Zwei Tage vor der Landtagswahl in Niedersachsen ließ die Berliner Tageszeitung taz noch einmal alle Alarmglocken läuten, indem sie Christian Wulffs CDU als „Endlagerstätte für Rechtsradikale“ entlarvte. Niedersächsische CDU-Abgeordnete, so taz-Autor André Paris, „erweisen sich als echte U-Boote für den Verfassungsschutz“. Dafür spreche nicht allein die Tatsache, daß der seit einem Jahr amtierende Braunschweiger Oberbürgermeister zu Studienzeiten Mitglied der NPD gewesen war (ein Befund, den Hoffmann nie verhehlt hatte, und der seinen Gegnern schon im Wahlkampf nichts nützte); vielmehr „enthüllte“ die taz, daß Wulffs designierter Innenminister Uwe Schünemann, bis dato parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, „zusammen mit FPÖ-Mitglied Schmalenberg und dem rechtsextremen Autor Karlheinz Weißmann“ im Oktober 2000 auf einer Veranstaltung der Paneuropa-Jugend referiert habe. In der Tat hielt Schünemann auf besagter Veranstaltung ein Referat zum Thema „Länder und Gemeinden in einem sich einigenden Europa“, in der Tat sprachen dort auch die Wiener Landtagsabgeordnete Heidrun Schmalenberg und der Historiker Weißmann. Die Aufregung der taz über die kleine niedersächsische Jugendorganisation der Paneuropa-Union Otto von Habsburgs, die „neofaschistisch“ durchsetzt (taz) sei, mag für Außenstehende unverständlich sein. Indes steht hinter dem Vorwurf, die niedersächsische CDU werde von rechts unterwandert, eine längere Tradition. Und der jetzige Wahlsieg der Union scheint von denjenigen, die hinter dieser Unterwanderungsthese stecken, als Bedrohung für die eigenen materiellen Interessen wahrgenommen zu werden. Bereits im Jahr 2000 erschien die von einem „Antifaschistischen Autorenkollektiv“ verfaßte 270 Seiten starke Broschüre „Braunschweig ganz rechts“, die erklärtermaßen ein Informationsdefizit abbauen sollte. Nicht allein der organisierte „Neofaschismus“ oder Skinheads gerieten ins Visier der Autoren, sondern auch die „Rechtsaußen im Nadelstreifen“, die vermeintlichen „Braunzonenorganisationen“. Dazu zählen Vertriebenenverbände, Studentenverbindungen und eben auch die Paneuropa-Union. Ein eigenes Kapitel widmet sich „CDU, Junge Union, Ring Christlich Demokratischer Studenten“ in Braunschweig. Das Werk bietet in der Hauptsache ein ausführliches „name-dropping“, für dessen Zusammenstellung „zahlreiche AntifaschistInnen und Gruppen behilflich gewesen sind“. „Kampf gegen Rechts“ statt Aus- und Weiterbildung Herausgegeben und verlegt wird die Schrift, die zu „aktivem Antifaschismus ermuntern möchte“, von der „Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt“ (ARUG) der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Niedersachsen e.V. Diesem nach dem Zweiten Weltkrieg von Gewerkschaftern gegründeten Verein, der in erster Linie Kurse zum Erwerb von Berufs- und Bildungsabschlüssen anbietet, gehören als Mitglieder der niedersächsische Landesbezirk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sowie zahlreiche Einzelgewerkschaften und der Landesverband der Volkshochschulen an. Arbeit und Leben erhält zudem Mittel aus dem Etat des Wissenschaftsministeriums, das Einrichtungen der Erwachsenenbildung mit immerhin 32 Millionen Euro fördert. An der Spitze der 1994 gegründeten ARUG steht der Diplom-Pädagoge Reinhard Koch, der seitdem als Experte zum „Rechtsextremismus der Region“ gefragt ist und dabei dankbar auf die Vorarbeit seines „Autorenkollektivs“ zurückgreift. Im Juni 2001 referierte er auf Einladung des SPD-Bundestagsabgeordneten und Fraktionsgeschäftsführers Wilhelm Schmidt über die rechte Szene. Neben Skinheadorganisationen wie „Oderwaldfront“ oder „Braunschweig88“ nannte Koch in diesem Zusammenhang auch die „intellektuellen Rechten“, die er in der Paneuropa-Jugend Niedersachsen versammelt weiß. Gemeinsam mit dem Leiter der ARUG saß auf dem Podium auch die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium Cornelie Sonntag-Wolgast, die die Programme der Bundesregierung „gegen Rechts“ vorstellte. Aus dem Fundus der Vereinigungen erhält auch Koch einen Anteil für seine Ausstellung „Rechtsextremismus erkennen“ im Rahmen des Projekts „Rechte Jugendkulturen“. Gebucht wurde diese Ausstellung erstmals im Mai 2002 – von der Braunschweiger SPD-Zentrale. Mit der Erstellung von „Handreichungen für die politische Ebene“, so Koch, beauftragte ihn der