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Vom Knecht zum Weltmarktführer

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Vergangenen Monat verkündete die Samsung SDI Germany GmbH (SDIG), ihr Fernsehbildröhrenwerk in Berlin zum Jahresende zu schließen. Nur das Europäische Forschungs- und Entwicklungszentrum sowie die Bereiche Service und Vertrieb sollen in Berlin verbleiben. 750 der etwa 800 Beschäftigten verlieren ihre Stelle. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat inzwischen den Erhalt des Samsung-Werkes in Oberschöneweide gefordert. Einige Grünen-Politiker forderten sogar einen Boykott: „Kein Berliner, keine Institution sollte Produkte von Samsung kaufen“, wenn die Entscheidung nicht revidiert werde. Das wäre 1969, zu Hochzeiten von AEG, Blaupunkt, Grundig & Co., noch undenkbar gewesen. In dem Jahr stieg der koreanische Mittelbetrieb Samsung gerade ins Elektronikgeschäft ein und begann zunächst mit der Auftragsfertigung von Schwarzweißfernsehern für die japanischen Firmen Sony und Sanyo. Es folgten Radios, Ventilatoren, billige Haushaltsgeräte, Waschmaschinen, Klimaanlagen und Videogeräte. In den achtziger Jahren wurde dieser Bauchladen um Mikrowellen, Faxmaschinen, Farbfernseher und die ersten PCs und Mikrochips erweitert. Am Anfang niedrige Löhne und überlange Arbeitszeiten Als Lee Kun-hee im Jahr 1987 den Betrieb seines verstorbenen Gründer-Vaters übernahm, war Samsung wie Hyundai, Ssangyong oder Daewoo einer jener 30 weitdiversifizierten Jaebeol-Konzerngruppen, die von Baumwollstoffen bis zu Containerschiffen alles mögliche herstellten und mit im Ausland kopierten Technologien nur aufgrund niedriger Löhne und überlanger Arbeitszeiten wettbewerbsfähig waren. Nichts deutete auf die künftige Weltspitzenstellung Samsungs hin. Lee ließ die Dinge eine Weile treiben, bis er 1993 seinen verdutzten Angestellten eine Radikalkur verordnete: Sie sollten alles ändern, außer Frau und Kindern. Produkte mit niedriger Wertschöpfung wie Textilien und Radios wurden eingestellt. Kostenrechnung, Qualitätskontrolle und Design hätten im Mittelpunkt zu stehen. Das war in koreanischen Betrieben unüblich gewesen. Sony sei das Vorbild für Samsung Electronics. In Schaukästen wurde das eigene Billigprodukt dem edlen Sony-Vorbild gegenübergestellt, um den zu überbrückenden Qualitäts- und Designabstand zu verdeutlichen. Durch eine systematische Markenpolitik sollten Samsungprodukte zu hochpreisigen Modeartikeln wie die von Sony werden. Bis zu einer Milliarde Dollar wird jährlich weltweit für Werbung und Sponsoring ausgegeben. Damit seine Firmenkrieger auch auf neue Ideen kämen, befahl Lee ihnen eine Fünftagewoche, einen frühen Arbeitsbeginn und ein tägliches Arbeitsende um 16 Uhr. Die allabendlichen Saufereien im Kollegenkreis hätten zu unterbleiben. Lee will seine 175.000 Angestellten ausgeruht, mit frischen Ideen und voller Tatendrang. Als 1996 die asiatische Finanzkrise auch die überexpandierten und überschuldeten koreanischen Jaebeol voll erwischte, ließ Lee mitleidlos sofort alle Verlustbringer schließen, 40 Prozent der Mitarbeiter entlassen, die Managementstruktur verschlanken und alle Schulden bezahlen. Während die Hälfte aller Jaebeol, darunter Daewoo und Hyundai, mit ihren oft größenwahnsinnigen Eignern, zusammenbrachen, überstand Samsung unbeschadet und gekräftigt. Technologisch folgt Samsung, so wie früher die AEG und die japanische Matsushita (Marken Panasonic/Technics), der Devise, andere die Grundlagenforschung betreiben zu lassen, und dann blitzartig mit verbesserten und zahlreicheren Versionen auf den Markt zu kommen. Für den langjährigen Vorstandschef von Samsung Electronics Yun Jong-yong ist Geschwindigkeit alles. Denn auch der teuerste Fisch würde am zweiten Tag billig. So fertigt Samsung hundert neue Mobiltelefonvarianten im Jahr, viermal mehr als der Marktführer