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Biographie: Hochadel: Nur noch selten im öffentlichen Fokus

Biographie: Hochadel: Nur noch selten im öffentlichen Fokus

Biographie: Hochadel: Nur noch selten im öffentlichen Fokus

Hochzeit im Hochadel: Louis Ferdinand von Preußen heiratet Großfürstin Kira Kiril-lowna von Rußland, Haus Doorn 1938.
Hochzeit im Hochadel: Louis Ferdinand von Preußen heiratet Großfürstin Kira Kiril-lowna von Rußland, Haus Doorn 1938.
Hochzeit im Hochadel: Louis Ferdinand von Preußen heiratet Großfürstin Kira Kiril-lowna von Rußland, Haus Doorn 1938 Foto: picture-alliance / akg-images | akg-images
Biographie
 

Hochadel: Nur noch selten im öffentlichen Fokus

Der Chemnitzer Historiker Frank-Lothar Kroll schreibt über das Schicksal der deutschen Fürstenfamilien nach ihrer Entthronisierung 1918. Nebenbei ist mit den Biographien aus dem Hochadel ein buntes Kaleidoskop der deutschen Gesellschaft der Zwischen- und Nachkriegszeit entstanden, das viele Facetten offenbart.
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Am 7. Dezember 2022 verhinderte der Verfassungsschutz mit 3.000 Polizeibeamten den ersten Staatsstreich auf bundesdeutschem Boden. Das Novum daran: An der Spitze der zum großen Teil aus Reichsbürgern bestehenden Putschisten stand ein Vertreter des deutschen Hochadels: Fürst Heinrich XIII., Prinz Reuß, genannt der „Terrorfürst“. Der Prinz war schon früher durch wirre Allmachtsphantasien aufgefallen. Stets war dies als Spleen eines überkandidelten, senilen Adeligen abgetan worden. Wer traute schon einem Vertreter der seit November 1918 entmachteten deutschen Fürstenhäuser den Kraftakt eines Putsches zu?

Schon Hitler verlieh seiner Geringschätzung des deutschen Hochadels 1942 in einer Rede vor Vertrauten deutlich Ausdruck: „Die Fürsten sind Zuchtergebnisse, die einmalig sind in Bezug auf Dummheit, eine Rassenauslese nach rückwärts (…) Auch bei den Hohenzollern hat jeder einen Schuß (…). Man müßte sämtlichen Prinzessinnen zur Pflicht machen, daß sie nur mit Pferdeburschen und Chauffeuren verkehrten!“

Geschichte entthronter Fürsten und ihrer Familien

Daß dieses Urteil längst einer Revision bedarf, das will der an der Universität Chemnitz lehrende deutsche Historiker Frank-Lothar Kroll mit seinem Buch „Fürsten ohne Thron“ beweisen. Kroll erzählt in einem Zeitraum von 1918 bis 2022 die Geschichte der während der Novemberrevolution entthronten Fürsten und ihrer Familien, wobei der Fokus eindeutig auf der Weimarer Republik und der NS-Zeit liegt. Dabei bettet der Autor die Biographien seiner adeligen Protagonisten stets in den jeweiligen historischen Kontext ein, wodurch dem Leser die politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen klarwerden, mit denen sie sich nach ihrer Entmachtung konfrontiert sahen.

Auf diese Weise entsteht ein buntes Kaleidoskop der deutschen Gesellschaft der Zwischen- und Nachkriegszeit, das viele Facetten offenbart. Manche der Hochadeligen zogen sich ins Privatleben zurück, andere wiederum suchten die Öffentlichkeit. Fast alle Fürsten akzeptierten ihre Entmachtung anstandslos oder dankten wie König Ludwig III. von Bayern selbst ab. Nur Fürst Friedrich von Waldeck und Pyrmont verweigerte sich halsstarrig der Realität, bis der Thronverzicht unabwendbar wurde. Mit dem Gedanken der Restauration ihres Kaiser- bzw. Königtums spielten nur kurzzeitig die Hohenzollern, ohne daß dies jemals konkrete Formen annahm.

Viele suchten sich neue Betätigungsfelder

Die meisten Fürsten reagierten indes pragmatisch und suchten sich nach ihrer Entmachtung neue Betätigungsfelder. Viele von ihnen wurden Schriftsteller, Künstler, Kunstmäzene, Gutsverwalter, Geistliche oder Musiker. Einige betätigten sich auch politisch und entwickelten sich zu strammen Nationalsozialisten. Andere wie die Wittelsbacher, Albertinischen Wettiner und das Haus Württemberg widersetzten sich dem NS-Regime, was für die Betroffenen zeitweise mit Gestapohaft oder Verschleppung in diverse Konzentrationslager endete. Doch es gab auch unpolitische Adelige wie Herzog Ernst August III. von Braunschweig, der seine Zeit in den zwanziger und dreißiger Jahren lieber schnellen Autos und Pferden widmete, wobei auch die Hundedressur nicht zu kurz kam.

