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Den USA nicht ständig nach dem Munde reden

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Den USA nicht ständig nach dem Munde reden

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Verehrte Vorsitzende, unter dem 18. März 2004 hat Herr Kollege Dr. Friedbert Pflüger, MdB, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Außenpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, aus Anlaß des 1. Jahrestages des Irak-Krieges ein Papier mit dem Titel „Jahrestag des Irak-Krieges – eine Zwischenbilanz“ der Öffentlichkeit vorgelegt. Dieses Papier ist weder in der Fraktion noch in ihren Arbeitsgruppen besprochen, geschweige denn verabschiedet worden. Wir wollen dazu nicht schweigen: Das Papier dient der Rechtfertigung der damaligen uneingeschränkten Parteinahme für den militärischen Angriff der USA gegen den Irak. In diesen Tagen gibt es einen weiteren Jahrestag – auf den Kollege Dr. Pflüger nicht verweist: Am 24. März 1999 eröffnete die Nato die Feindseligkeiten gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien. Dieser erste Krieg auf europäischem Territorium nach dem Ende des 2. Weltkrieges fand durch die Entscheidung der Regierung Schröder/Fischer mit voller Beteiligung der deutschen Streitkräfte statt. Wir sehen zwischen beiden Jahrestagen einen unguten Zusammenhang. 1. Sowohl die Intervention der USA im Irak als auch die Bombardierung Jugoslawiens und seiner Hauptstadt Belgrad durch die Nato geschah ohne Mandat der Vereinten Nationen. Dies ist von der deutschen Völkerrechtslehre zutreffend und mit Nachdruck als völkerrechtswidrig bewertet worden. Gegen diese Intervention in Jugoslawien hatten sich damals namhafte Staatsmänner ausgesprochen, darunter Henry Kissinger und Helmut Schmidt. Die Tötung von Zivilisten bei der Bombardierung der Verkehrswege rief genauso weltweiten öffentlichen Protest hervor, wie die zynische Verharmlosung dieser Tötungen durch den damaligen Nato-Sprecher als „Kollateralschäden“. Tatsächlich wurde das Regime Milosevic nicht durch den völkerrechtswidrigen Angriff der Nato beendet – das Regime Milosevic überlebte diesen Krieg. Beendet wurde es durch die eigene Bevölkerung. In dieser Woche hat der deutsche Verteidigungsminister bekanntgegeben, noch mehr deutsche Soldaten in das Gebiet des ehemaligen Jugoslawien zu schicken: jetzt, um die seinerzeit bekämpften Serben im Kosovo vor den – von der Nato erst aufgerüsteten – albanischen Milizen der UÇK zu schützen. 2. Beide Kriege haben das deutsche Volk zutiefst erschüttert und beunruhigt. Die Frage von Krieg und Frieden ist für Deutschland angesichts seiner nationalen Erfahrungen von übergreifender Bedeutung. 3. Die im Fall „Irak“ und im Fall „Jugoslawien“ genannten Kriegsgründe „Massenvernichtungswaffen“ bzw. „Humanitäre Intervention“ versuchten darüber hinwegzutäuschen, daß die militärischen Aktionen der jeweiligen Alliierten vom Völkerrecht nicht gedeckt waren. Ein waches Gespür unserer Bevölkerung und eine kritische, lagerübergreifende Öffentlichkeit haben beide Fälle durchschaut. CDU und CSU müssen diesen Einwänden Rechnung tragen. Die Menschen erwarten von einer bürgerlichen Volkspartei – und hier widersprechen wir dem Kollegen Dr. Pflüger ausdrücklich – Ablehnung einer derartig unseriösen und risikofreudigen Kriegspolitik; auch dann wenn sie in westlichem Gewande einherschreitet. Dies gilt umso mehr, wenn die Täuschung der Weltöffentlichkeit feststeht: So hat der ehemalige Verantwortliche der Vereinten Nationen für die Inspektionen im Irak im Zusammenhang mit der für die „Kriegsbegründung“ so notwendigen Frage nach Massenvernichtungswaffen, Hans Blix, in seinem jüngst erschienenen Buch „Mission Irak – Wahrheit und Lügen“ deutlich gemacht, daß die dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorliegenden Erkenntnisse über die Verfügungsgewalt des Irak über derartige Waffen zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns keinen kriegerischen Einsatz nach den Regeln der Vereinten Nationen rechtfertigen konnten. 4. In anderen an diesen Kriegen beteiligten Staaten sind alle Aspekte der Kriege in einwandfreien parlamentarischen und demokratischen Prozessen einer Überprüfung unterzogen worden. Im amerikanischen Kongreß genauso wie im britischen Unterhaus mußten und müssen sich die verantwortlichen Amtsträger intensiven Befragungen stellen. Diese haben bereits ergeben, daß zum Beispiel im Fall des Irak-Krieges die Weltöffentlichkeit sowohl von der Regierung Bush wie von der Regierung Blair mit der Unwahrheit bedient worden ist. Eine vergleichbare Überprüfung der Aussagen unserer eigenen deutschen Amtsträger während des Bundeswehreinsatzes gegen Jugoslawien hat es im Deutschen Bundestag bis heute nicht gegeben. Daß dies nicht geschehen ist, wird langfristig zu einer Schädigung des politischen Vertrauens in die Glaubwürdigkeit unserer Militäreinsätze führen. 5. Wir bitten mit Nachdruck, daß die Aussage des deutschen Verteidigungsministers, Deutschland werde „am Hindukusch verteidigt“, genauso politisch hinterfragt wird, wie das immer tiefere Hineinziehen der Bundeswehr in den afghanischen Bürgerkrieg. Diese ungute Entwicklung fördert nicht die Sicherheit Deutschlands und des Westens, sondern untergräbt sie in zunehmender Weise: Selbstmordattentate und heimtückische Bombenanschläge sind bekanntlich die Waffen derer, die keine Flugzeugträger und Raketen zur Bombardierung fremder Städte haben. 6. Wir bedauern, daß all diese Gesichtspunkte im Papier des außenpolitischen Sprechers unserer Fraktion nicht berücksichtigt werden. Wir sollten unsere Freundschaft zu Amerika nicht dadurch zum Ausdruck bringen wollen, daß wir kriegsgeneigten Kräften in den USA ständig nach dem Munde reden. Es muß eine klügere Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit geben. Wir vermissen in dem Papier auch eine abgewogene Distanz zu den hinlänglich bekannten Entgleisungen des US-Ministers Rumsfeld gegen unser Land wegen der deutschen Ablehnung seines Krieges. Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl hatte das Verhalten dieses Ministers zurecht als Belastung für freundschaftliche Beziehungen bezeichnet. 7. Wir halten es für dringend erforderlich, bei der Aufarbeitung der westlichen Kriege gegen den Irak und gegen Jugoslawien und den sich daraus ergebenden Lehren eine umfassende und objektive Diskussion in der CDU/ CSU Bundestagsfraktion zu führen: Eine Bilanz für Deutschland und seine Lage, aber auch zur Definition der Politik unserer Parteien zu den Schicksalsfragen von Frieden und Krieg. Mit freundlichen Grüßen Dr. Peter Gauweiler, MdB Willy Wimmer, MdB Der hier ungekürzt dokumentierte Brief der beiden Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler (CSU) und Willy Wimmer (CDU) wurde am 24. März 2004 unter dem Betreff „24./25. März als 5. Jahrestag des Krieges gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien, 18. März als 1. Jahrestag des Krieges gegen den Irak“ an Angela Merkel, Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Michael Glos, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe, geschrieben.

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