niedersächsische Landespräventionsrat; im Vorstand dieses Gremiums sitzt als Vertreter des Innenministeriums Rüdiger Butte, der seinen Aufstieg zum Direktor des Landeskriminalamts seinem Genossen und Protegé Gerhard Schröder verdankte. Mit wenig Aufwand könnte das Innenministerium also nachvollziehen, in wessen Gesellschaft sich Kochs Arbeitsstelle um den Antifaschismus bemüht. Von der ARUG führt ein direkter Verweis zum Antifaschistischen Café Braunschweig, von dem das Antifa-Info Fight back! herausgegeben wird. Dies wiederum ordnet der niedersächsische Verfassungsschutzbericht als Periodikum der „militanten Autonomenszene“ ein. Fight back! feierte nicht nur die Störungen einer Veranstaltung mit dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) in Braunschweig, sondern rief auch zum Protest gegen den Neujahrsempfang des Oberbürgermeisters Gert Hoffmann (CDU) auf, weil dieser den „Faschisten“ Arnulf Baring geladen hatte (JF 3/03 berichtete). Café als Kontaktstelle der linksextremen Jugendszene Das Antifaschistische Café führt der VS-Bericht als Kontaktstelle der linksextremen Jugendszene in Braunschweig an. Daß solche Beziehungen Koch nicht ungelegen sind, verdeutlichte er im März 2002 in einem Interview mit Braunschweig konkret. Dort äußerte er sich zu Vorstandswahlen der Braunschweiger CDU, in der er zwei Mitglieder als „Neurechte“ ausmachte. Beide wurden als frühere Mitglieder des „Arbeitskreises Junger Konservativer“ und des Braunschweiger RCDS bereits in „Braunschweig ganz rechts“ aufgelistet. Daß beide (darunter der Landesvorsitzende der Paneuropa-Jugend/PEJ Torsten Rimane) nun in der CDU führende Positionen einnähmen, wertete Koch als Indiz, daß „Braunschweig driftet“. Auf der Internetseite der ARUG wird unter der Rubrik „Rechtsextremismus in der Region“ wiederum eine Veranstaltung der PEJ im April 2002 in Wolfenbüttel erwähnt. Der Protest der PDS-Jugendorganisation Solid gegen die PEJ-Versammlung im Rathaus der Stadt wird wohlmeinend zitiert. Auch zu dieser Klientel zeigt Koch keine Berührungsängste: Vier Tage vor Erscheinen des taz-Artikels referierte er bei Solid über „Strategien antifaschistischer Politik“, gemeinsam mit Gerd Bornemann, dem PDS-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl und niedersächsischen Vorsitzenden der linksextremen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA). Um so unverständlicher erscheint die Arglosigkeit, mit der Kochs Arbeitsstelle von offizieller Seite gehätschelt wird. „Politische Bildung Online“, ein Zusammenschluß der Bundeszentrale und der Landeszentralen für politische Bildung, verweist Interessenten auf die Seite der ARUG und nennt dort auch die Publikation „Braunschweig ganz rechts“ sowie die Verknüpfung mit dem „antifaschistischen Café Braunschweig“. Daß zudem von ARUG auch auf die linksextreme Internetseite indymedia, die bereits mehrfach in die Schlagzeilen geriet, verwiesen wird, setzt dieser Verharmlosung noch die Krone auf. Bewertung der ARUG-Seite durch Politische Bildung Online: „angenehme, übersichtliche Präsentation“. Auch in Göttingen betreibt der DGB, flankiert durch Arbeit und Leben, den Kampf gegen Teile der örtlichen Union gemeinsam mit Linksextremen. Sebastian Wertmüller, DGB-Regionsvorsitzender für Südniedersachsen, feierte die Erfolge des von ihm initiierten Bündnisses „Südniedersachsen gegen Rechts“ ebenfalls publizistisch. In dem von Ulrich Schneider, dem Bundesvorsitzenden des VVN/BdA herausgegebenen Bändchen „Tut was! Strategien gegen Rechts“ veröffentlichte Wertmüller einen Beitrag über die „erfolgreichen“ (zum Teil mit Ausschreitungen einhergegangenen) Demonstrationen gegen die NPD. Darin heißt es, die örtliche Junge Union habe sich gegen ein breites antifaschistisches Bündnis gestellt, da sie sich lieber mit „Leitfiguren der rechtsextremen Szene (Klaus-Rainer Röhl)“ zusammentue. Im Service-Teil der Schrift wird auf die berüchtigte Göttinger Autonome Antifa/M sowie auf den Buchladen Rote Straße, ein häufiges Ziel des Göttinger Staatsschutzes, verwiesen. Vorarbeit für Wertmüllers These einer der Neuen Rechten zugetanen (und damit verurteilenswerten) Jungen Union in Göttingen leistete das Stadtmagazin Pampa, dessen Redaktionsadresse im Buchladen Rote Straße residiert. Die Redaktionssitzungen finden dagegen im Gebäude eines Anzeigenkunden des Magazins statt: bei Arbeit und Leben.