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Ausziehen oder Einfahren

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Im brandenburgischen Zeesen im Landkreis Dahme-Spreewald vertreibt die Firma Mediatex seit Jahren Markenklamotten ins In- und Ausland. Teil des Sortiments war die Marke Thor Steinar, die Mediatex als Grossist exklusiv weltweit vertrieb. Das Logo der Marke sind zwei kombinierte Runen: eine „Wolfsangel“ und die „Tyrrune“. Beide Symbole wurden auch von den Nationalsozialisten verwendet – das eine als Bestandteil mehrerer Abzeichen von SS-Divisionen, das andere als Wappen der SA-Reichsführerschule. In der Kombination stehen beide Runen für die Anfangsbuchstaben T und S, für Thor Steinar. Die Marke wird bereits seit einigen Jahren vertrieben und erfreut sich wachsender Beliebtheit unter Jugendlichen. Seit langem gab es im Internet Aufrufe zum Boykott der Firma Mediatex und ihrer „Nazi-Marke“ Thor Steinar. Die Drahtzieher blieben lieber im Dunkeln, denn wegen Geschäftsschädigung können Boykottaufrufe gegen Firmen oder Produkte außerordentlich teuer werden. Bald darauf kam den Dunkelmännern und Dunkelfrauen die Staatsmacht zu Hilfe. Das Amtsgericht Prenzlau verurteilte eine Trägerin eines Thor-Steinar-Pullovers wegen Verwenden eines verfassungswidrigen Symbols zu 300 Euro Geldstrafe. Das Gericht sah eine Verwechslungsgefahr mit Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen. Erstmalig wurde damit der Paragraph 86 a Strafgesetzbuch (StGB) auf ein zusammengesetztes Symbol angewendet. Die Kommentierung des Paragraphen verlangt für das Merkmal „Verwechslungsgefahr“ den Horizont eines „durchschnittlich schlichten Betrachters“. Es darf mit Fug und Recht bezweifelt werden, ob außer in einigen militär- oder uniformhistorisch interessierten und bewanderten Kreisen die in Rede stehenden Runen als NS-Symbole erkannt werden können. Eine Rune ohne weiteres der NS-Ideologie zuzuordnen, dürfte wohl unzulässig sein. Genauso wie der Bundesadler kein NS-Symbol ist, nur weil damals auch ein Adler Hoheitszeichen war. Vom Urteil in Prenzlau ermutigt, erwirkte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Neuruppin beim Amtsgericht Königs Wusterhausen vor zwei Wochen einen Einziehungsbeschluß. In mindestens drei brandenburgischen Geschäften kam es zu Beschlagnahmungen von Ware. In anderen Bundesländern bleiben Polizei und Staatsanwaltschaften gelassen. In Nach Auskunft der Polizei in Sachsen sieht niemand Handlungsbedarf und den Tatbestand des Paragraphen 86 a StGB nicht erfüllt. Mediatex lenkte ein, nahm das Logo vom Markt und forderte alle Händler auf, die Ware zurückzusenden. Damit hätte es sein Bewenden haben können. Vergangene Woche aber standen die Mitarbeiter von Mediatex morgens in Zeesen vor verschlossener Tür. Obwohl Mediatex alles getan hatte, um die Marke vom Markt zu nehmen, hatte die Staatsanwaltschaft – wieder beim Amtsgericht Königs Wusterhausen – einen Versiegelungsbeschluß erwirkt, obwohl das mildere Mittel der freiwilligen Aufgabe des Vertriebs wirksam geworden war. Die Geschäftsschädigung durch Unverhältnismäßigkeit liegt auf der Hand und zieht wohl – so der Rechtsanwalt von Mediatex, Markus Roscher – eine Amtshaftungsklage gegen das Land Brandenburg nach sich. Die Höhe des Schadens ist noch nicht bezifferbar. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Oberstaatsanwältin Lolita Lodenkämper von der Staatsanwaltschaft Neuruppin ist eingereicht. Verblüffend ist das scharfe Vorgehen gegen einen der größten Versandhändler der Region südöstlich von Berlin. Es scheint politischer Druck auf die Staatsanwaltschaften im Spiel gewesen zu sein. Diese sind – im Unterschied zu Richtern – an Weisungen gebunden. Hintergrund könnte der Koalitionsvertrag von SPD und CDU sein. Dort ist vereinbart worden, den „Kampf gegen Rechts“ zu intensivieren. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sah nun plötzlich Verwechslungsgefahr des Thor-Steinar-Logos mit NS-Symbolen als gegeben und rechtfertigte das Vorgehen der Polizei damit, daß mit dem Vorgehen gegen die Marke der „Runen-Chic von Rechtsextremisten“ bekämpft werde. Er bestätigte damit indirekt den vermuteten politischen Druck auf nachgeordnete Landesbehörden. Wie weit die Repressionen in Brandenburg inzwischen gehen, zeigt ein Vorfall in Potsdam. Dort soll ein Lehrer kürzlich die Polizei veranlaßt haben, einen seiner Schüler wegen eines Thor-Steinar-Logos in der Klasse festzunehmen. Abschreckungseffekt? Überreaktion? Willkür? Ein anderer Aspekt ist die Frage, ob einem Unternehmer zuzurechnen ist, daß eines seiner Produkte von einer politisch unliebsamen Jugendszene als Erkennungszeichen adaptiert wurde. Was wird wohl passieren, wenn Kurzbehaarte demnächst statt Springerstiefeln Markensportschuhe von Adidas zum Ausweis ihrer Gruppenzugehörigkeit zu küren belieben? Fragwürdig ist auch das Verhalten jenes Polizeibeamten aus Königs Wusterhausen, der am Morgen des 17. November die Frage des Inhabers der Firma, warum ein Betreten der Firma nicht möglich sei, mit einem barschen „Darum!“ quittiert haben soll. Die DDR läßt grüßen. Die Versiegelung der Räume von Mediatex ist inzwischen aufgehoben worden, die Mitarbeiter können die „abgeschmückten“ Kleidungsstücke weitervertreiben. Sie dürften nun auch ohne Runen und nur mit dem Kürzel TS versehen zum Erkennungszeichen einschlägiger Kreise werden. Gut möglich, daß nach der ganzen Aufregung die Marke Thor Steinar also jetzt erst recht zum Kultobjekt einer rechten Jugendkultur wird. Übrigens: Kennt jemand die Bekleidungsmarke Red Star, die mit dem Sowjetstern auf Taschen und T-Shirts?

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