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Abwehrzauber

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Der Stern, der auf den Straßen Kopenhagens in der Adventszeit am häufigsten zu sehen war, hatte nichts zu tun mit dem Weihnachtsstern. Er strahlte nicht in hellen Farben, sondern war schwarz, schwarz-grün, schwarz-rot oder rot und hatte grundsätzlich nur fünf Spitzen. Ein solcher Stern wird griechisch als Pentagramm bezeichnet, und das Pentagramm ist heute die in der politischen Symbolik am weitesten verbreitete Form des Sterns. Dabei hat er eine sehr lange Geschichte als universales Glückszeichen und wurde in Europa bis zur Gegenwart als amulettartiger Schutz verwendet. Eine entsprechende Bedeutung ist auch in Goethes Faust gemeint, wo ein Pentagramm oder „Drudenfuß“ als Abwehrzauber gegen die satanische Macht dient.

In die politische Symbolik ist das Pentagramm wahrscheinlich ähnlich wie eine Menge anderer Embleme durch die Freimaurerei eingedrungen. Das erklärt hinreichend die Bedeutung für die revolutionäre Allegorie des 18. Jahrhunderts im allgemeinen und die Gestaltung des Sternenbanners der Vereinigten Staaten im besonderen.

Seine eigentliche Karriere als politisches Symbol begann für das Pentagramm allerdings in Gestalt des „Sowjetsterns“. Dieses Emblem – in Rot, oft belegt mit Hammer und Sichel – entwickelte sich zu einem der wichtigsten Symbole der internationalen kommunistischen Bewegung. Wo genau sein Ursprung liegt, ist aber merkwürdigerweise ungeklärt, fest steht nur, daß ein Fünfstern über dem Wappen der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) angebracht war, das am 10. Juli 1918 festgelegt wurde. Auch die Interpretationen gehen auseinander; gelegentlich findet man die These, daß es sich um eine Variante des älteren – grünen – Esperantosterns gehandelt habe, der die Verbrüderung der Menschheit auf allen fünf Kontinenten symbolisierte.

Gesichert scheint immerhin soviel, daß der Sowjetstern zuerst in der Roten Armee als Abzeichen Verwendung fand und dann zusammen mit Hammer und Sichel in die Flagge der RSFSR, später der UdSSR aufgenommen wurde. Wie eng der Stern der Idee der kommunistischen Weltrevolution verbunden war, ist an der Häufigkeit zu erkennen, mit der er in den Emblemen aller möglichen proletarischen, aber auch nationalen Befreiungsbewegungen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas auftrat.

Umgekehrt haben Antikommunisten die Möglichkeit genutzt, ihre Feinde mit dem Sowjetstern eindeutig optisch zu identifizieren. Propagandistisch bemühten sich alle bürgerlichen Parteien nach Kräften, die radikale Linke mit dem Pentagramm in Verbindung zu setzen. Was für die Bürgerlichen gilt, gilt erst recht für alle faschistischen Bewegungen. Die

NSDAP spitzte die Alternative zu auf ein „Hakenkreuz oder Sowjetstern“.

Berühmte Beispiele für die Übernahme des Sowjetsterns außerhalb der Sowjetunion sind die Fahne Rotchinas (ein rotes Tuch, darauf ein großer und vier kleinere Pentagramme) und die Fahne des Vietkong (ein rotblaues Tuch mit gelbem Pentagramm). Durch die Schwärmerei für die „Dritte Welt“ in der Studentenbewegung der sechziger Jahre ist nicht nur die vietnamesische Partisanenflagge nach Europa gekommen, sondern auch der fünfzackige Stern als Ausdruck einer mehr oder weniger präzisen linken Weltanschauung retabliert worden. In einem genaueren Verständnis griffen auf die Tradition neben den sogenannten K-Gruppen – neokommunistischen Kleinstparteien – vor allem die Terroristen der RAF zurück.

Die Identifizierung des Pentagramms mit dem Kommunismus führte zu einer deutlichen Zurückhaltung gegenüber diesem Symbol in der westlichen Welt. Wenn man sich doch – wie die italienische Republik nach 1946 – zu einem entsprechenden Emblem entschloß, konnten Mißverständnisse nicht ausbleiben. Als mit dem Zusammenbruch des Ostblocks Anfang der neunziger Jahre die Sowjetsterne überall demontiert wurden, gab es auch Stimmen im italienischen Parlament, die – vergeblich – eine Änderung des Staatswappens forderten.

Der erwähnte Vorbehalt galt übrigens nicht in gleicher Weise für das Pentagramm als Beizeichen, so im Fall der europäischen Fahne, wo außerdem eine Assoziation mit dem Sternenkranz Mariens möglich war (JF 24/09). Ähnliches wird man auch für den gelben „Marienstern“ im blauen Feld der Trikolore Akadiens, der frankokanadischen Gebiete Neu-Schottland und Neubraunschweig, sagen dürfen. Womit wir wenigstens eine Verknüpfung zwischen diesem und den üblichen Sternen der Weihnachtszeit hergestellt hätten.

Die JF-Serie „Politische Zeichenlehre“ des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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