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Zypressen wie lodernde Flammen

Zypressen wie lodernde Flammen

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Zypressen wie lodernde Flammen

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Kaum ein Künstler übt auf heutige Zeitgenossen eine solche Faszination aus wie Vincent van Gogh. Die Werke des Niederländers erzielen — soweit sie überhaupt angeboten werden — Spitzenpreise auf dem internationalen Markt. Für jedes Museum der Welt stellt es ein Adelsprädikat dar, zumindest einen van Gogh im eigenen Besitz zu wissen. Der van-Gogh-Mythos beruht zum einen darauf, daß der Künstler als Vorreiter der klassischen Moderne gilt. Für Pablo Picasso war er der „Archetyp unserer Zeit“. Dabei entstanden die meisten Gemälde, die heute als Werke eines Genies gelten, innerhalb von nur vier Jahren. Und trotz seiner schweren psychischen Erkrankung befand sich van Gogh gerade in den letzten Jahren seines kurzen Lebens auf dem künstlerischen Höhepunkt: Allein in den siebzig Tagen, die er in der Heilanstalt von Auvers-sur-Oise verbrachte, entstanden 70 Gemälde und 60 Zeichnungen. Doch natürlich trug nicht zuletzt zur Mythenbildung auch van Goghs Selbstmord im Alter von 37 Jahren bei. Daß sich van Gogh überhaupt in diesem phänomenalen Maße künstlerisch betätigte, war alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Erst nach erfolglosen Versuchen, als Kunsthändler, Hilfslehrer, Buchhändler und Prediger Fuß zu verfassen, wandte er sich mit 27 Jahren — unterstützt von seinem Bruder Theo — dem Malen und Zeichnen als beruflichem Lebensinhalt zu. Als Motive dienten ihm zunächst Landschaften seiner niederländischen Heimat.   Diese Zeichnungen, wie etwa eine Sumpflandschaft mit Wasserlilien, einer Landstraße oder einer Gärtnerei, bilden den Ausgangspunkt der aktuellen van-Gogh-Ausstellung in der Wiener Albertina, die bis zum 8. Dezember besichtigt werden kann und sein zeichnerisches Werk insgesamt in den Mittelpunkt der Präsentation stellt. Van Gogh verfügte vom Beginn seiner künstlerischen Laufbahn an über ein beachtliches Zeichentalent. Dagegen blieb seine Malerei zunächst noch deutlich hinter den aktuellen Entwicklungen ihrer Entstehungszeit zurück. Demgemäß folgt der Aufbau der Wiener Ausstellung einer inneren Logik, die gezielt die traditionelle Blickrichtung fast aller größeren van-Gogh-Ausstellungen der letzten Jahrzehnte durchbricht.   Erst nachdem van Gogh eine große Zahl von Landschaftsmotiven gezeichnet hatte, wandte er sich auch der Darstellung von Menschen zu. Es waren in erster Linie Bauern aus dem Norden der Brabanter Provinz, die von ihm porträtiert wurden. So entstand eine lange Reihe von Zeichnungen, die Männer und Frauen bei der Feldarbeit zeigen, unter anderem eine Bäuerin beim Graben, eine kniende Bäuerin, eine Bäuerin beim Ährenlesen und eine Kartoffelgräberin. Bereits zu diesem Zeitpunkt galten van Goghs Strich, die mit seiner Hilfe bewirkte Akzentuierung und die Genauigkeit der Darstellung als vorbildlich. Freilich muten die konkreten anatomischen Proportionen zum Teil noch unglaubwürdig an.  Bei allem Zeichentalent stellte van Gogh bis 1886 als Maler keineswegs eine Ausnahmeerscheinung dar. Auch hier begann er mit klassischen holländischen Landschaftsmotiven. Die Bilder fielen vor allem durch die Verwendung düsterer Farben auf, obwohl der künstlerische Trend inzwischen zu einer hellen, leuchtenden Palette ging. Zudem wirkte der Pinselstrich schwer und noch wenig präzise.  