Als am Dienstagnachmittag kurz nach 14 Uhr die drei Herren im Anzug vor den versammelten Journalisten Platz nahmen, erreichte der Krimi an der Alster seinen Höhepunkt. Minuten vorher meldeten bereits sämtliche Nachrichtenagenturen das Ende der Hamburger Koalition und „Schill-Querelen bringen Hamburg-Koalition ans Ende“. Und die drei Herren waren sich in allem einig. Der CDU-Bürgermeister Ole von Beust spricht über „ein unwürdiges politisches Kasperltheater mit zum Teil psychopathischen Zügen“. Die Schmerzgrenze sei erreicht, eine „gewisse Person“ solle nicht glauben, sie habe „die Stadt in der Hand“. Links von ihm sitzt Mario Mettbach, Bundesvorsitzender der Schill-Partei, die er eigentlich nur noch Partei Rechtsstaatlicher Offensive nennen möchte. Mettbach, der auch Beusts Stellvertreter ist, pflichtet dem Bürgermeister bei und sagt kurz darauf etwas ähnliches. Der Dritte im Bunde heißt Reinhard Soltau, ist Bildungssenator und spricht für die FDP dasselbe. „Wir waren uns einig, daß dieses der einzig richtige Weg ist, um stabile Mehrheiten herzustellen“, lautet das Credo der drei. Neuwahlen seien bereits für den 29. Februar vorgesehen, zufriedenes Nicken der drei. Und ständig ist von einer „gewissen Person“ die Rede, deren Name so gründlich vermieden wird, als laste bereits ein Fluch auf dessen bloßer Nennung: Ronald Barnabas Schill. Denn das Theater der Hamburger Landespolitik ist letztendlich nur ein Ausläufer des Zusammenbruchs eines einst hoffnungsvollen rechtspopulistischen Parteiprojekts. Nach dem spektakulären Wahlerfolg von 19,4 Prozent bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen im September 2001, der Parteigründer und Namensgeber Schill zum stellvertretenden Bürgermeister und Innensenator machte, folgte nach nicht einmal zwei Jahren – nach diversen kleineren Querelen – ihr erster handfester Skandal. Schill wurde von Beust aus dem Amt entlassen, nachdem dieser mit der Veröffentlichung von Beusts intimer Beziehung zu Justizsenator Roger Kusch (CDU) gedroht haben soll. Beust streitet ein solches Verhältnis zu seinem langjährigen Freund bislang ab. Mettbach sollte für Ruhe und Ordnung sorgen Danach war Ruhe. Zumindest bis zum 29. November, als der Hamburger Landesverband der Schill-Partei – die Keimzelle des gesamten Parteiprojekts – Schill mit 73,45 Prozent in seinem Amt als Landesvorsitzender bestätigte. Schills Aussage, er wolle „die Politik in Hamburg konstruktiv und kritisch“ mitgestalten, wurde nicht zu Unrecht als Drohung verstanden. Und Schill holzte los – ein SPD-Staatsrat sei „intrigant“. Außerdem wolle er seinem ungeliebten Nachfolger als Innensenator und Parteifreund, Dirk Nockemann, „korrigierend“ in die Arbeit eingreifen. Außerdem sprach er Nockemann, der zwar als fleißig, aber nicht beliebt gilt, die Qualifikation für das Amt ab. Im Koalitionsausschuß wolle er „selbstverständlich“ mitarbeiten, obwohl Beust bereits ankündigte, „nie wieder“ mit Schill an einem Tisch zu sitzen. Beust gab daraufhin seinem Stellvertreter und Koalitionspartner Mettbach auf, für Ordnung in seiner Partei zu sorgen – und Mettbach parierte. Im Raum „Müritz“ des Berliner „Quality Hotels“ wurde Schill im Rahmen einer Bundesvorstandssitzung der Schill-Partei vom Vorsitzenden Mettbach massiv unter Druck gesetzt. Er solle eine „Verpflichtungserklärung“ unterschreiben, einen Text, den Teilnehmer der Sitzung als „Maulkorb“ bezeichnen. Auch eine „Vereinbarung zwischen Bund und Schill“ oder eine „mündliche Ehrenerklärung“ seien Optionen gewesen, die Mettbach später in der Pressekonferenz als „diverse Brücken“ bezeichnete. Schill lehnte sämtliche Zugeständnisse ab. Daraufhin wurde er mit sieben zu zwei Stimmen vom Bundesvorstand seines Amtes als frischgewählter Landesvorsitzender enthoben und für die nächsten zwei Jahre mit einer Ämtersperre