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Die Renaissance des Schönen

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Machen Sie das Zentrum hell und licht, damit nachfolgende Generationen sagen können: sie haben gut gebaut“, sprach der Erste Sekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzende des Staatsrats der DDR, Walter Ulbricht, 1966 und ließ zahlreiche historische Bauten, die ihm und seiner Clique nicht paßten, dem Erdboden gleichmachen. Flaniert man heute durch Potsdam, sind die Folgen der Baupolitik, die von den Stadtplanern der DDR verbrochen wurde, immer noch sichtbar. Die „Breite Straße“, eine sechsspurige Hauptverkehrsader, durchschneidet, ja planiert förmlich die ehemals so ansehnliche Gegend zwischen Stadtschloß und Garnisonkirche und begräbt auch den Stadtkanal unter sich, der Potsdam einst den Ruf als „preußisches Venedig“ einbrachte. Wo stand der prächtige Barockbau, der von Baumeister Phillipp Gerlach fertiggestellt und von Friedrich Wilhelm I. eingeweiht wurde, eigentlich? Bis vor kurzem rief diese Frage entweder ein grüblerisches Gesicht des Einwohners hervor oder gar die Falschinformation „Da, wo die Glocken stehen“. Eine Steinplatte mit der Inschrift „Hier stand die Turmkapelle der Garnisonkirche“ auf dem Bürgersteig war allzu leicht zu übersehen. Daß die Ersetzung der Garnisonkirche durch ein Rechenzentrum an gleicher Stelle als „Durchsetzung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts“ und „Voraussetzung für die Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung“ galt, hat bis vor kurzem auch für ihre Unauffindbarkeit gesorgt. Ein typisch real-sozialistischer Bürobau nimmt die gesamte Fläche ein. Seit der Eröffnung der Ausstellung am 31. Mai letzten Jahres markiert jedoch ein zehn Zentimeter breiter grüner Streifen den Standort der Kirche. So ist leicht zu erkennen: Das Eingangsportal des Turmes befindet sich mitten auf der Rechtsabbiegespur der Fahrbahn, die Kirche ist neben einigen verwilderten Blumenrabatten hinter einem Fahrradladen gut in ihrer Größe nachvollziehbar. Prominenz bei neuer Stiftung mit im Boot Während Dresden Stein um Stein mit der Frauenkirche seine Seele wiedererhält, klaffen im Herzen von Potsdam immer noch große Löcher. Die Brandenburger Landeshauptstadt würde einem Vergleich auch kaum standhalten, sind doch Stadtschloß und Garnisonkirche Ende der Sechziger so restlos von den kommunistischen Machthabern abgetragen worden, daß über Jahrzehnte nichts mehr auf sie hinwies. In Dresden mahnte wenigstens die Ruine so lange, bis sich wenige Enthusiasten um den Trompeter Ludwig Güttler (JF 52/03 berichtete) scharten, um die „Steinerne Glocke“ wieder über der Stadt thronen zu lassen. Das könnte nun auch für Potsdam Wirklichkeit werden. Dreizehn Jahre, nachdem die 1984 gegründete Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG) unter der Leitung von Oberstleutnant a.D. Max Klaar das Glockenspiel 200 Meter weit vom ursprünglichen Standort der Kirche entfernt wieder aufstellen ließ, sind die Lichter für den Wiederaufbau auf Grün gestellt. Der Grundstein für den Wiederaufbau der Garnisonkirche soll am 14. April 2005 gelegt werden – auf den Tag genau sechzig Jahre nach dem sinnlosen Bombenangriff auf Potsdam. Der neuerliche sehr hoffnungsvolle Anlauf ist möglich geworden, nachdem Hans P. Rheinheimer, Vorstandsvorsitzender des Industrieclubs Potsdam, nach sächsischem Vorbild einen „Ruf aus Potsdam“ initiiert hat. Rheinheimer handelt aus „Liebe zu alter Architektur und Geschichte“: Zu sehen, wie eine Stadt wieder schön wird, das bewege ihn zu handeln, war in einem Interview mit der Berliner Zeitung zu lesen. Vergangene Woche präsentierten die Landesregierung, die Stadt Potsdam und die evangelische Kirche erstmals ein gemeinsames Konzept für den Wiederaufbau der Kirche. Am Donnerstagabend stellten sie den Aufruf der Öffentlichkeit vor, den bisher 90 Unterstützer unterschrieben haben, darunter