Der Soziologe Lothar Bossle ist am Montag in Würzburg im Alter von 71 Jahren überraschend gestorben. Noch vor gut einem Jahr, im November 1999, gab der emeritierte Ordinarius anläßlich seines siebzigsten Geburtstages der JUNGEN FREIHEIT ein Interview, in dem er gleichsam das Credo seines beruflichen wie gesellschaftlichen Engagements zusammenfaßte: "Ich weiß, daß auch die pluralistische Demokratie einen geistigen und moralischen Kompaß benötigt." Diese Grundorientierung fand der bekennende Katholik zeitlebens im christlichen Glauben.
Am 10. November 1929 im pfälzischen Ramstein als Sohn eines Arbeiters geboren, studierte Lothar Bossle in München und Berlin Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte. Nebenher engagierte er sich bei den Jungsozialisten – in Berlin war er zeitweise stellvertretender Vorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) –, kehrte aber schon bald den Linken den Rücken und schloß sich dem katholischen Bund "Neudeutschland" an. Später wurde er CSU-Mitglied, engagierte sich in Wahlkämpfen für die Unionsparteien – zum Beispiel 1972 in der "Aktion der Mitte" zusammen mit ZDF-Moderator Gerhard Löwenthal und dem Spirituosenfabrikanten Ludwig Eckes – und unterstützte Franz Josef Strauß 1980 bei dessen Kanzlerkandidatur.
Bossles berufliche Karriere führte ihn von der Bundeswehrschule für Innere Führung in Koblenz, wo er von 1960 bis 1963 als wissenschaftlicher Assistent tätig war, an die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, wo er bis 1966 zunächst ebenfalls als Assistent arbeitete, bevor er dort einen Lehrauftrag erhielt. 1970 wurde Bossle als ordentlicher Professor an die Pädagogische Hochschule Lörrach berufen. Schließlich lehrte er von 1977 bis zu seiner Emeritierung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Über die universitären Fachkreise hinaus bekannt wurde Lothar Bossle durch die 1972 erfolgte Gründung des Instituts für Demokratieforschung, das er als Gegenmodell zur "Frankfurter Schule" verstand und dessen wissenschaftlicher Direktor er bis zuletzt war. Darüber hinaus engagierte er sich als Referent bei den Erlanger Medientagen des Vereins "Bürger fragen Journalisten", der Gertrud von le Fort Gesellschaft zur Förderung christlicher Literatur und der Margret Boveri Stiftung für Demokratieforschung sowie der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt.
Eng verbunden war Bossle auch dem Studienzentrum Weikersheim, dessen Präsidium er seit elf Jahren angehörte. 1999 wurde er außerdem zum Vorsitzenden der Hans-Filbinger-Stiftung berufen. In einer Traueranzeige des Studienzentrums Weikersheim heißt es: "Wir verlieren in Lothar Bossle eine treuen Freund, einen ehrlichen Ratgeber, Förderer und Mentor von Studenten und einen Kämpfer für eine aufrechte Demokratie."