie in der Schule den Unterrichtsstoff für Chemie oder Grammatik geschafft haben. Sondern ob sie als mündige Bürger gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können.“ Ergo: Man kann ruhig dumm sein, Hauptsache, man ist politisch „mündig“. Doch kann, wer dumm ist, niemals mündig sein, höchstens ein manipulierbares Stimmvieh. Bei anderer Gelegenheit sprach Heil von „rechtsradikalen Verbrechern“, die nicht ins Parlament gehörten, sondern „vors Gericht“. Als ihm deswegen eine Anzeige wegen Verleumdung ins Haus flatterte, stilisierte ihn die Welt zum Opfer eines „Angriffs von rechts“. Im Kern geht es gar nicht um die NPD und ihr krudes Programm, sondern um mögliche Konsequenzen und Mißbräuche staatlicher Machtmittel. Wenn die politischen Kräfte, die den Staat beherrschen, im Namen von Demokratie und Menschenrechten einen politischen Feind identifizieren und bekämpfen, so ist das nicht zwangsläufig ein Kampf der Demokraten und Menschenfreunde, sondern es kann sich auch um den Versuch handeln, einen universalen Begriff zu okkupieren, um sich auf Kosten des Gegners damit zu identifizieren bis hin zu dem schrecklichen Anspruch, dem Feind die Qualität des Menschen abzusprechen und den Kampf bis zur Unmenschlichkeit auszuweiten. (Erst in dieser Perspektive wird voll verständlich, warum die gewalttätige Antifa-Szene als Kampfreserve der Demokraten gehätschelt wird.) Die Vorgänge in Schwerin verheißen also nichts Gutes. Foto: NPD-Fraktionschef Udo Pastörs: An den Rand gedrängt

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