Seit 20 Jahren gibt es jetzt Splatting Image, die „Fachzeitschrift für den unterschlagenen Film“, sprich: Horror, Pornos und Trash – jene Erzeugnisse, die den sogenannten dunklen Teil der Seele spiegeln und zugleich ansprechen. Wie eine Kultur mit ihnen umgeht, ist totsicherer Indikator ihrer Fähigkeit, den Menschen ganzheitlich zu integrieren.
Die aktuelle Ausgabe der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift präsentiert als Ausgrabung „Hoffmanns Erzählungen“ (1923) von Max Neufels: ein früher Ausflug in die Nacht, wo der zerrüttete E.T.A. Hoffmann von einem Schatten verfolgt wird, sein Spiegelbild verliert, eine Wunderbrille findet und sich in die Puppe namens „Olympia“ verliebt. Ein lange vergessenes Verbindungsstück zwischen expressionistischem Film und Hollywoods Horrorklassikern der frühen 1930er, stellen die Autoren fest.
Die Heft-Reihe über türkische Trashfilme rückt diesmal „Drakula Istanbul‘da“ (1953) ins Zentrum. In Ermangelung christlicher Kreuze – die Türkei ist eine primär islamische Kultur – muß in dieser Bram-Stoker-Adaption der Knoblauch als Abwehrmaßnahme genügen. Was natürlich einer Säkularisierung gleichkommt. Da die Türkei über eine große Urwaldfläche verfügt, kam auch ein „Tarzan Istanbul‘da“ (1952) in die Kinos – cineastische Perlen, von deren Existenz man sonst kaum erfahren hätte.
Die Sparte „Asian Fruits“ stellt neue Geisterfilme aus Indonesien und Thailand vor, während „Nollywood Horrors“ erzählt, wie 1992 in Nigeria mit VHS-, Hi 8- oder DVD-Material eine der „produktivsten Filmindustrien der Welt“ entstand, die inzwischen auch in Europa ihr Publikum findet. Übrigens, niemand sollte mehr eine Debatte über Wert und Unwert der zeitgenössischen Filmproduktion Deutschlands führen, der bloß gelackte Großproduktionen kennt, nicht aber die hier unter „Jungmutationen“ präsentierten Außenseiterfilme. Darunter der Kurzfilm „Krebs“ (2008), der den Horror schildert, wenn der tödlich erkrankte Körper zum Gefängnis wird.
A propos Körper: Das Erotische ist diesmal mit einem Bericht über die ökologische FFF (Fuck for Forest)-Produktion abgedeckt, eine Gruppe norwegischer Porno-Hersteller, die ihren Profit ausschließlich in Umweltprojekte investiert. Zahlreiche DVD-Kritiken runden die Lektüre ab. Auch hier werden seltene Klassiker empfohlen wie „Körkarlen“ (Der Fuhrmann des Todes, 1920), Orson Welles’ „Othello“ (1952) oder „The Gorgon“ (Die brennenden Augen von Schloß Bartimore, 1964). Die Beiträge sind meist intelligent, gut recherchiert und schwungvoll geschrieben. Es ist bedauerlich, die „Schnittparade“ nicht mehr anzutreffen. Darin wurden einst die verschiedenen Länder-Fassungen desselben Films miteinander verglichen. So zeigte sich, welche Szenen die Zensoren des jeweiligen Landes dem Publikum vorenthielten: eine soziologische Studie über die Ängste unterschiedlicher Kulturen, die das Selbstlob des Westens als „freie Gesellschaft“ gnadenlos demontierte. Trotzdem ist die Splatting Image-Lektüre immer noch ein kurzweiliger, globaler Panoramaschwenk, der enthüllt, wie die Menschheit ihre Furcht und Begierde für 90 Minuten auf Film „bannt“.
Kontakt: Splatting Image, Florastr. 6, 12163 Berlin, Tel. 030 / 79 78 44 09, Internet: www.splatting-image.de