Anzeige
Anzeige

Herr der schlürfigen Winde

Herr der schlürfigen Winde

Herr der schlürfigen Winde

 

Herr der schlürfigen Winde

Anzeige

Seine Hobbies sind: Wetter, Segeln, noch mehr Wetter. Jörg Kachelmann liebt seinen Beruf. Seit Anfang April hat der passionierte Wetter-Surfer eine Spielwiese mehr. „Das Wetter“ ist seitdem eine eigenständige Sendung, wurde erstmals in der ARD-Geschichte von den Tagesthemen abgekoppelt. Nicht mehr Ulrich Wickert, Anne Will & Co., sondern der Konzern Energie Baden-Württemberg (EnBW) kündigt jetzt die Jörg-Kachelmann-Show an. Theoretisch. 2. April, kurz vor 23 Uhr: Anne Will verabschiedet sich vom Fernsehzuschauer, ohne „und nun – das Wetter“ zu sagen. Nachrichten ohne Wetter, das ist wie Steckdose ohne Strom. Es folgt der Tagesthemen-Abspann, plötzlich, ohne Sponsor, ohne Vorspann, sehen wir Jörg Kachelmann. Er mokiert sich über eine „kollektive Salami in der Bevölkerung“, Ostern sei wie Bifi für die Lufthygiene. Dann, aufatmen: Dem Exkurs in Sachen Luft-BSE folgen in bewährt blumiger Sprache und mit aufgepusteten Backen „Schleierwolken“, viel Sonne und Waldbrandgefahr. Vorsicht, Hobby-Griller! Im wöchentlichen Turnus mit einer weiblichen Kollegin wird Kachelmann zukünftig nach den Tagesthemen „Schiffwetter“, „Blumenkohlwolken“ und „schlürfige Winde“ prophezeien. Garniert werden die Wetter-Häppchen seit dem 8. April vom „energiebeladenen Partner“ EnBW, so ARD-Programmdirektor Günter Struve. Was der neue Sponsor zahlt, bleibt sein Geheimnis, genauso, warum das Wetter-Patronat erst mit einer Woche Verspätung beginnt. Kachelmann total bei der ARD – auch das „Wetter im Ersten“ ist fest in Schweizer Hand. „Meine Auftritte dort werden aber sicher seltener werden“, glaubt er. Schließlich moderiert der 43jährige zusätzlich die MDR-Talkshows „Langer Samstag – Spätausgabe“ und „Riverboat“, seine Produktionsfirma „Meteomedia“ beliefert immerhin acht ARD-Anstalten. Ob Kachelmann da noch viel Zeit zum Segeln bleibt? Eine Windflaute ist dagegen beim Deutschen Wetterdienst (DWD) angesagt. Die ARD-Intendanten haben der Offenbacher Bundesbehörde, die immerhin 2.750 Mitarbeiter beschäftigt, die Wettervorhersage im Rahmen der Tagesthemen entzogen. Ein Tiefdruckgebiet nach 17 Jahren Weather-Work. Den Wetterumschwung brachte ein nicht rechtzeitig gemeldetes Orkantief namens „Anna“, das drei Menschenopfer forderte. „Das war sicherlich nicht der Grund für die Entscheidung, aber vielleicht der Anstoß dazu“, glaubt ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann. „Hinzu kommt, daß die Vorhersagen von Meteomedia in letzter Zeit gelegentlich nachweisbar genauer waren.“ So am 25. Februar: Jörg Kachelmann hatte im von ihm moderierten „Wetter im Ersten“ um 19.53 Uhr eine „Orkangefahr an der deutschen Nordseeküste“ vorhergesagt, ein rot umrandetes Warnungsschild leuchtete von der Deutschlandkarte. Vorsicht, Gefahr! Anders der DWD: Seine Wetterprognose in der Tagesschau wies lediglich auf „Orkanböen auf Bergkuppen“ hin, ohne diese explizit auf die Küstenregionen zu beziehen – keine Panik also. Ein folgenschwerer Irrtum: Seitdem hat die Schweizer Privatfirma Meteomedia auch bei den Tagesthemen die Nase vorn. Wie kann so etwas passieren? „Es könnte damit zusammenhängen, daß sich der DWD nicht auf seine Warnaufgaben konzentrieren kann, weil dieselben Meteorologen oft gleichzeitig kommerziellen Tätigkeiten nachgehen“, kritisiert Kachelmann. Er meint damit Uwe Wesp, bis vor kurzem in Personalunion Pressesprecher beim DWD und Anchorman des „heute“-Wetters. „Es ist prinzipiell nicht unser Stil, unsere Kunden in der Öffentlichkeit zu diskreditieren“, kontert Gerhard Lux, der Wesp als Pressesprecher ablöste. „Meteomedia ist nun mal unser Kunde und bezieht vom DWD schon seit langem große Mengen an Daten und Informationen.“ Ohne sein Amt, das für Tausende Kunden täglich Millionen von Daten analysiere, wüßten, laut Spiegel, Werbefotografen nicht einmal, wo sie am nächsten Tag Schnee fänden, um Frauen in Pelzmänteln zu fotografieren. „Mit Verlaub, es gibt keine Zudiener, ich mache die Vorhersage selbst“, rechtfertigt sich Kachelmann. Etwa 400 eigene Wetterstationen erlauben ihm eine höhere Prognosegenauigkeit als dem staatlichen Konkurrenten, „der seine Computergrafiken nicht einfach umstellen kann, auch wenn die eigenen Unterlagen eindeutig Unsinn rechnen.“ Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Längst ist aus den Wettervorhersagen im Fernsehen ein Millionengeschäft geworden. Vorbei die Zeit, als der Deutsche Wetterdienst noch ein Monopol bei der Wettervorhersage innehatte. Seit Kachelmann ist Schluß mit der spröden Nachrichtensprache, Sponsoren gehören heute zur Großwetterlage. Ob die neue Wettervorhersage bei den „Tagesthemen“ gesponsert wird? „Diese Frage verstehe ich nicht“, antwortet Kachelmann. Dietmar Gamp, Geschäftsführer von Meteomedia, spricht dagegen von einem herausgehobenen Sendeplatz, der auf höchste Akzeptanz bei der Informationselite stoßen dürfte. Er vergißt wohl, daß der Sponsorenhinweis erst durch die Abtrennung des Wetters von den Tagesthemen möglich wurde. „Unter den präsentierten Pilotsendungen war die von Herrn Kachelmann die überzeugendste“, begründet von der Tann die ARD-Entscheidung pro Kachelmann. An dessen Firma „Meteomedia“ ist auch die Westdeutsche Rundfunkwerbung (WWF) mit 16 Prozent beteiligt. Ist die WDR-Tochter ein mächtiger Verbündeter bei der Vergabe weiterer ARD-Programmplätze? „Ganz offensichtlich nicht“, glaubt von der Tann. Ab Mai moderiert Kachelmann täglich um 19.10 Uhr die Wetter-Show in der Aktuellen Stunde des WDR. Und nun, das Wetter … Wettervorhersage: Der Schweizer Kachelmann fühlt sich mit seiner Agentur wie auf „Blumenkohlwolken“

Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
Hierfür wurden keine ähnlichen Themen gefunden.