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Verdammt lang her

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Seit mehr als sechs Jahren ist die Bundeswehr im Rahmen der „International Security Assistance Force“ (ISAF) in Afghanistan im Einsatz. Beschränkte sich ihr Aktionsradius anfänglich auf die Hauptstadt Kabul, so ist sie heute vor allem in der Nordregion mit den Schwerpunkten Kunduz, Feyzabad und Mazar-e-Sharif engagiert. Die Stärke des deutschen Kontingents beläuft sich momentan auf knapp 3.500 Männer und Frauen, vielleicht werden es schon bald ein paar mehr sein. Die Zahl der deutschen Soldaten, die auf diese Weise Bekanntschaft mit Afghanistan gemacht haben, dürfte somit deutlich im fünfstelligen Bereich liegen. Einer von ihnen ist Achim Wohlgethan, der unterdessen als Stabsunteroffizier der Fallschirmjägertruppe nach Ablauf seiner Dienstzeit aus der Bundeswehr ausgeschieden ist. Wenn er aus seinem sechsmonatigen Einsatz am Hindukusch berichtet, entführt er den Leser somit nicht in exotische Gefilde, die anderen verschlossen gewesen wären. Allerdings hat ihm sein Auftrag, der ihn einer niederländischen Spezialeinheit an die Seite stellte, Einblicke ermöglicht, die den meisten deutschen Soldaten in Afghanistan verwehrt sind – heute mehr denn je, da aufgrund der prekärer gewordenen Sicherheitslage die Einsatzzeit überwiegend in geschützten Feldlagern abgesessen wird. Wohlgethan jedoch gehörte zu den ersten, die nach Afghanistan gingen und dies noch in dem Wohlgefühl tun durften, als Befreier von einem finsteren Regime willkommen zu sein und einen Beitrag zu einer lösbaren Aufgabe leisten zu können. Zudem stand man noch unter dem Eindruck der Ereignisse des 11. September 2001 und erkannte die Notwendigkeit, zur Abwendung terroristischer Bedrohungen auch Risiken eingehen zu müssen. Heute jedoch stellt sich die Lage in vielerlei Hinsicht anders dar. Afghanistan hat zwar auf dem Papier staatliche Strukturen etabliert: Es gibt eine Verfassung, Wahlen wurden abgehalten, und es regiert ein demokratisch legitimierter Präsident. Dieser vermag jedoch allenfalls ein Drittel des Landes zu kontrollieren, den Rest teilen sich Stammesfürsten, Warlords und offenbar auch dem Lager der Taliban zuzurechnende Kräfte. Die Nato-geführte Isaf-Mission ist längst für das ganze Land zuständig, auch für die Unruheregionen im Osten und Süden, ohne daß dort zuvor der Widerstand der Taliban und ihrer Verbündeten nachhaltig gebrochen worden wäre. Im wirtschaftlichen Aufbau halten sich Licht und Schatten die Waage. Als florierend kann einzig der Opiumanbau bezeichnet werden. Die Bevölkerung ist verunsichert, ob die Nato sich tatsächlich auf Dauer gegen ihre Widersacher durchsetzen wird. Viele, die sie anfänglich unterstützten, verhalten sich daher heute indifferent, um es sich mit ihren möglicherweise ja obsiegenden Gegnern nicht von vornherein zu verderben. Attentate gab es zwar auch schon in der Zeit, in der Wohlgethan im Einsatz war, und er schildert seine diesbezüglichen Erlebnisse in sehr plastischer und einfühlsamer Weise. In den vergangenen Jahren hat ihre Zahl aber so dramatisch zugenommen, daß sie unterdessen zum Alltag gehören, auch im Norden übrigens, dem deutschen Einsatzgebiet also, das keineswegs eine Oase des Friedens und der Harmonie ist. Der Mehrwert, der sich aus der Lektüre des Buches zur Beurteilung von Lageentwicklung und Einsatzrealität im Jahr 2008 ziehen läßt, ist somit äußerst begrenzt. Wohlgethan bietet zwar einen lebendig geschriebenen und glaubwürdig anmutenden „Insiderbericht“, aber eben einen, der aus einer mehr als fünf Jahre zurückliegenden Vergangenheit erzählt. Die Aufmerksamkeit, die ihm dennoch zuteil wird und das Buch sogar in die Bestsellerlisten brachte, ist verlegerischem Geschick zuzuschreiben, mit dem richtigen Thema zur richtigen Zeit auf den Markt zu kommen. Der reißerischen Ankündigung, veritable Skandale aufzudecken, wird Wohlgethan aber nicht gerecht – und das war wohl auch gar nicht seine zentrale Absicht. Es mag sein, daß einzelne seiner Aufträge nicht durch das Mandat abgedeckt waren, dies dürfte jedoch aus der Lage heraus gerechtfertigt gewesen sein. Es überrascht ferner nicht, daß der Amtsschimmel die Bundeswehr leider auch in den Einsatz begleitet. In den Medien gab und gibt es dazu immer wieder hanebüchene Beispiele zu lesen. Ein Vorwurf ist allerdings unangebracht: Die Bundeswehr verharmlost weder nach innen noch nach außen die Risiken, die die Einsätze für jeden einzelnen Soldaten bergen. Wer nach Afghanistan geht, weiß genau, was auf ihn zukommen kann. Achim Wohlgethan: Endstation Kabul. Als deutscher Soldat in Afghanistan – ein Insiderbericht. Econ Verlag, Berlin 2008, broschiert, 301 Seiten, Abbildungen, 18,90 Euro

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