Das SED-Logo zeigte zwei Hände, die den angeblichen Schulterschluß von SPD und KPD symbolisieren sollten. Inzwischen ist die zweimal umbenannte Partei ihrem Ziel, die „Einheit der Arbeiterklasse“ herzustellen, näher denn je. Weil Oskar Lafontaine und zahlreiche DGB-Funktionäre zur Linkspartei übergelaufen sind, haben die Genossen wieder Oberwasser. Zudem sind die SED-Nachfolger mit der Zeit gegangen und haben sich ein neues Logo verpaßt: ein angewinkeltes Dreieck, das stark an das Logo der Mineralwasserfirma Apollinaris erinnert. Es gibt aber noch andere Parallelen zu dem Wasser, das mit dem Spruch „Queen of Table Waters“ beworben wird: auch bei den Genossen nichts als blubbernde Blasen – heißen sie Kapitalmachtbegrenzung oder Umverteilung. Das Lieblingswort der Linken aber ist Mindestlohn. Den wünschen sich die Genossen in einer Größenordnung von 1.400 Euro im Monat. Die genaue Höhe war am vergangenen Sonnabend einer der wenigen Streitpunkte auf dem Wahlparteitag der Linkspartei, wo als erster Bodo Ramelow das Wort ergriff. Der Westdeutsche gilt als der kommende Mann der Partei. Er zählt zu den Architekten der angestrebten Fusion mit der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) und ist Wahlkampfleiter der Linkspartei/PDS. Am 22. Mai habe Schröder zu den Wählern gesagt: „Ich bin euer Kanzler. Holt mich hier raus“, interpretierte Ramelow den Entschluß des Kanzlers, Neuwahlen herbeizuführen. Mit den üppigen Wahlversprechen im PDS-Programm hat er kein Problem: „Laßt euch nicht einreden, daß das nicht finanzierbar ist. Das wollen euch nur die Millionäre einreden.“ In diese Kerbe schlagen fast alle Delegierten am Rednerpult. Dann ist Mittagspause. Auf dem Parteitag läuft alles wie am Schnürchen. Es wird sogar protokolliert – wie früher. Zeitvorgaben werden minutengenau eingehalten. Eine Mittagspause gehört zum Zeitplan. Lafontaine und Gysi verschwinden mit ihrer Entourage in einem abgeschirmten Raum hinter der Bühne. Anschließend folgt der große Auftritt des Saarländers. Wie wird er auf seine neuen Ost-Genossen zugehen? Werden sie ihm wieder die „Fremdarbeiter“-Sache um die Ohren hauen – wie in den Wochen zuvor? Lafontaine, der zuvor gelangweilt seinen Vorrednern gelauscht hat, tritt ans Mikrophon. „Ich grüße besonders Hans Modrow, den ich in den achtziger Jahren in der DDR kennenlernen durfte.“ Es sei falsch, Gorbatschow zu feiern und gleichzeitig den letzten SED-Ministerpräsidenten Modrow zu verdammen, der ebenso gegen die Verkrustungen des Stalinismus angegangen sei. Lafontaine findet sofort den richtigen Ton. Wenn Angela Merkel ihre Ost-Identität aufgegeben hat und heute wie eine Westdeutsche wirkt – dann hat Lafontaine den Wandel zum Gesinnungs-Ossi geschafft. Er ist jetzt im Osten angekommen. Schuldzuweisungen an die Bundesregierung Es folgt eine Abrechnung mit der Schröder-Regierung. Zunächst definiert Lafontaine, was links bedeute: erstens auf der Seite der Schwächeren zu stehen. Und zweitens: „Es braucht immer wieder gesellschaftliche Regulierungen und Gesetze, sonst drücken die Starken die Schwachen an die Wand.“ Zum Thema Fremdarbeiter erinnert Lafontaine an seine Vergangenheit: „Ich habe bereits als Kanzlerkandidat 1990 das ius soli vertreten und wurde dafür angesehen, als sei ich nicht bei Trost.“ In der ganzen „rechten Presse“ habe damals gestanden, er liebe Afrikaner mehr als Rußlanddeutsche, empört sich der Superminister a.D. Dann folgen Schuldzuweisungen: „Das ist eine Mitte-Rechts-Regierung, die hier in den letzten Jahren gemacht wurde.“ Zudem würden die Programme der politischen Parteien von den Wirtschaftsverbänden vorgegeben. Dies stelle die innerparteiliche Demokratie in Frage, sagte Lafontaine. So geht es munter weiter: Hartz IV enteigne ältere Arbeitnehmer. Flexibilisierung des Arbeitsmarkts sei ein Euphemismus. Dahinter verberge sich „Arbeiten rund um die Uhr, zu niedrigen Löhnen und ohne Kündigungsschutz“. Selbst der Kindermangel sei Folge dieser „sozial ungerechten“ Politik: „Wer das zu verantworten hat, der ist schuld daran, daß es keine Geburten mehr gibt.“ Nur einmal gibt es einen Seitenhieb auf die Union: Paul Kirchhof – so Oskar Lafontaine – habe nichts mit der Realität zu tun. Nach Lafontaines Rede ruft der sächsische Delegierte Gunther Schneider zur „Bekämpfung des Rechtsextremismus“ auf, ein Thema, das überraschend wenig Platz im Wahlprogramm einnimmt. „Während wir hier darüber diskutieren, ob wir Rechtsextremisten oder Neonazis oder Rassisten bekämpfen, scheren die sich gar nicht darum, sondern marschieren“, sagte Schneider und berichtete stolz von dem „Bündnis gegen Rechts“ in Weißenfels, in dem die „PDS sehr willkommen“ sei. Der Medienandrang ist gewaltig. So viele Kameras gab es lange nicht mehr auf einem Parteitag der Linken. Auch sonst ist das Estrel Convention Center in Berlin-Neukölln gut gefüllt: Zahlreiche Besucher schauen den Delegierten über die Schultern. So etwa Kreszentia Flauger von der Partnerpartei WASG. Die 39 Jahre alte Niedersächsin wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dem nächsten Bundestag angehören. Da will die frühere Verdi-Betriebsrätin sich dann für „mehr Chancengleichheit für Frauen einsetzen“. Außerdem, so Flauger gegenüber der JUNGEN FREIHEIT: „Die Debatte über Umverteilung muß wieder laufen.“ Daß höhere Steuern die Konjunktur abwürgen, bestreitet sie glatt: „Es ist schlicht nicht wahr.“ Spätestens an diesem Punkt wird deutlich: Argumentativ paßt zwischen die PDS-Propaganda und die WASG-Parolen kein Blatt mehr. Es ist genau wie der neueste Werbespruch von Apollinaris (über das Mischen des Sprudelwassers mit Wein): „Wenn zwei Dinge gut harmonieren, dann hat das meist Gründe.“