Das waren noch Zeiten, als die Tageszeitung Die Welt am 9. Mai berichten konnte: „Mit Kranzniederlegung an sowjetischen Ehrenmalen begannen in der ‚DDR‘ und in Ost-Berlin die Veranstaltungen zum ’25. Jahrestag der Kapitulation Hitler-Deutschlands‘, der in der ‚DDR‘ als ‚Tag der Befreiung‘ begangen wird. Als Führer einer Delegation aus Repräsentanten des Regimes ehrten SED-Chef Walter Ulbricht und der Ministerratsvorsitzende Willi Stoph in Ost-Berlin die gefallenen sowjetischen Soldaten … am sowjetischen Ehrenmal in Treptow“. Der Bericht ist bereits 35 Jahre alt. In der Zwischenzeit gingen bekanntlich DDR und UdSSR unter. Das wollen Genossinnen und Genossen in Berlin nicht wahrhaben, die sich in einer „Unabhängigen Anlaufstelle für Bürgerinnen“ im Bezirk Lichtenberg/Hohenschönhausen zusammengetan haben. Ihr Ziel: Sie wollen im Stil der alten DDR den 8. Mai als „Jahrestag der Befreiung vom Faschismus“ feiern. Die Sprecherin der Anlaufstelle, Judith Demba, verkündete in der linken Jungen Welt stolz, während andere an jenem Tag Reden halten, plane die Initiative eine „besondere Aktion“: Sie werden „mit einem Autokorso den Einzug der Roten Armee symbolisch nachvollziehen“, und das sogar „mit original sowjetischer Militärtechnik“, womit wohl einige LKW und – mit etwas Glück – vielleicht sogar ein T-34-Panzer gemeint sind, den vielleicht beim Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen ein wachsamer Genosse für den Ernstfall beiseite gebracht hat. Straßenumbenennung als Höhepunkt des Umzuges So wollen die Nostalgiker dann durch die Straßen ziehen und hoffen, daß links und rechts möglichst viele Bürger stehen und mit roten Fahnen winken oder mitmarschieren. Einer der Höhepunkte des symbolischen Einmarsches der Roten Armee soll die Rückbenennung der Straße „Alt-Friedrichsfelde“ in „Straße der Befreiung“ sein. Organisatorin Demba läßt sich in der Zeitung auch aus über die schlimmen Erinnerungen, die viele Berliner und vor allem Berlinerinnen an den echten Einmarsch der Roten Armee haben und die sie vielleicht daran hindern, dem nachgestellten Einmarsch zuzujubeln. Für Demba sind das „individuelle Befindlichkeiten der Deutschen“, und solche Befindlichkeiten zu haben, ist nach ihrer Meinung falsch. Demba wörtlich: „Ich denke, es ist immer ein Fehler, individuelle Gefühle zum Maßstab von Politik zu machen. Das sehen wir ja auch bei Diskussionen um die Bombardierung von Dresden: So etwas führt zwangsläufig zur Relativierung deutscher Verantwortung am Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen.“ Die Sprecherin steht mit ihrer Meinung nicht alleine. Demba rühmt, daß ihre Aktion auch vom Jugendbündnis alkalij, der VVN, der PDS Lichtenberg, der Ortsgruppe Ost der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit und sogar von der Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (PDS) unterstützt werde.
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