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Wahlverweigerung statt Protest

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Daß die CDU am 13. Juni zum vierten Mal mit überwältigendem Abstand stärkste Partei im Thüringer Landtag wird, darin sind sich alle Umfrageinstitute einig. Alles andere scheint offen. 1999 kam die Union unter dem volkstümlich-jovialen Bernhard Vogel mit 51 Prozent auf 49 von 88 Sitzen. Zweitstärkste Kraft wurde die PDS mit 21,3 Prozent, die SPD landete mit 18,5 Prozent auf Rang drei. Doch seit einem Jahr regiert der eher blasse 45jährige Dieter Althaus, und mehrere Meinungsforscher sagen zumindest ein Ende der CDU-Alleinregierung voraus. Voraussetzung dafür wäre, daß Grüne und/oder FDP wieder in den Landtag zurückkehren. Zwar hat die FDP im kommunalen Bereich eine stabile Basis, und die Grünen sind in den Uni-Städten Erfurt, Jena und Weimar aktiv. Doch 1999 wurden die Grünen mit 1,9 Prozent – hinter der DVU mit 3,1 Prozent – nur fünftstärkste Partei. Die FDP scheiterte noch kläglicher: mit 1,1 Prozent. Selbst wenn diesmal die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent liegen sollte (1999: 59,9 Prozent) und so die wahlfreudigen Grünen- bzw. FDP-Anhänger überproportional ins Gewicht fallen – Ökosteuer und „offene Grenzen“ oder die Privatisierung der Krankenkassen und Niedriglöhne sind in einem Bundesland, wo jeder sechste Erwerbsfähige „Kunde“ der Bundesagentur für Arbeit ist und viele keinen Tariflohn erhalten, Orchideenthemen. Schwarz-grüne oder gar schwarz-gelbe Koalitionsspekulationen sind daher Wunschdenken der Parteizentralen oder von Hamburger Wochenmagazinen. Auch daß die SPD ihr „Projekt 18“ vollendet, ist fraglich. Die Zumutungen von Rot-Grün in Berlin färben auch auf die Thüringer SPD-Genossen ab. Deren Spitzenkandidat Christoph Matschie wird zwar von der SPD-freundlichen thüringischen Presselandschaft hofiert, doch als Parlamentarischer Staatssekretär in Schröders Kabinett ist der 42jährige SPD-Linke mitverantwortlich für die unbeliebte Berliner Sparpolitik. Zudem würde Matschie bei einem Engagement in Erfurt sein Überhangmandat im Bundestag verlieren – und die rot-grüne Mehrheit schmälern. Als Juniorpartner von Althaus wird man Matschie nicht erleben, allenfalls als Chef von Rot-Rot – trotz Dementis. Dunkelroter Denkzettel an Schröder & Co. in Berlin Das ist auch unwahrscheinlich, denn es spricht einiges dafür, daß die PDS weiter zweitstärkste Kraft im Erfurter Landtag bleibt. Der „Denkzettel“ an Schröder & Co. wird wohl – neben Wahlverweigerung – diesmal dunkelrot sein. PDS-Spitzenkandidat Bodo Ramelow kann zwar als Hesse keinen Heimat-Bonus vorweisen, doch durch seine neunjährige Tätigkeit als Thüringer Chef der HBV-Gewerkschaft konnte der 48jährige Profi-Funktionär ein enges Beziehungsgeflecht knüpfen. Auch in Journalistenkreisen hat die PDS noch erheblichen Einfluß. Kein Wunder, daß die SED-Nachfolger bei vielen Wählern als einzige ernstzunehmende Opposition wahrgenommen werden. Konkurrenz von links braucht die PDS dabei nicht ernsthaft zu fürchten. Frustrierte Ex-SED- bzw. PDS-Genossen haben nämlich die KPD wieder auferstehen lassen. Die meist im Rentenalter befindlichen Traditionskommunisten um den 75jährigen aus Bayern stammenden Anton Heinrich attackieren PDS, SPD und CDU – mit wenig Aussicht auf Erfolg. Ebenfalls DDR-Nostalgiker versammeln sich in der Ost-Deutschen Alternative für Deutschland (ODAD). Spitzenkandidat Hans-Dieter Siegel war bis 1989 SED-Mitglied und will nun u.a. das DDR-Schulsystem wieder einführen. Da aber die meisten ODAD-Forderungen weit weniger radikal als die von KPD und PDS sind, könnte die Kleinstpartei ein Kern der geplanten bundesweiten „Linkspartei“ sein. Wäre ihnen die Präsenz in den Medien nicht verwehrt, dann würden einige der in Umfragen als „Sonstige“ firmierenden Parteien für viele enttäuschte Wähler durchaus eine Alternative