RBB-Intendantin Dagmar Reim und Moderator Günther Jauch, der sich schon beim vollständig neu errichteten Fortuna-Portal des Stadtschlosses um die Stadt große Verdienste erwarb. Er hätte den Verdacht, so der prominente Wahlpotsdamer, daß er noch wesentlich mehr tun werde. Jauch findet es „katastrophal, wenn Kirchen zerstört werden“. Wenn eine Kirche fehle, fehle auch das geistige und geistliche Zentrum eines Ortes. Mit ihrem neuen Modell wollen Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), Bischof Wolfgang Huber und Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den jahrelangen Streit um den Wiederaufbau beenden. Die Traditionsgemeinschaft hat viele Kämpfe ausgefochten Wie konnte es zu einer solchen Blockade kommen, nachdem der 1998 abgewählte Oberbürgermeister und Vorgänger vom heutigen Ministerpräsidenten Platzeck, Horst Gramlich (SPD), 1992 Max Klaar und seine Traditionsgemeinschaft mit dem Wiederaufbau betraute? Die Schlachten, die seit der Wende von der TPG mit Stadt und Kirche geschlagen wurden, glichen einem Kampf gegen Windmühlen. Nach der Aufstellung des Glockenspiels war vom Schwung der Nachwendezeit nicht mehr viel zu spüren. Die Stadtverordnetenversammlung beschloß zwar in einer Willenserklärung im Oktober 1990 den „möglichen Wiederaufbau der Garnisonkirche“ und verurteilte die Sprengung als „Akt kultureller Barbarei“, jedoch gab es auch laute kritische Stimmen. Allen voran die PDS war gegen einen Wiederaufbau und setzte anfangs alles daran, die Einwohner mit althergebrachten Parolen von diesem Vorhaben abzubringen. Jedoch wurden die Vorwürfe der „Renaissance des Preußentums“ und die Warnungen vor einem „möglichen Wallfahrtsort für Neonazis“ immer unhaltbarer. Der „Tag von Potsdam“, die Vereidigung von Adolf Hitler durch Paul von Hindenburg, konnte als Grund für „Nie wieder Preußen“ nur noch wenigen ausreichen, den Wiederaufbau für alle Zeiten unmöglich zu machen. Selbst PDS-Größen wie Gregor Gysi oder Lothar Bisky hielten es nicht mehr für angebracht, ein Gebäude für etwas zu bestrafen, für das es mißbraucht worden ist. Anfang der neunziger Jahre war auch die Kirche wenig für das Projekt zu begeistern, schließlich habe man schon ohne die Garnisonkirche viel zu wenig Leute am Sonntag beim Gottesdienst, und niemand brauche noch ein weiteres leerstehendes Gotteshaus. Die Kirche erwies sich überraschenderweise als Hauptgegner der TPG, geriet man doch immer mehr über Detailfragen in sinnlose Streitgespräche. Kaum räumte man einvernehmlich einen Punkt aus, kam die Kirche mit immer mehr Ideen, die den christlich-konservativ und soldatisch geprägten Mitgliedern der TPG nicht schmecken konnten. Grimmig bezog da die Kirche den Standpunkt, man müsse den Turm mit einem Nagelkreuz krönen, denn schließlich hätten ja deutsche Bomberverbände auch die Kathedrale von Coventry in Schutt und Asche gelegt. Wolfgang Thierse für originalgetreuen Aufbau Der zuständige Pfarrer der Kreuzgemeinde, Uwe Dittmer, verstieg sich im Gespräch mit dieser Zeitung gar zu der Behauptung, es sei nicht mehr zeitgemäß, mit dem Preußenadler gegen die französische Sonne zu marschieren, denn das schüre bloß wieder alte Vorurteile und Haßbilder (JF 10/02). Inzwischen hat sich die Kirche aber mit der TPG darauf verständigt, doch wieder die Wetterfahne im Original als Turmabschluß zu nehmen, das Nagelkreuz soll jetzt in Augenhöhe am Turm angebracht werden. Die TPG blieb jedoch hartnäckig bei ihrer Forderung, in der Turmkapelle keine Politik zu dulden. Politische Inhalte seien zeitgeistabhängig und wirkten daher eher spalterisch in unserer Volkskirche, so Klaar im Mai vergangenen Jahres. Dazu zählt der TPG-Chef etwa die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die Unterbringung von rückkehrunwilligen Ausländern im Kirchenasyl, die Beratung von Wehrdienstverweigerern oder den „feministischen Unsinn“ der Jesa-Christa-Lehre. Die Kirche schaltete auf stur und startete ihren eigenen