„Fürsten ohne Thron“ ist liebevoll gestaltet und enthält einhundert zum Teil unveröffentlichte Abbildungen. Der Anhang besteht aus einem ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis, Anmerkungsapparat sowie Personenregister. Eine farbige Karte verdeutlicht die geographische Lage und das territoriale Ausmaß der Fürstentümer. Das Spektrum der Abbildungen ist breit gefächert und umfaßt Privatfotos ebenso wie politische Karikaturen und Zeichnungen.

Dem Hochadel fehlt es schlichtweg an Strahlkraft

Mit Fürsten ohne Thron behandelt Frank-Lothar Kroll ein wichtiges Kapitel deutscher Geschichte, das bis zur 2019 entfachten Diskussion um die Preußen-Restitution ein Schattendasein fristete. Dabei ist ihm dank akribischer Recherche ein hervorragendes historisches Porträt des deutschen Hochadels gelungen. Doch sein Buch ist nicht nur eine bloße Aufzählung illustrer Einzelschicksale, sondern auch Sozialgeschichte, die flüssig erzählt wird – wahrlich kein leichtes Unterfangen angesichts der Masse von Fakten und Lebensläufen der Abkömmlinge von 19 Fürstenhäusern. Darüber hinaus gelingt es ihm, das negative Bild des deutschen Hochadels als Ausbund von Dekadenz durch historische Fakten zu entkräften.

In einem Punkt muß sich jedoch Krolls Werk kritisch beäugen lassen, und zwar an seinem Vorwort, in dem er den Wunsch äußert, eine breite Leserschaft anzusprechen. Ob ihm dies mit seinem Buch gelingt, darf bezweifelt werden. Auf die Dauer ermüdet die Lektüre etwas, was am Gegenstand ihrer Betrachtung liegt. Dem deutschen Hochadel fehlt es schlichtweg an Strahlkraft, um dauerhaft zu fesseln.

Die Gattinnen und Töchter fehlen

Ein weiteres Manko des Buches ist, daß die Fürstengattinnen oder Fürstentöchter kaum porträtiert werden. Wo, wie in den Fällen der exzentrisch-kapriziösen Prinzessin Charlotte von Preußen oder der männermordenden Kronprinzessin Luise von Toskana, interessante Frauenschicksale mit Skandalpotential aufblitzen, werden sie nach kurzer Charakterskizze ad acta gelegt und mittels Fußnoten auf weiterführende Literatur verwiesen. Das ist zwar wissenschaftlich, zeugt aber von wenig Gespür für die voyeuristische Lust der breiten Masse an Skandalen und Intrigen des Hochadels. Desgleichen finden sich zu wenig Anekdoten und wörtliche Zitate im gesamten Buch. Deren vermehrter Einsatz hätte den Protagonisten mehr Kontur verliehen und das eine oder andere Kapitel aufgelockert.

Sieht man von den erwähnten Kritikpunkten ab, ist „Fürsten ohne Thron“ dennoch ein lesenswertes und gutes Buch. Die Abhandlung eröffnet dem Leser neue Wissenshorizonte und ist wissenschaftlich gesehen ein absoluter Zugewinn. Um eine große Leserschaft anzusprechen, könnten ruhig mehr Frauenschicksale und „Downton-Abbey-Elemente“ Eingang in die Erzählung finden. Aber vielleicht liefert ja die in diesem Jahr zu erwartende Verurteilung des „Terrorfürsten“ Heinrich XIII. Prinz Reuß ein zusätzliches Momentum für die erstrebte Popularisierung der Fürstenschicksale mehr als hundert Jahre nach ihrer Abdankung.

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Frank-Lothar Kroll: Fürsten ohne Thron. Schicksale deutscher Herrscherhäuser im 20. Jahrhundert. Bebra Verlag, Berlin 2022, gebunden, 288 Seiten, Abbildungen, 26 Euro. 

JF 09/23 

Hochzeit im Hochadel: Louis Ferdinand von Preußen heiratet Großfürstin Kira Kiril-lowna von Rußland, Haus Doorn 1938 Foto: picture-alliance / akg-images | akg-images
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