Habemus Intendantin! Nach den Skandalen um Patricia Schlesinger und der Interimslösung mit Katrin Vernau hat der RBB vergangenen Freitag mit knapper Mehrheit eine neue Senderchefin gewählt: Ulrike Demmer. Und die 50jährige steht vor gewaltigen Baustellen. Diese fangen bereits bei der Abstimmung an. Erst im vierten Wahlgang erhielt die Juristin und frühere Korrespondentin für Verteidigungspolitik beim Spiegel 16 von 24 möglichen Stimmen – die notwendige Mindestanzahl. Sechs der eigentlich 30 Rundfunkratsmitglieder erschienen erst gar nicht.
Vorausgegangen war ein umstrittenes rasches Schrumpfen der Bewerber. Von gut 50 lud eine Findungskommission gerade einmal vier zu einem offiziellen Vorstellen ein. Doch die Digital-Chefredakteurin von ARD aktuell, Juliane Leopold, zog kurz darauf ihre Kandidatur zurück, mit dem Hinweis, sie habe den Eindruck, viele beim RBB hätten gar kein Interesse daran, daß sich wirklich etwas ändere.
Einen Tag vor der Wahl schmiß auch der Radio-Bremen-Programmdirektor Jan Weyrauch endgültig hin, nachdem er in einer Farce schon einmal freiwillig ausgeschieden, aber dann wieder zurückgekehrt war. Das voraussichtliche Intendantengehalt erschien ihm zwischendurch zu gering, da der Chef des RBB-Verwaltungsrats, Benjamin Ehlers, einen abgesenkten Spielraum von 180.000 bis 230.000 Euro pro Jahr angepeilt hatte.
Ein „Weiter so“ ist beim RBB nicht möglich
Zum Vergleich: Die entlassene Schlesinger erhielt laut Business Insider ein jährliches Grundgehalt von rund 300.000 Euro, plus 50.000 Euro Bonus, 4.200 Euro Aufwandspauschale und 18.000 Euro für Sonstiges. Die Landesrechnungshöfe von Berlin und Brandenburg hatten dem RBB kurz zuvor „gravierende systemische Mängel“, ein „Liquiditätsdefizit wie eine Bugwelle“ und „Mängel bei der Dokumentation, Organisation und Archivierung von Unterlagen und Verträgen sowie der Erfassung von Zahlungen“ vorgehalten – und einen Gehaltsdeckel angemahnt.
Selbst der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte sich mit einem Brief an den Verwaltungsrat in die Debatte eingeschaltet und um die Berücksichtigung der Rechnungshöfe-Anregungen gebeten. Zwar skandalisierten einzelne Rundfunkmitarbeiter Woidkes Brief als sich einmischendes, dreistes und das Gebot der Staatsferne untergrabendes Dekret, aber ein allzu großzügiges „Weiter so“ war für die Verantwortlichen kaum möglich.
Angesichts dieser Streitpunkte und des Bewerberdurcheinanders hatten unmittelbar vor der Wahl der Personalrat und die Vertretung der freien Mitarbeiter ein neues Bewerbungsverfahren gefordert, da „ein geordnetes Wahlverfahren nicht mehr zu Ende gebracht werden könne“. Doch die Einwände verhallten. Im Rennen in Potsdam blieben so nur Ulrike Demmer und die gleichaltrige Vodafone-Managerin Heide Baumann.
Demmer kontert Vorwürfe
Nachdem Baumann in den ersten Wahlgängen lediglich eine Stimme erhielt, gab auch sie auf. Trotz fehlender Gegenkandidatin erreichte Demmer im dritten Wahlgang nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Eine Watsche. Rückendeckung für die anstehenden Herausforderungen sieht anders aus.
Weitere Baustellen beginnen bei Demmers Vita. Denn Kritiker sehen mit der Personalie ihre Beobachtung einer zu engen Verzahnung von Politik und Öffentlich-Rechtlichen bestätigt. Von 2016 bis 2021 war die gebürtige Solingerin stellvertretende Sprecherin der schwarz-roten Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) sowie stellvertretende Leiterin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Demmer kontert: „Ich habe kein Parteibuch, ich habe nie eins gehabt“ und beteuert: „der Ausflug auf ‘die andere Seite’“ sei bereichernd gewesen, als Intendantin stehe sie aber für „kritischen und unabhängigen Journalismus“.
Den angekratzten Ruf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks können solche üblichen Phrasen nicht so schnell wiederherstellen. Wollte man den Eindruck entkräften, die Anstalten seien lediglich wohlwollende Hofberichterstatter der Altparteien, so ist dies mit der Wahl nicht gelungen. Gleichzeitig ist der Fall Schlesinger beim RBB noch lange nicht überwunden. So zeigen hauseigene Recherchen, daß die Ex-Intendantin sich des Betrugs und der Untreue gegenüber dem Sender schuldig gemacht haben könnte. Demnach habe sie in ihrer Amtszeit „Kollegen, Führungskräften und Politikern“ Geschenke von Einstecktüchern bis Rotwein gemacht und die Kosten über die Anstalt abgerechnet.
Noch bis zum 15. September hat Ulrike Demmer Zeit, sich auf solche Filz-Abgründe vozubereiten. Dann beginnt ihre fünfjährige Amtszeit.