belegt. Einige angereiste Landesvertreter nahmen dies zum Anlaß, unter Protest den Sitzung zu verlassen. Mettbach glaubte indes, die Hamburger Koalition gerettet zu haben. Was folgt, ist ein chaotischer Sturm der Entrüstung innerhalb der Partei. Während einige Landesverbände sich offen mit Schill solidarisieren, leistet die Hamburger Schill-Fraktion einen Treueeid auf die Koalition unter Beust. Nur zwei Parlamentarier verweigern dies – der Abgeordnete Horst Zwengel und Ronald Schill selbst, die der Sitzung fernblieben. Für Beust ist das allerdings erst einmal genug, er sieht den Koalitionsbruch abgewendet. Schill kündigte indes an, er werde nicht im Traum daran denken, den Beschluß zu akzeptieren. Mettbach sei bereits „politisch tot“, und er spiele mit Gedanken, selbst demnächst Bundesvorsitzender zu werden. Bereits zwei Tage nach seiner „Absetzung“ leitete er „als Landesvorsitzender“ eine Vorstandssitzung der Hamburger Schill-Partei. Und er setzt noch einen drauf: Er wolle Mettbach aus der Partei ausschließen. Außerdem drohte Schill, er werde bei den bevorstehenden Haushaltsberatungen den Etatentwurf mit seinen Anhängern in der Fraktion scheitern lassen. Sachsen steht voll und ganz hinter Ronald Schill Die Landesverbände, die das Hamburger Spektakel nur von weitem sehen, sind indes in heller Aufregung. Der sächsische Landesgeschäftsführer, Uwe Schuffenhauer, bestätigte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, Sachsen stehe „voll und ganz hinter Schill“. Der Brandenburger Landesverband, von dem es noch am Montag in der Welt hieß, er unterstütze Mettbach, sei ebenfalls für Schill. Der stellvertretende Landesvorsitzende Brandenburgs, Klaus Henschel, sagte im Gespräch mit der JF, er sei „zu 110 Prozent“ auf der Seite Schills. Dies könne er ebenfalls für einen Großteil der etwa 200 Parteimitglieder im Landesverband bestätigen. Der Landesvorsitzende des mitgliederreichsten Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Michael Schlembach, positionierte seinen Verband ebenfalls „zu 60 Prozent pro Schill“. Er unterstütze wie die meisten Landesverbände die Forderung nach einem schnellen Bundesparteitag, „um die Querelen zu beenden“. Die Berliner Landesvorsitzende, die ehemalige CDU-Politikerin Anke Soltkahn, spricht von einer „politisch fatalen Entscheidung“ Mettbachs. Ihre Forderung, Schill „an die Spitze der Bundespartei zu stellen“, ist eine klare Kampfansage an die Bundesführung der Partei. Ebenso sieht es der sachsen-anhaltinische Landesvorsitzende Alan Morris. Der gebürtige Waliser sagt über seinen Landesverband (etwa 400 Mitglieder), er stehe zu 95 Prozent hinter Parteigründer Schill. Schwere Geschütze fährt er gegen die Bundesführung auf. Sie habe ihre „Glaubwürdigkeit verloren“, es bedürfe einer „Korrektur der Richtung“. Der Bremer Landesvorsitzende Jan Timke ist ebenfalls besorgt über die Ereignisse – wenn auch weniger emotional aufgerüttelt: „Schon rein praktisch“ könne man Schill „nicht einfach so absägen“. Andere Landesverbände waren entweder nicht zu erreichen oder halten sich bislang bedeckt. Und Mettbach, der alles tat, um die Koalition – wie auch immer – am Leben zu erhalten? Er kündigt grimmig an, Schill nun aus der Partei ausschließen zu wollen und entzog ihm seine Mitgliederrechte. Die Bilanz ist verheerend. Die Bannflüche nehmen fast täglich zu. Schill und Mettbach agieren wie zwei Gegen-Päpste und bringen dadurch das gesamte Projekt „Schill-Partei“ an den Rand des Abgrunds der Bedeutungslosigkeit. Viele Beobachter fühlen sich an vergleichbare Entwicklungen bei den Republikanern erinnert. Fraglich ist nicht mehr, ob sich die Schill-Partei noch einmal aufrappelt, sondern nur noch, wie lange es dauert, bis der Scherbenhaufen und damit der entstandene Flurschaden für rechtspopulistische Projekte in Deutschland beseitigt ist.