Über zwei Millionen Soldaten gerieten während des Ersten Weltkriegs in russische Gefangenschaft. Die Lage in den überfüllten Lagern war zumeist katastrophal. Es gab kaum Kleidung und Nahrung, selten Medikamente. Seuchen wie Tuberkulose und Typhus breiteten sich in Windeseile aus. Tausende starben binnen kürzester Zeit, vor allem in den Lagern Sibiriens. Für die Mittelmächte, doch nicht nur für sie, war das ein handfester Skandal.
Als Reaktion auf die unhaltbaren Zustände wurden auf Initiative der Zarenmutter Maria Feodorowna und des Internationalen Roten Kreuzes die sogenannten „Schwesternreisen“ ins Leben gerufen. Rotkreuzschwestern sollten die Mißstände in den Lagern mildern und die Einhaltung der Haager Landkriegsordnung überwachen helfen. Gräfin Nora Kinsky war eine dieser Schwestern. In Begleitung eines russischen Offiziers besuchte sie vor Ausbruch der Oktoberrevolution die Gefangenenlager Sibiriens.
Der Dokumentation „Die Gräfin und die Russische Revolution“ verwebt die Geschichte der adligen Rotkreuzschwester, einer Verwandten der Schriftstellerin und Pazifistin Bertha von Suttner, mit jener von Kriegsgefangenen, die schon bald von sich reden machen sollten: etwa Béla Kun als Schlüsselfigur der ungarischen Räterepublik; Josip Broz Tito als Marschall und Staatspräsident Jugoslawiens; Roland Freisler als Präsident des Volksgerichtshofs im Dritten Reich; Ernst Reuter als Regierender Bürgermeister von Berlin nach 1945.
Dazu kamen Schriftsteller von Edwin Erich Dwinger über Heimito von Doderer bis zu Jaroslav Hasek, der später mit seinen „Abenteuern des braven Soldaten Schwejk“ zu Weltruhm gelangte. Sie alle stehen stellvertretend für das gesamte Spektrum von Persönlichkeiten, die aus Weltkrieg, Kriegsgefangenschaft und Revolution je ihre verschiedenen „Lehren“ zogen.