Am Mittwoch vergangener Woche verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf drei Palästinenser, die nach Überzeugung der Kammer in Deutschland eine Zelle der Al-Tawhid-Bewegung gebildet hatten, zu Haftstrafen zwischen sechs und acht Jahren. Bei Al-Tawhid handelt es sich nach Angabe des nordrhein-westfälischen Innenministeriums weniger um eine Organisation als vielmehr um eine ideologisch-religiös ausgerichtete Bewegung Gleichgesinnter. Auf der Grundlage eines aggressiv-militanten Fundamentalismus soll der weltweite „Heiligen Krieg“ gefördert und unterstützt werden. Die operative Leitung von Al- Tawhid soll bei dem Jordanier Abu Musab al Zarkawi liegen, der wiederum einen direkten Zugang zum Netzwerk um Osama bin Laden haben soll und für zahlreiche Terroranschläge im Irak und anderswo verantwortlich ist. Dem Urteil war ein Mammutprozeß von 136 Verhandlungstagen vorausgegangen. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß drei der vier Angeklagten Anschläge auf zwei Restaurants in Düsseldorf und die Jüdische Gemeinde in Berlin geplant hatten. Ihr Vorgehen sei zwar nicht sehr professionell gewesen, gleichwohl war die Gefahr groß. Nur durch das entschlossene Eingreifen der Sicherheitsbehörden seien die Anschläge verhindern worden. Harsche Kritik richtete der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling an die nordrhein-westfälischen Ausländer- und Staatsangehörigkeitsbehörden. Dieser Prozeß hätte nicht stattfinden müssen, wenn das Ausländerrecht konsequent angewandt worden wäre. So hatte der in Deutschland mehrfach vorbestrafte Hauptangeklagte es geschafft, sich unter falschem Namen und mit einer erfundenen Lebensgeschichte ein Bleiberecht mit Anspruch auf staatliche Unterstützungsgelder zu erschleichen. Auch der wegen Drogenhandels vorbestrafte Angeklagte Aschraf al D. habe „unter sehr prüfungsbedürftigen Umständen“ eine Duldung erhalten. Geradezu ungläubig mußte das Gericht feststellen, daß gleich mehrere Zeugen aus dem Umfeld der Angeklagten sich unter falschen Namen die Einbürgerung in Deutschland erschlichen haben. Es sei dringend geboten, die Maßstäbe und Kriterien und vor allem die Handhabung bei der Umsetzung des Ausländer- und Einbürgerungsrechtes zu prüfen. Die Verantwortlichen weisen jede Verantwortung zurück Damit fällt erneut ein schwarzer Schatten auf für Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung zuständige Behörden. Dabei sind die in diesem Verfahren zutage geförderten Erkenntnisse, jedenfalls bezogen auf die Angeklagten, noch keine Auswirkungen des neuen Aufenthaltsrechts, denn das gilt erst seit dem 1. Januar 2005, während die Terrorzelle bereits im Jahre 2002 gesprengt worden war. In das neue Aufenthaltsrecht ist eine bemerkenswerte Automatik eingebaut, die das Problem verschärfen dürfte. Ein Ausländer, der trotz fehlenden Aufenthaltsrechts nicht abgeschoben werden kann, weil ihm in der Heimat Todesstrafe, Folter oder besondere (staatliche oder nichtstaatliche) Verfolgung drohen, muß in Deutschland geduldet werden, auch wenn er hier schwerste Straftaten begangen hat. Wer geduldet werden muß, soll eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. „Soll“ bedeutet, er erhält sie, wenn keine besonders gravierenden Gründe dagegen sprechen. Mit der Aufenthaltserlaubnis ist der Aufenthalt rechtmäßig, und es läuft die Frist für das Recht auf Einbürgerung. Mit diesem hier stark vereinfacht dargestellten Mechanismus wird die Einbürgerung von Neubürgern gerade aus Ländern mit vitaler Folter- und Verfolgungskultur forciert. Die von dem Oberlandesgericht besonders angesprochene Stadt Essen hat denn auch jede Verantwortung von sich gewiesen. Der jetzt Verurteilte sei bereits mit einer falschen Identität eingereist. 1995 wurde er vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannt. Damit habe er durch Beschluß der Bundesbehörde eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, nicht durch die Ausländerbehörde der Stadt. „Wir können nicht in jedem Fall beim Bundesamt noch einmal nachfragen“, sagte Pressesprecher Detlef Feige. Aber auch für die Bundesbehörde sei die Recherche kaum zu leisten. Viele Flüchtlinge reisten „mit falschen Namen, gefälschten oder gar keinen Papieren“ ein. Eine strengere Prüfung würde das Verfahren noch weiter in die Länge ziehen. So war das mit der Konsequenz unter der alten Rechtslage. Und so fanden sich Abu Ali alias Mohammed Abu Dhess und Aschraf al D. in Essen und Berkum zusammen, um zu beratschlagen, wie sie „russische Eier“ (gemeint waren Handgranaten) mit den „Mädchen“ – unter anderen das Jüdische Gemeindezentrum in der Berliner Fasanenstraße – „verheiraten“ könnten. Foto: Angeklagter Aschraf al D. vor der Urteilsverkündung: Nicht sehr professionell, gleichwohl eine große Gefahr