Während in der preußischen Hauptstadt die Folklore allenfalls als "Fashiontrend" reüssiert, blicken die Bayern selbstbewußt auf ihre eigene Kulturgeschichte und gründen, sobald sie in der Wüste des Märkischen Sands angelangt sind, ihre eigenen Trachtenvereine. Die mittlerweile 125-jährige Tradition des Trachtenwesens ist denn auch Anlaß für einen Jubiläumsabend im Münchner Hofbräukeller. Die rund eintausend Heimat- und Trachtenvereine mit fast 200.000 Mitgliedern feiern dort ihr Gründungsdatum. Trachtler aus ganz Bayern werden singen, musizieren, tanzen, platteln und drehen, und prominente Persönlichkeiten von ihrer Liebe für die "Trachtensach" erzählen. 1883 hatte der Lehrer Joseph Vogl im oberbayrischen Bayrischzell einen "Verein zur Erhaltung der Volkstrachten in Leitzachtal" gegründet, zu dessen Vereinszweck neben der Föderung von Vaterlandsliebe und Treue zum Königshaus auch die "Wiederauffrischung der im Verschwinden begriffenen kleidsamen Volkstracht" zählte. Letztere kennzeichnete eine "kurze Lederhose, Kniehösl, Joppe und ein kleiner grüner Hut".
Damals vollzog sich infolge der europaweiten Industrialisierung und Modernisierung auch in Bayern ein Umbruch, in dessen Folge die Menschen versuchten, die alten Kleider und Bräuche abzulegen. Da aber Heimat sich nicht von heut auf morgen ablegen läßt, traf der erste Trachtenverein den Nerv der Zeit. Sieben Jahre später gab es im Oberland 15 Vereine, 1925 waren es bereits an die 300 Gruppen. Anders als früher setzen sich die Trachtenvereine nicht nur für den Erhalt der Trachtenvielfalt in Bayern ein, sondern auch für die Pflege von Brauchtum, Volksmusik, Volkstanz, Mundart und Laientheater. Zuvor (ab 19 Uhr) zeigt der Bayerische Rundfunk den Beitrag „Trachtengewand und Heimatliebe“, in dem drei Trachtenvereine aus Oberbayern, Unterfranken und der Oberfalz vorgestellt werden.