BERLIN. Nach einer Hörsaalbesetzung hat sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) am Dienstag „entsetzt“ über die „offensichtliche Abneigung“ der Präsidentin der Alice-Salomon-Hochschule (AHS) in Berlin „gegenüber rechtsstaatlichen Institutionen“ geäußert. Die Präsidentin, Bettina Völter, hatte sich am Vortag Polizisten entgegengestellt und diese als „bedrohlich“ bezeichnet.
Die Äußerung fiel im Kontext einer Besetzung des Audimax der Hochschule durch propalästinensische und israelfeindliche Demonstranten. Völter ließ die vielfach vermummten Personen am Abend durch einen Seitenausgang der Hochschule nach draußen und fühlte sich dabei von der Polizei gestört, wie ein Video des Bild-Reporters Iman Sefati zeigt.
Update 21:03 Uhr: Die Studierenden verlassen freiwillig die Hochschulgebäude, nachdem stundenlang Hassparolen gegen Israel skandiert und die Existenz des einzigen jüdischen Staates infrage gestellt wurden.
Die Aktivisten bereiten sich darauf vor, eine Versammlung im Freien… pic.twitter.com/fcYvEQt5sQ— Iman Sefati (@ISefati) January 6, 2025
„Wir erleben es als bedrohlich, daß Sie vorne am Eingang stehen“, hielt die Professorin den Beamten nach der Hörsaalbesetzung entgegen. Und: „Sie haben hier wirklich an dem Eingang nichts zu suchen.“ Mit einem Polizisten geriet sie in ein längeres Wortgefecht und warf diesem vor, ihr ins Wort zu fallen: „Hören Sie mal zu, wie reden Sie eigentlich mit mir?“, schleuderte sie ihm entgegen.
Wegner: „Völlig unverständlich“
Benjamin Jendro, Sprecher der GdP in Berlin, warf der Präsidentin am Dienstag in der Bild vor, mit ihrer Aktion Strafverfolgung im Kontext der Hörsaalbesetzung zu behindern, „was Konsequenzen haben muß“. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) übte Kritik an Völter. „Es ist völlig unverständlich, daß eine Hochschulpräsidentin die Polizei Berlin als Bedrohung sieht – und nicht die vermummten und gewalttätigen Antisemiten, die ihre Hochschule besetzen.“
Martin Matz, innenpolitischer Sprecher der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, schloß sich der Kritik ebenfalls an: „Ich teile die Einschätzungen der ASH-Rektorin nicht, dass es keinen Anlaß zur Räumung gebe, weil ‚die Studierenden lediglich einen Raum des Diskurses schaffen‘ wollten.“ Wer lediglich Diskurs suche, habe keinen Anlaß vermummt aufzutreten.
Zuvor hatten sich nach Polizeiinformationen etwa 50 Personen Zugang zum Audimax der AHS verschafft, einer Hochschule für Soziale Arbeit, Gesundheit und Erziehung, die sich unter anderem für „Diversity und Gender-Mainstreaming“ preist. Die Hochschule reagierte auf die Hörsaalbesetzung mit Dialog. Sie versprach den Demonstranten, sich frei aus dem Gebäude herausbewegen und am nächsten Tag wiederkommen zu dürfen.
Liebesbekundung an die Hamas
Die Polizei teilte mit, daß an der Fassade und an Fenstern der Hochschule Transparente ohne strafbaren Inhalt angebracht worden sein sollen. Eine Person habe aus einem Fenster die Parole „From the river to the sea“ gerufen, die als Aufruf zur Vernichtung Israels interpretiert werden kann. Außerhalb der Hochschule seien bei einer Versammlung zur Hörsaalbesetzung sechs Personen festgenommen und Strafermittlungsverfahren eingeleitet worden, unter anderem wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte.
Auf einem bei X verbreiteten Video aus dem Audimax ist derweil zu hören, wie Demonstranten rufen: „Zionisten sind Faschisten“. Auf einer weiteren Aufnahme ist ein Plakat zu erkennen, auf dem auf Arabisch steht: „Hamas Habibi“, zu Deutsch: „Hamas, mein Geliebter“.
An der Alice-Salomon-Hochschule gab es eine Pro-Palästina-Besetzung. Rund 50 Personen sind vor Ort, um auf die Situation in Gaza aufmerksam zu machen. Studenten und Unileitung diskutierten, wie sie fortfahren.#b0601 #polizei #berlin #uni #Universität #gewalt pic.twitter.com/RQaNlvrlFA
— walid021079 (@walid021079) January 6, 2025
Angriff auf Journalist
Am Dienstag setzten sich die Aktionen nach der Hörsaalbesetzung fort. So brüllten mehrere Personen aus einem Fenster heraus: „Deutsche Polizisten sind Mörder und Faschisten!“ Außerdem schrien mehrere Aktivisten laut: „Fuck you, Iman Sefati“. Der Reporter beobachtet seit langem für die Bild propalästinensische Demonstrationen und ist zu einem Feindbild in der israelfeindlichen Szene geworden.
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion Berlin-Brandenburg warf der Hochschule am Mittwoch vor, Journalisten würden bei ihrer Arbeit körperlich angegriffen, „während Medienaktivistinnen aus der Palästina-Szene ungehinderten Zugang zur Hochschule“ hätten. Presseanfragen nach freiem Zugang zum Gebäude würden von der Hochschule ignoriert. Auch die Jüdische Allgemeine warf der Hochschule am Mittwoch vor, nicht auf Fragen zu antworten.
Die Hochschule hatte am Dienstag mit einer ausführlichen Stellungnahme auf die Vorfälle reagiert. Darin schrieb das Präsidium, es gebe ein allgemeines Risiko, „daß als muslimisch und arabisch oder als People of Color gelesene Personen besonders schnell und voreingenommen in den Fokus von Anschuldigung, verbaler und handgreiflicher Aggression oder behördlicher Maßnahmen geraten“. Zugleich betonte das Gremium, man sei „immer im konstruktiven und engen Austausch mit der Polizei“ gewesen, „wofür wir dankbar sind“. (ser)