Am Jahrestag der Pogromnacht widmete sich das ZDF mit „Das Unwort“ dem aktuellen Judenhaß an deutschen Schulen. In 85 Minuten versuchte sich die Komödie des jüdischen Regisseurs Leo Khasin an einer humorvollen Aufarbeitung des ernsten Themas.
Heikel, weil heutzutage eine ehrliche Auseinandersetzung notwendig mit Fragen nach muslimischem Antisemitismus und einer verfehlten Integrationspolitik verbunden ist. Derlei Stoffe sind im staatlichen Fernsehen – im Gegensatz zum eifrig diskutierten Antisemitismus von „Rechts“ – erfahrungsgemäß unbeliebt.
Unabhängig von der Qualität des Films kann man Regisseur Khasin keine falsche Zurückhaltung vorwerfen: Vergleichsweise schonungslos thematisiert er muslimischen Antisemitismus als Kern einer neuartigen Judenfeindlichkeit an deutschen Schulen.
Aber auch das problematische Verhalten überkompensierender Multikulti-Liebhaber, desinteressierter Normalbürger und absichtlich wegsehender Bürokraten wird vorgeführt. Wer also den tausendsten pseudomoralisch-bedeutungslosen Beitrag über glatzköpfige Neonazis, die Synagogen anzünden und den Holocaust zelebrieren erwartet, wird positiv überrascht.
Die Handlungsführung scheint stark an Yasmina Rezas Bühnenerfolg „Der Gott des Gemetzels“, beziehungsweise an dessen Hollywoodadaption angelehnt und beginnt mit einer Klassenkonferenz. Anwesend sind Klassenlehrerin Ritter, der Schuldirektor, eine Frau Dr. Nüssen-Winkelmann von der Schulaufsicht (gespielt von Iris Berben), das Ehepaar Berlinger und der Hausmeister Eichmann.
Ja, Eichmann – und Nein, nicht Adolf. Dieser scheinbar sprechende Figurenname kündet bereits unheilvoll von einer Schwäche des Films, an der im Übrigen der deutsche Film der Gegenwart chronisch kränkelt: Eine schreckliche Humorlosigkeit, die sich mit banalen Pointen und Slapstick-Einlagen selbst überwinden will.
Konflikt wird in Rückblicken erzählt
Zurück zum Personal: Die Eltern der muslimischen Schüler sind zunächst nicht anwesend, was bald von Nüssel-Winkelmann mit „Ich bin von diesen Leuten nichts Anderes gewöhnt“ quittiert wird. Dem aufmerksamen Zuschauer wird nicht entgangen sein, daß die Dame etwas vorurteilsbehaftet ist – die Charakterentwicklung, die so filigran daherkommt, als wäre sie mit dem Hammer gemacht, scheint übrigens ebenfalls ein verbreitetes Gebrechen im deutschen Film.
Die gleichermaßen plumpe Vorstellung der Klassenlehrerin („Wenn sie könnte, würde sie die ganze Welt retten“) und des Schulleiters („Eigentlich ist er kein Doktor, wir nennen ihn nur so, weil er sich so wichtig nimmt“) übernimmt der Sohn des Ehepaars Berlinger, Max, als Erzählerstimme aus dem Off – handwerklich ebenfalls fragwürdig.
Schrittweise wird der zugrundeliegende Konflikt in Rückblenden erzählt: Sohn Max wird seit längerem von muslimischen Mitschülern schikaniert. Die Demütigungen und Angriffe eskalieren, bis Max schließlich das Ohr des Rädelsführers in Notwehr abbeißt.
In dieser Erzählweise liegt zuletzt auch die Stärke des Films: Die Klassenlehrerin Ritter versucht zunächst die antisemitische Motivation der Schikane herunterzuspielen. Nachdem das aber zunehmend in Kritik gerät, offenbart sie das tatsächliche Geschehen in Form eines protokollartigen Tagebuchs. Hierin zeigt sie Empathie für die palästinensischen Schüler, doch diese Nachsichtigkeit entpuppt sich bald als fehlplatzierte Toleranz für ideologisch motivierten Judenhaß.
Figuren wirken schematisch und stereotyp
Noch schwerwiegender scheint jedoch die Gruppendynamik innerhalb der Lehrerschaft, die lieber wegsieht, als den Ruf der Schule zu beschmutzen. Ritters Warnungen werden mit Beschwichtigungen abgespeist, auch der Bürokratin Nüssen-Winkelmann ist das Thema lästig.
Der Film schwächelt daran, daß die Handlung etwas übereilt zum Abschluß kommt. Die Berlingers suchen die Familie des Peinigers ihres Sohnes auf, um den Konflikt beizulegen. Bei Familie Ansari angekommen, stellt sich natürlich heraus, daß auch der Senior antisemitische Ressentiments teilt. Gerade als sich das klärende Gespräch anbahnt, kommt der Schnitt und eine Friede-Freude-Eierkuchen-Lösung inklusive Annäherung der Kulturen leuchtet am Horizont.
Das Zwangsgebührenfernsehen hat schon Schlechteres und Peinlicheres geboten. Die Figuren wirken schematisch und stereotyp – die interessanteste und glaubwürdigste ist der Vater, der allerdings zu selten in den Vordergrund tritt. Das Szenario scheint nur bedingt glaubhaft: Wohlsituierte und preisgekrönte Schulen machen wohl weniger den Brennpunkt antisemitischer Übergriffe auf deutschen Schulhöfen aus. Der Humor wirkt banal, doch das ist bekanntlich Geschmacksache.
Selbstgelegte Meßlatte liegt zu hoch
Trotz der Schwächen wirft „Das Unwort“ ein Licht auf Facetten der Antisemitismus-Thematik, die bis dato zu stiefmütterlich behandelt wurden. Da ist zum einen die passive Opferrolle, die der jüdischen Gemeinde gerne ungefragt zugeschrieben wird und die Berlinger Senior nachvollziehbarerweise ablehnt, weil sie Juden in Deutschland als handlungsunfähig entmündigt.
Dazu gehört auch der übereifrige Multikulti-Enthusiasmus, der das deutsche Judentum in einen Topf mit Israel wirft und das Wegsehen deutscher Behörden und Bürokraten, die den inhärenten Antisemitismus des Islam ignorieren, um das propagierte Bild unserer offenen und „bunten“ Gesellschaft nicht zu korrumpieren.
Letztlich scheitert der Film jedoch an den eigenen hohen Ansprüchen. Wer sich den ambitionierten Film trotz der genannten Schwächen ansehen will, kann das in der ZDF Mediathek machen.