Hohmann und kein Ende? Vorläufig sicher nicht. Mit jedem Tag verdichtet sich die anfängliche Vermutung zur Gewißheit, daß es in dieser Kampagne nicht um Hohmann ging und geht, sondern um eine Art TÜV der Struktur und Funktionsweise unserer Mediokratie: – Wer reagiert wie, wann und wo? – Wo regt sich Widerspruch oder gar Widerstand und mit welchen Argumenten? – Wie weit reicht die Bereitschaft zur Akzeptanz absurder Behauptungen? Also nicht Hohmann stand auf dem Prüfstand, sondern im Prinzip alle maßgebenden Meinungsmacher in Politik und Gesellschaft: Abgeordnete und Funktionäre aller Parteien, Verleger und Redakteure, Publizisten und Bischöfe, Lehrer und sonstige „Mittler politischer Bildung.“ Bislang hat die Hohmann-Kampagne bewiesen, daß die „Solidarität der Demokraten“ weiter gewachsen ist und nach wie vor eine hohe Bereitschaft der „anständigen Deutschen“ besteht, den Parolen unserer (V)ideologen blind-links zu folgen – natürlich immer in der besten Absicht des „gemeinsamen Kampfes gegen Rechts“. Inzwischen liegen allerdings Entscheidungen der zuständigen Staatsanwaltschaft und des Oberlandesgerichtes Frankfurt vor, die klarstellen, was selbst bei flüchtiger Lektüre der Rede Hohmanns ohnehin klar war: daß sie keinerlei Anhaltspunkte für die Erfüllung eines Straftatbestandes enthält. Mehr noch: daß die Hohmann zur Last gelegte Äußerung vom „Tätervolk“ der Juden so nicht gefallen, sondern sinnwidrig zitiert worden ist. Diese Entscheidungen haben zwar zu einer erheblichen Ernüchterung, nicht aber zum Ende der Kampagne gegen Hohmann beigetragen. Und damit beginnt der eigentliche Skandal! Von einer Entschuldigung der Wortführer gegen Hohmann ist bis heute nichts bekannt geworden. Auch nicht von einer Erklärung für die sinnwidrigen Zitierungen Hohmanns. Warum nicht? Eben weil es nicht um Martin Hohmann geht, sondern um die weitere Erosion unserer Rechts- und Werteordnung; einerseits durch die an Hohmann demonstrierte Mißachtung der noch bestehenden intellektuellen, politischen und moralischen Mindeststandards; andererseits durch das immer weiter um sich greifende Schweigen zu diesen Praktiken durch freiwillige Preisgabe persönlicher Überzeugungen und den Verlust politischer Glaubwürdigkeit. Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaft an der Hochschule der Künste in Berlin.
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