Anzeige
Anzeige

Ich-Entfaltung statt Kinderreichtum

Ich-Entfaltung statt Kinderreichtum

Ich-Entfaltung statt Kinderreichtum

 

Ich-Entfaltung statt Kinderreichtum

Anzeige

Man gewöhnt sich so langsam daran: Auch im 32. Jahr hin tereinander sind in Deutschland mehr Menschen gestorben als zur Welt gekommen. Nach Angaben des in Wiesbaden ansässigen Statistischen Bundesamts nahm die Zahl der Geburten 2003 erneut ab. Zugenommen hat dagegen die Anzahl der Sterbefälle. Nach den amtlichen Erkenntnissen der Behörde wurden 2003 etwa 715.000 Kinder lebend geboren, das sind 9.000 oder 1,3 Prozent weniger als 2002. Die Zahl der Geburten ging damit seit 1991 – mit Ausnahme der Jahre 1996 und 1997 – stets zurück. Auch die Zahl der Eheschließungen – und damit die Anzahl derer, die planen, eine Familie zu gründen – ging zurück. Im vergangenen Jahr heirateten 383.000 Paare. Dies bedeutet ein Rückgang von 1,4 Prozent: 2002 waren noch 5.000 mehr Ehen geschlossen worden. Gestorben sind 2003 rund 858.000 Menschen, was einem Zuwachs von 13.000 (oder 1,6 Prozent) entspricht. Im vergangenen Jahr starben also etwa 143.000 Menschen mehr, als Kinder geboren wurden. 2002 war das Geburtendefizit noch um 23.000 geringer ausgefallen. Das letzte Jahr mit einem Geburtenüberschuß war nach Angaben der Wiesbadener Behörde 1971. Damals wurden rund 48.000 mehr Kinder geboren, als Bundesbürger starben. Zehn Jahre davor wurde sogar ein Überschuß von 463.000 gezählt. Für 2050 erwartet das Statistische Bundesamt in einer groben Vorausschätzung ein Geburtendefizit von 570.000. Die beste Familienpolitik versagt mangels Adressaten Selbst wenn wieder jede Frau zwei Kinder in die Welt setzen würde und zusätzlich jährlich 150.000 junge Leute aus dem Ausland einwanderten, ließe sich das Problem nach den Berechnungen des Bevölkerungswissenschaftlers Herwig Birg nur auf lange Sicht ausräumen. Weil nämlich die in den vergangenen 33 Jahren nicht Geborenen heute als potentielle Eltern fehlen, „könnte auch die beste Familienpolitik mangels Adressaten das Blatt nicht wenden“, so Birg. Kein Wunder, daß die innerhalb von CDU/CSU organisierte Arbeitsgemeinschaft Christdemokraten für das Leben (CDL) Alarm schlägt: „Jedes Jahr werden gleichzeitig ca. 130.000 Abtreibungen gemeldet, ohne daß dies in Gesellschaft und Politik zu irgendwelchen erkennbaren Anstrengungen führen würde, diesen fatalen Trend zu brechen. Experten schätzen darüber hinaus die Zahl der 2003 tatsächlich vorgenommen Abtreibungen mit über 200.000 deutlich höher ein. Es muß daran erinnert werden, daß seit Freigabe der Abtreibung 1975 nach offiziellen Angaben mehr als 4,2 Millionen Kinder im Mutterleib getötet wurden“, heißt es in einer Stellungnahme. „Eine wesentliche Ursache für die dramatischen Zahlen der negativen Bevölkerungsentwicklung, die das Statistische Bundesamt jetzt vorgelegt hat, liegt deshalb leider auch in den konstant hohen Abtreibungszahlen“, so die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben, Mechthild Löhr. „In diesen nüchternen Zahlen drückt sich sehr klar aus, wie in unserer Gesellschaft und Politik tatsächlich über den Wert des menschlichen Lebens gedacht wird.“ Kinderlosigkeit ist ein allgemeines Problem Für die CDL-Aktivisten ist die zunehmende Kinderlosigkeit ein allgemein-gesellschaftliches Problem. Viele Untersuchungen belegten, daß eigentlich gerade für junge Menschen Familie und Kinder ganz weit oben auf ihrer Werteskala stehen. Dieser Lebenswunsch scheitere jedoch häufig an den zahlreichen, kinderunfreundlich wirkenden Realitäten in unserer Gesellschaft und mangelnder breiter