Nokia. Waren früher häßliche Plastikkästen mit dicken Stummelantennen üblich, so produziert Samsung mittlerweile preisgekrönte Mobiltelefone und Drucker und PC-Flachbildschirme im Wohnzimmerdesign. Samsung nutzte den Wechsel von Analog- zu Digitaltechnologie, um sich von japanischer Technik aus zweiter Hand unabhängig zu machen. Dabei deckt Samsung als bewußte Strategie die gesamte Produktbreite und -tiefe im Sinne einer „digitalen Konvergenz“ (Yun) ab, die die Vernetzung der Systeme erleichtern soll. Dies beginnt bei den Speicherchips und Halbleitern und geht bis zur breiten Palette der Endgeräte wie PCs, Fernseher, Videokameras, Mobiltelefone und Flachbildschirme. Durch diese Diversifizierung steht Samsung die zyklischen Preis- und Absatzkrisen bei einzelnen Produktlinien auch leichter durch, während andere Wettbewerber, wie Siemens, die Nerven verlieren und (wie kürzlich bei Mobiltelefonen) teuer aussteigen – bis sie sich zu Mittelständlern mit überhöhten Vorstandsgehältern gesundgeschrumpft haben. Die Samsung-Produktionskosten werden so niedrig gehalten, um bei Abschwüngen länger als die Mitbewerber profitabel zu bleiben. Bei Aufschwüngen sollen Profite maximiert werden, und nicht, wie in Japan üblich, die Marktanteile. Der benachbarte chinesische Markt spielt für Samsung eine wichtige Rolle: Es ist dort schneller mit preisgünstigen Neufertigungen präsent, während Wettbewerber wie Sony dort Ladenhüter billig losschlagen und so dort den Firmennamen schädigen. Gleichzeitig verlangt der Wettbewerb mit China eine Positionierung bei höherpreisigen Qualitätsprodukten. Als Weltmarktführer bei Fernsehern, Videokameras, LCDs und Speicherchips liegt Samsung dabei am besten im Rennen, unterstützt von einem starken zweiten Platz bei Mobiltelefonen (hinter Nokia) und DVD-Spielern (knapp hinter Sony). Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 2002 und 2003 lag der Gewinn von Samsung Electronics bei über fünf Milliarden Dollar, 2004 bei 10,3 Milliarden Dollar. Das meiste wird in Produktionsanlagen für Flachbildschirme, Chips und Mobiltelefone investiert. Die Bargeldreserve wird auf zehn Milliarden Dollar geschätzt. Der aktuelle Börsenwert beträgt 70 Milliarden Dollar, das Doppelte von Sony. Trotz ausländischer Besitzer weiter Herr im eigenen Haus Samsung Electronics ist Teil des Samsung-Jaebeol, zu dem noch 26 andere Firmen, von Schiffswerften bis zu Lebensversicherern, sowie ein Mitte der neunziger Jahre verunglückter Ausflug in die Pkw-Herstellung gehören. Die wichtigsten Konzernfirmen sind freilich die Elektronik, Finanzen und Dienstleistungen, so daß der Samsung-Jaebeol, der 30 Prozent des Börsenwertes und 20 Prozent der Exporte Südkoreas darstellt, dem US-Konzern General Electric stark ähnelt. Zu den koreanischen Eigenheiten zählt allerdings, daß Konzernchef Lee Samsung Electronics nur zu 1,7 Prozent direkt und über Firmenbeteiligungen zu weiteren zehn Prozent kontrolliert, sein Wort dort aber absolut gilt – obwohl Samsung Electronics, ebenso wie Sony, zu 50 Prozent in Auslandsbesitz ist. Allerdings beschränkt sich Lee (64), im Gegensatz zu den meisten anderen Jaebeol-Bossen, auf strategische Entscheidungen und überläßt das Mikromanagement seinen getreuen Gefolgsleuten. Derweil wird sein Sohn Lee Jae-yong (37) als Nachfolger aufgebaut, unabhängig davon, ob dies den ausländischen Minderheitseignern und ihren Fondsmanagern gefällt oder nicht. Gelegentlich wird auch ein Teil der sprudelnden Gewinne von Samsung-Electronics an über Kreuzbeteiligungen verbundene Jaebeol-Schwestern, etwa das Kundenkreditinstitut Samsung Card, oder an Privatfirmen der Lees transferiert. Ein Schelm, wer wie die koreanische Justiz Arges dabei denkt. Foto: Samsungs neue MP3-Spieler: Großteil des 10,3 Milliarden Dollar-Gewinns für neue Produktionsanlagen

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