Erneut folgte van Gogh dem Rat seines Bruders, der ihm einen Aufenthalt in Paris empfahl. Die Stadt an der Seine galt im späten 19. Jahrhundert als zentraler Treffpunkt herausragender Künstler. Über die persönliche Begegnung mit ihnen sollte van Gogh die Technik des leichthändigeren Pinselstrichs sowie zur Aufhellung seiner Farbpalette erlernen. Tatsächlich fand er nach seiner Ankunft in Paris 1886 schnell Kontakt zu zeitgenössischen impressionistischen Malern wie Emile Bernard, Claude Monet, Paul Signac und Henri de Toulouse-Lautrec. Erst hier stand für ihn erstmals das Malen gegenüber dem Zeichnen im Vordergrund. Besonderen Wert wurde dabei auf die Arbeit mit der Farbe sowie auf Simultan- und Komplementärkontraste gelegt. In dieser Phase entstanden auch van Goghs erste echte Aquarelle. Zuvor hatte er ausschließlich mit opaken Wasserfarben gearbeitet. Dennoch fühlte sich van Gogh in der Metropole Paris nicht wohl. Er entwickelte den Plan, gemeinsam mit anderen Künstlern eine Kolonie am Mittelmeer zu gründen. Aber nur sein Freund Paul Gauguin folgte van Gogh nach Arles. Dort erlitt van Gogh bereits nach neunwöchigem Aufenthalt die ersten seiner wiederholt auftretenden psychischen Krankheitsschübe. Nach einem heftigen, durch die Krankheit verstärkten Streit kehrte Gauguin nach Paris zurück.  Anfang 1889 begab van Gogh sich freiwillig in die Nervenheilanstalt in Saint-Rémy. Hier erfolgt in seinen Bildern, etwa bei der Darstellung des Kornfeldes vor seinem Fenster oder des Parks der Heilanstalt, jene Stilisierung, die bis heute so fasziniert: Ohne sich gänzlich vom Naturvorbild zu lösen, verlebendigt van Gogh die Umrisse der Motive.  Zypressen erinnern an lodernde Flammen, ein Brunnenrund an ein mächtiges Rad, und die Bäume eines Olivenhains erhalten anthropomorphe Züge. Zudem erzeugt er durch die perspektivische Verunklarung des Raums eine neue Dynamik, die als frühe Variation des Expressionismus gilt. Damit hat sich van Gogh endgültig vom impressionistischen Stil gelöst. Trotz ihres beachtlichen Umfangs — insgesamt werden rund 90 Zeichnungen und über 50 Gemälde aus Österreich, Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Israel, Italien, Japan, den Niederlanden, Norwegen, Rußland, der Schweiz, Spanien, Tschechien, Ungarn sowie aus Privatbesitz gezeigt — wirkt die Wiener Präsentation keineswegs überladen oder wie eine „Best of“-Schau. Vielmehr trägt ihre Schwerpunktsetzung dazu bei, Einblicke in van Goghs Schaffen zu vermitteln, die auch für Kenner Neues und Überraschendes bieten. Die Ausstellung „Van Gogh. Gezeichnete Bilder“ ist bis zum 8. Dezember in der Albertina Wien, Albertinaplatz 1, täglich von 9 bis 19 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr, zu sehen. Telefon: 00 43 / 1 / 5 34 83-0, Internet: www.albertina.at. Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog mit 456 Seiten erschienen. Er kostet in der Albertina 24,90 Euro. Foto: Van Gogh, „Heilanstalt in Saint Rémy“ (Öl auf Leinwand, 1889); “Feld mit Korngaben“ (Öl auf Leinwand, 1890): Lebendige Natur; Vincent van Gogh, „Bäuerin, kniend“ (Schwarze Kreide auf Papier, 1885): Vorbildlicher Strich

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