Unterstützung für junge Familien. „Es darf nicht weiter in der öffentlichen
demographischen Debatte tabuisiert werden, daß inzwischen auf 1.000 Geburten 182 gemeldete Abtreibungen kommen – bei steigender Tendenz“, moniert Löhr und weist auf einen wachsenden völligen Verzicht auf Kinder bei über 30 Prozent der nach 1960 geborenen Frauen hin. Löhr und der Bevölkerungswissenschaftler Birg sprechen in diesem Zusammenhang von einer gefährlichen sozialen, gesellschaftlichen und rechtlichen Schieflage: „Bedenken wir, daß die Abtreibungen zu über 90 Prozent auch noch steuerlich – und damit staatlich – finanziert werden, so bedeutet dies letztlich, daß der Staat die negative
Bevölkerungsentwicklung und das sich daraus ergebende Zusammenbrechen der Sozialversicherungssysteme selbst aktiv unterstützt. Dies ist, neben allen
ethisch wesentlichen Argumenten, eine nicht hinnehmbare Absurdität, über die endlich einmal offen diskutiert werden muß.“ Auch auf ein anderes Problem machen Experten aufmerksam. Es sei zunehmend schwieriger für ungewollt kinderlose Paare, ein Kind zu adoptieren. In den vergangenen Jahren konnten gerade einmal rund 5.000 Kinder vermittelt werden. Angesichts dieser Zahlen scheinen sogar Experten wie Birg zu resignieren: „Das Schlimmste an der Entwicklung ist, daß man so gut wie nichts mehr daran ändern kann. Wenn nicht ein Wunder geschieht und jedes Pärchen in Deutschland demnächst mindestens zwei Kinder in die Welt setzt, drohen langfristig gesellschaftliche Konflikte unbekannten Ausmaßes.“ Martin Textor vom Münchner Staatsinstitut für Frühpädagogik hat zahlreiche Gründe hierfür zusammengetragen. Zum einen verführt der wachsende Wohlstand die Menschen zunehmend zu Egoismus. Statt Kinder für teures Geld zu erziehen, behält man das Geld und konsumiert. Hinzu kommen zahlreiche soziokulturelle Ursachen: Single-Dasein und bewußter Verzicht auf Kinder werden gesellschaftlich akzeptiert, an jeder Ecke sind Verhütungsmittel zu haben, und man beschränkt die Kinderzahl, „damit die Ich-Entfaltung nicht zu sehr durch die Erziehungsaufgabe behindert wird“, heißt es bei Textor. Experten rechnen damit, daß aufgrund des Geburtendefizits und immer länger werdender Lebensspannen bereits 2030 die Hälfte der Bürger in Deutschland älter als 55 Jahre sein wird. Die Folge der Überalterung wird somit ein hoher Bedarf an Sozialkosten sein, insbesondere zur Versorgung der Alten. Bezahlen müssen das die Jungen mit hohen Renten- und Kassenbeiträgen. Birg sieht einen globalen Alterungsprozeß Der Wirtschaftswissenschaftler Meinhard Miegel befürchtet eine Gefährdung der Demokratie, weil er mit dem Widerstand der Arbeitenden gegen allzu hohe Belastungen rechnet. Der Soziologe Reimer Gronemeyer warnt sogar vor einem „Generationenkrieg“. Und Birg sieht einen globalen Alterungsprozeß. Weil die Menschen auch in China und Amerika demnächst immer länger leben und mit wachsendem Wohlstand auch in den Schwellenländern die Geburtenrate zurückgehen wird, könnte die kapitalgedeckte Vorsorge für das Alter – der einzige Ausweg aus der Versorgungsfalle – weltweit knapp werden. Da die internationale Konkurrenz um renditeträchtige Kapitalanlagen sich zu verschärfen drohe, wird laut Birg „demographisch bedingter Verteilungsstreß die Welt von morgen in kaum gekannter Weise prägen“. Foto: Ultraschallbild (siebter Monat): Auf 1.000 Geburten kommen in Deutschland 182 gemeldete Abtreibungen

Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
Hierfür wurden keine ähnlichen Themen gefunden.