Spendenaufruf, der nun von Rheinheimer aufgegriffen wurde und zum Riesenerfolg werden kann. Innenminister Jörg Schönbohm, bis zuletzt auch Schirmherr der Traditionsgemeinschaft, stellte sich nun ebenfalls hinter die Initiative von Rheinheimer. Der „Ruf aus Potsdam“ geht jedoch weiter als bisherige Planungen der TPG oder der Stadt. Man habe sich zum Ziel gesetzt, die gesamte Kirche in ihrer historischen Form und mit „sehr originalem Innenausbau“ wiederherzustellen, so Rheinheimer. Man wolle nicht einen Turm hinstellen und den Schwung, der dadurch entstünde, ungenutzt verpuffen lassen. Für das Gesamtprojekt, die Kirche aus verputztem Backstein wiederaufzubauen, würden nach vorsichtigen Schätzungen 45 bis 50 Millionen Euro benötigt. Prägend für das Stadtbild Potsdams waren drei Kirchtürme, die sich auf zahllosen Bildern wiederfinden: die Kuppel der Nikolaikirche, der Turm der Heiliggeist-Kirche und der 88,4 Meter hohe Barockturm der Garnisonkirche. Die Forderungen von Brandenburgs Landeskonservator Detlef Karg nach einem Architekturwettbewerb mit modernen Entwürfen wurden jedoch schon im Vorfeld verworfen. Der „vielschichtige Symbolwert“ der 1732 eingeweihten Garnisonkirche müsse bei einem Nachbau berücksichtigt werden, forderte Karg. Stadt und Kirche müßten „das Risiko eingehen, zeitgenössische Architektur zu präsentieren“. Was dabei herauskommt, ist für jeden Touristen am jenem Gebäude zu sehen, das Architekten anstelle der erst 1974 abgerissenen Heiliggeist-Kirche hinstellten. Auf einem Turm, in dem ein Altenheim untergebracht ist, steht eine stählerne Pyramide, die mehr an ein vergessenes Baugerüst erinnert denn an eine Kirche. Aber selbst Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sprach sich für eine detailgetreue Wiedererrichtung aus. Der TPG bleibt, den Anstoß gegeben zu haben Wo soviel Elan besteht, sind ausgemachte Gegner nicht weit weg. Der „Faschismusforscher“ Wolfgang Wippermann forderte die Stadt auf, sich von der TPG zu trennen und dem „Preußentum eine Absage zu erteilen“. Und die linksextreme Fraktion der Stadtverordnetenversammlung „Die Andere“ stellte den Antrag, man möge doch die Zeiten des Geläuts überprüfen lassen, das halbstündig von 8 bis 19 Uhr erklingt. Ein Einwohner hatte sich über die „Monotonie“ und die „Durchdringungskraft“ des Geläuts beschwert. Und die Traditionsgemeinschaft? Auch der Initiator des Rufs weiß um deren Verdienste, hält Klaar für einen aufrechten und ehrenwerten Mann, der jedoch zu weit weg wohne, um die eigentlichen Sorgen der Potsdamer zu verstehen, so Rheinheimer. Auf die in der Kasse der TPG befindlichen 4,2 Millionen Euro (zugesagt sind 5,7 Millionen) möchte man dennoch ungern verzichten. Die Stiftung weiß um den Verdienst, überhaupt erst den Anstoß für den Wiederaufbaugedanken gegeben zu haben, und lädt die Mitglieder herzlich ein, mitzutun. Jedoch kann der TPG ihre Standhaftigkeit mit der Zeit als Sturheit ausgelegt werden. Zwar freut sich Oberstleutnant a.D. Klaar, daß nun begonnen wird und sogar mehr entsteht, als man selbst je erträumt hat – jedoch reagierte man seitens der TPG sehr spät auf die veränderten Umstände. Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker bezeichnete es jüngst als Fehler, der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel eine Spende gegeben zu haben. Er überlege sogar, sie zurückzufordern und der neuen Stiftung zugute kommen zu lassen. Dann wäre die TPG zwar keinen Finger breit von Gottes Wegen abgewichen – aber ihrer eigenen Sache hätte sie damit auch geschadet. Stiftung Internationales Versöhnungszentrum i. G.: Büro für Stadtkirchenarbeit, Stadtverwaltung, 14461 Potsdam; Spenden: Konto-Nr. 350 30 11 888 Mittelbrandenburgische Sparkasse Potsdam, BLZ: 160 500 00 Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel e.V.: Rheinallee 55, 53173 Bonn; Spenden: Konto-Nr. 406 Sparkasse Iserlohn, Bankleitzahl: 445 500 45

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