darstellen. Etwa „Die Grauen“, die 1999 nicht zur Wahl antraten und nun ebenfalls mit sozialen Themen (Mindestlohn und Mindestrente sollen auf die „Armutsgrenze für Beamte von derzeit 1.250 Euro“ angehoben werden) auf Wählerfang gehen. Die einst von Trude Unruh als „Graue Panther“ gegründete Rentnerpartei zielt auf enttäuschte SPD- und CDU-Wähler. Spitzenkandidat und Landesvize Klaus Stahl kennt den sozialen Abstieg aus eigener Erfahrung. Der 58jährige war zu DDR-Zeiten Mitglied der Blockpartei NDPD und arbeitete als Diplomingenieur – derzeit ist er froh, als Berufskraftfahrer wenigstens nicht arbeitslos zu sein. Ebenfalls soziale Ideen, aber verbunden mit Wirtschaftskompetenz, vertritt die Bürgerliche Soziale Union (BSU), die 2003 in Bayern als bundesweite Partei gegründet wurde. Spitzenkandidat in Thüringen ist der ehemalige CDU-Bürgermeister von Hildburghausen, Franz Kipper. Seine noch wenigen Mitstreiter wollen einerseits den Einfluß der Gewerkschaften zurückdrängen. Dafür sollen Mindestlöhne und -renten eingeführt werden. Außerdem müsse – wie in Belgien – die Wahlpflicht für alle Bürger eingeführt werden. Bürgerliche Alternativen treten getrennt an Die Deutsche Soziale Union (DSU) tritt diesmal nicht an – eine Alternative stellen die Freien Wähler Thüringens dar. Deren Spitzenkandidat Jürgen Haschke war bis 2003 Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen und zu DDR-Zeiten neun Monate wegen „staatsgefährdender Hetze“ inhaftiert. 1990 war er DSU-Abgeordneter der ersten freigewählten Volkskammer. Seit 1994 ist er Fraktionsvorsitzender der „Bürger für Jena“ im Jenaer Stadtrat. Ebenfalls basisnah ist der Volksinteressenbund Thüringen (VIBT). Der 1999 aus der Bürgerallianz Thüringen hervorgegangene VIBT vertritt vor allem die Interessen der Haus- und Wohnungseigentümer in Thüringen – und das sind theoretisch mehrere hunderttausend der knapp zwei Millionen Wahlberechtigten. Der VIBT kämpft gegen eine Thüringer „Spezialität“ – exorbitante Kommunalabgaben. Die betragen in zahlreichen Fällen mehrere zehntausend Euro und führen mittelfristig zur „kalten Enteignung“ von Hausbesitzern, die während der vier Jahrzehnte SED-Diktatur mühsam an ihrem Besitz festgehalten haben. Der VIBT fordert daher die Zusammenlegung der Kommunalen Zweckverbände sowie die Aussetzung aller Beitragsbescheide für 15 Jahre. Daß das Thema brisant ist, erkannte auch die CDU, die kurz vor der Wahl ein halbherziges Gesetz zur Beruhigung der Hausbesitzer strickte. Wenig Chancen haben ÖDP und Republikaner, die im Lande kaum präsent sind. Die ÖDP ist für Volksabstimmungen – doch dafür sind alle „Sonstigen“. Und wer für mehr Umweltschutz und eine liberale Einwanderungspolitik ist, der wählt wohl gleich die Grünen. Auch die Republikaner (1999: landesweit 0,8 Prozent) mit dem Weimarer Kreischef Frank Welsch stehen mit ihren Forderungen nicht allein. Einen Zuwanderungsstopp für Ausländer und Asylbewerber sowie die „Abschiebung nichtdeutscher Sozialhilfeempfänger und krimineller Ausländer“ verlangt auch die NPD (1999: 0,2 Prozent). Da die DVU nicht antritt, ist völlig unklar, welche der beiden Rechtsparteien dieses Potential für sich gewinnen kann. Der NPD muß man zumindest einen „Jugend-Bonus“ attestieren: Spitzenkandidat Ralf Wohlleben ist 29, seine Mitstreiter sind im Schnitt 15 Jahre jünger als die auf der Republikaner-Liste – dafür kandidiert allerdings keine einzige Frau für die NPD. Sozial geben sich beide Parteien – und hier sind sie eigentlich nicht weit von PDS oder ODAD entfernt. „Nur die CDU steht zwischen Drogen und Ihren Kindern“, plakatiert die Union. Das stimmt so nicht, denn auch NPD und Republikaner wollen gegen den wachsenden Rauschgiftkonsum vorgehen. Der Erfurter Wahlabend könnte interessanter werden als die zeitgleiche EU-Wahl. Foto: Spitzenkandidaten Matschie, Althaus: Koalition unwahrscheinlich

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