Er war fast 50, als er sein Regiedebüt gab und das Leben der niederbayerischen Bäuerin Anna Wimschneider auf die Leinwand brachte. Der Film ist noch heute einer seiner größten Erfolge. Kaum ein anderer hat den bayerischen Heimatfilm stärker geprägt als der gebürtige Münchner Joseph Vilsmaier. Ein so großer Kassenschlager wurde der 1988 erschienene Film „Herbstmilch“ vielleicht auch deshalb, weil Vilsmaier nie das typische Stadtkind war.
Er wuchs auf einem Hof im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn auf. Jahre später erfuhr er bei einem Besuch in der alten Heimat von einer Bäuerin, die ein Buch über ihr Leben geschrieben hat. Vilsmaier wagte das Risiko. Die Rolle der Anna Wimschneider, die bereits als junges Mädchen ihre Mutter verlor und fortan die harte körperliche Arbeit auf dem Hof erledigen mußte, spielte Vilsmaiers Frau Dana Vavrova.
Tragischer Schicksalsschlag nach dem 70. Geburtstag
„Sepp“, wie ihn seine Freunde riefen, hatte die junge Tschechin 1982 als Kameramann bei den Dreharbeiten zu dem Holocaust-Mehrteiler „Ein Stück Himmel“ kenngelernt und sich später in sie verliebt. „Ich mußte lachen, weil er die Kamera auch zu allen unmöglichen Zeiten immer so lange auf mich gerichtet hat“, erzählte Varova später.
Auch in weiteren Vilsmaier-Filmen spielte Vavrova fortan Rollen, darunter in der Romanverfilmung „Schlafes Bruder“ oder im Weltkriegsdrama „Rama Dama“, in den sogar die Geburt von Vavrovas und Vilsmaiers Tochter Theresa filmischen Einzug fand. Es gehört zu der großen Tragik in Vilsmaiers Leben, daß er seine 28 Jahre jüngere Frau 2009 kurz nach seinem 70. Geburtstag zu Grabe tragen mußte. Vavrova erlag einem Krebsleiden.
Auch in seinen späteren filmischen Werken blieb Vilsmaier der Kategorie Heimatfilm treu, die er erfolgreich von ihrem verstaubten Image befreit hat. Neben solchen Filmen wie „Herbstmilch“, „Rama Dama“ oder „Bergkristall“ widmete sich Vilsmaier aber auch historischen Themen. Seine Filme „Stalingrad“ und „Comedian Harmonists“ sind monumentale Werke des deutschen Films. Mit „Der letzte Zug“ nach dem Drehbuch von Artur Brauner gelang ihm die beklemmende Umsetzung des Schicksals der Deportation der letzten Berliner Juden von Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald im April 1943. Auch hier erwiesen sich Vilsmaier und Vavrova als gutes Team. Nachdem sich Vilsmaier bei den Dreharbeiten schwer verletzt hatte, übernahm sie die Regieführung.
Münchner mit Leib uns Seele
Trotz seiner großen Erfolge ist Vilsmaier immer bodenständig geblieben. „Ich spreche nur Bairisch. In dem Dialekt bin ich daheim und muß mich nicht verrenken“, sagte er einst in einem Interview. Seiner bayerischen Heimat setzte Vilsmaier in seinen letzten Lebensjahren ein Denkmal. Sein Dokumentarfilm „Bavaria – Traumreise durch Bayern“ zeigt die ganzen Schönheiten des Freistaats eingefangen mit einer Helikopterkamera. „Ich möchte zum Ausdruck bringen, wie wunderschön unser Land ist, und daß es den Menschen hier gut geht“, sagte er damals der Süddeutschen Zeitung.
Ein paar Jahre später folgte „Bayern Sagenhaft“, eine Produktion, für die Vilsmaier die bayerische Kabarettistin Monika Gruber gewinnen konnte, und die vor allem Bräuche und Kultur zwischen Alpenland und Main auf die Leinwand brachte. Auffällig ist in beiden Filmen der starke Fokus auf München, eine Stadt, die echte Bayern heute wegen der vielen „Isarpreißn“ gerne großräumig umfahren.
Vilsmaier redete stets nur liebevoll über „Minga“, wo er geboren wurde und gestern im Kreise seiner drei Töchter im Alter von 81 Jahren verstarb. Am 5. November kommt sein letzter Film „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ in die Kinos, in dem auch Michael Bully Herbig und Hape Kerkeling mitspielten. Es sei der Herzenswunsch ihres Vaters gewesen, die Regiearbeiten an dem Film noch zu Ende zu bringen, teilten seine Töchter mit.