Kein geringerer als Luc Besson fungierte als Drehbuchautor und Mit-Produzent an einem französischen Action-Thriller, der mehr Fragen aufwirft, als es die schlichte Handlung eigentlich zulassen dürfte. 96 Hours entstand unter der Regie von Pierre Morel, der bislang durch rüde Banlieue-Krimis auf sich aufmerksam gemacht hat. Und man fragt sich, ob dieser seltsame Streifen, der in den USA am Startwochenende knapp 25 Millionen US-Dollar einspielte und demnächst wohl die 100-Millionen-Dollar-Marke knacken wird, amerikanische Urängste bedienen oder sie ins Extreme überspitzen, karikieren und somit ad absurdum führen möchte. Die Geschichte jedenfalls strotzt vor Absurditäten: Der ehemalige CIA-Agent Bryan Mills (Liam Neeson) arbeitet seit seiner Scheidung als Bodyguard für Popstars in den USA. Obwohl er die 50 Lenze bereits ganz offensichtlich überschritten hat, tritt er als durchtrainierter Superheld auf, der kaum konditionelle, kämpferische und investigative Grenzen zu kennen scheint. Treusorgend kümmert er sich um seine Tochter Kim (Maggie Grace). Als die 17jährige mit ihrer Freundin eine Fernreise unternehmen möchte, äußert Mills kategorisch sein Mißfallen. Er führt sich dabei auf, als hätte die kleine Kim soeben die Absicht geäußert, Städtetouren durch Bagdad und Kabul zu buchen. Dabei ist eigentlich nur eine Europa-Reise geplant, was für geographisch ungebildete und verängstigte US-Amerikaner aber fast ebenso gefährlich sein mag. Nachdem Mills widerwillig doch seine Zustimmung zu der Reise gibt, passiert das Unvermeidliche. Kaum sind Kim und ihre Freundin in Paris gelandet, da werden sie schon eine Stunde später von einem brutalen Mädchenhändlerring entführt. Bryan Mills wußte es also: In Europa haben längst jemenitische Zustände Einzug gehalten. Und so sieht ein amerikanischer Vater rot, reist über den Ozean und mäht dort alles und jeden um, der ihm auf dem Weg zu seinem geliebten Kind in die Quere kommt egal, ob albanischer Mafia-Clan oder harmlose Hausfrau. So wahnwitzig der Rachefeldzug des durchgedrehten Vaters, so irrwitzig die Motive der Entführer. Um Reisekosten für osteuropäische Huren zu sparen, werden nämlich lieber junge Studentinnen aus den USA entführt. 200 Euro für ein Busticket aus Rumänien werden gegen die Kosten einer gefährlichen und groß angelegten Entführungsaktion gestellt. Eine seltsame Rechnung, die allenfalls weltfremden US-Kinogängern einleuchten dürfte. Und dennoch scheint sie aufzugehen, weil völlig irrsinnige arabische Scheichs offenbar nichts Besseres zu tun haben, als auf einer Art Sklavenmarkt eine halbe Million Dollar für ein Mädchen zu bezahlen. Das hätten die Dummköpfe natürlich bei einer Reise nach Ungarn oder in die Ukraine bei weitem billiger haben können und ohne jegliche Gewalt. Aber wer interessiert sich schon für die hanebüchene Geschichte von 96 Hours. Die Macher gehen souverän über solche Fragen hinweg und haben es dennoch geschafft, ein fulminantes Rache-Massaker auf die Leinwand zu bringen, das durch rasantes Tempo, eine gelungene Action-Choreographie und die Hemmungslosigkeit der Hauptfigur durchaus mitreißende Effekte aufzuweisen hat. Bei diesem Film rät es sich insofern, den Kopf auszuschalten und den Testosteron-Spiegel nach oben zu fahren. Dann ist Genuß garantiert. Foto: Kim Mills (Maggie Grace): Entführt in Europa, Bryan Mills (Liam Neeson): Wahnwitziger Rachefeldzug
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