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Pankraz, die Helden und der Geschichtswettbewerb

Pankraz, die Helden und der Geschichtswettbewerb

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Pankraz, die Helden und der Geschichtswettbewerb

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Nicht gerade gut beraten war das Bundespräsidialamt, als es den von ihm alle zwei Jahre arrangierten „Geschichtswettbewerb“ diesmal unter die Frage stellte: „Wer sind die wahren Helden?“ Auch der Untertitel des Unternehmens verbessert die Lage kaum:  „Helden — verehrt, verkannt, vergessen“. Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 21 sollen bis Ende Februar 2009 einschlägige „Recherchen“ machen und Aufsätze einreichen. Satte 250.000 Euro sind zu verteilen, zur Verfügung gestellt von der reichen Körberstiftung in Hamburg.

Das Thema ist uferlos, gewissermaßen überkomplex. Es verführt zu Geschwätz und Anpasserei an gängige Meinungen und Medienklischees. Man kann sich den Siegertitel jetzt schon lebhaft vorstellen: „Wie mein Ur-Opa, der Held, im Jahre 1943 eine jüdische Mitbürgerin vor dem Abtransport nach Auschwitz rettete“. Oder so ähnlich. Der Held als Gutmensch im Goldschnittformat. Und es wird — denn die hohe Preissumme lockt — Hunderte und Tausende von neuentdeckten Helden geben. Der Held wird buchstäblich preiswert, und das mindert ihn natürlich beträchtlich im Wert.

Aber gibt es überhaupt „den“ Helden? Was dem einen sein Held, war (und ist) dem anderen doch immer sein Ungeheuer. Zum Bild des Helden gehört seine Parteilichkeit, er ist ein Krieger, es geht bei ihm immer um Tod oder Leben, um sein eigenes Leben und um das Leben der anderen. In alten Zeiten verschaffte ihm das raumübergreifenden Ruhm. Die von ihm Bekämpften liebten ihn nicht, aber sie respektierten immerhin seinen Mut, seine Kampfkraft, seinen Widerstandswillen. Der heutige Zeitgeist läßt solche Perspektive nicht mehr zu. Für ihn gibt es nur noch „eigene“ Helden, Helden im Eigenbau.

Man könnte sich also guten Gewissens und mit leicht verächtlicher Geste von der ganzen bundespräsidialen Fragerei nach dem „wahren“ Helden abwenden, bliebe da nicht ein Stachel. Blickt man nämlich auf die überlieferten Heldenepen, Heldensagen, Heldenlieder, so fällt eine andere durchgehende Zweiteilung auf: Es gibt einerseits die siegreichen, strahlenden, bombastisch herumprunkenden Helden, andererseits die letztlich untergehenden, die bis zum letzten Blutstropfen erbittert Widerstand leistenden, die tragischen Helden. Und die tragischen Helden ergreifen Sänger und Publikum viel mehr als die siegreichen.

Hektor, der grausam um die Mauern geschleifte Trojanerfürst, rührt die Seelen viel tiefer an als der siegreiche, siegreich herumbrüllende Achill. Leonidas, der niedergerungene Verteidiger der Thermopylen, behauptet einen viel größeren Platz in der historischen Erinnerung als sein Bezwinger Xerxes. Und für die Neuzeit hat Leopold von Ranke in seiner „Geschichte Preußens“ mit leicht erstauntem Unterton konstatiert, daß nicht die strahlenden Sieger, sondern die — oft in aussichtloser Position — Widerstand Leistenden „am meisten“ zur Herausbildung der Nationen beigetragen hätten.

Von daher, vom Widerstand leisten auch in (scheinbar) aussichtsloser Position und unter Preisgabe des eigenen Lebens ließe sich wohl eine glaubhafte Phänomenologie des Heldentums entwerfen, in die auch „zivile“ Formen hineinpassen würden und an der sich jugendliche Teilnehmer am Köhler-Körber-Schreibwettbewerb orientieren könnten. Allzu kleine Münze wäre dann von vornherein ausgeschlossen. Beim Heldentum, so würde klar, geht es stets um den vollen Einsatz, um die eigene Existenz, um die Grenzsituation. Nur so kann man den Begriff retten: indem man ihn hochexklusiv macht und dem Massenbetrieb entzieht.

Weitere Bestimmungen, die sich überzeugend daran anknüpfen ließen: Heldentum ist nie und nimmer blindes Dreinschlagen, es setzt strategisches Ingenium voraus. Es muß frei bleiben von jeglichem Fanatismus. Und es läßt sich mit ihm nur bedingt Staat machen, will sagen: Es eignet sich wenig zu aufdringlichen Veteranenfeiern und vielleicht nicht einmal zu Schüler-Geschichtswettbewerben.

Seine Nähe zum Modus des zähen Widerstehens setzt Verteidigungstugenden voraus, und solche Tugenden sind durch die Bank intellektuelle Tugenden. Während beim Angriff meistens der spontane Impetus des Vorwärtsstürmens überwiegt, regiert beim Standhalten von vornherein strategisches und taktisches Kalkül. Es gilt, schwache Stellen im Verteidigungsring genau zu erkennen und bedachtsam abzusichern, Witz und Einfallsreichtum bei den Abwehrmechanismen zu entwickeln, mit einem Wort: bei aller Leidenschaft kühlen Kopf zu bewahren.

Fanatiker verschreiben sich mit Haut und Haaren einer „Idee“, der sie anschließend nur noch opfern können. Zuerst wird jedes genaue Nachdenken geopfert, jede Regung des gesunden Menschenverstandes, zuletzt (siehe die islamischen Selbstmordattentäter) das eigene Leben. Doch zum Helden, gar zum Märtyrer werden die Opferer deshalb gerade nicht. Der „wahre“ Held wägt den Verlust der eigenen Existenz sehr wohl ab. Sein Opfer, wenn es denn fällig wird, ist eine Tat aus Vernunft und Mut gleichermaßen. Eben dadurch taugt sie zum Vorbild.

Heldentaten sind Votivtafeln, die im Schrein der Erinnerung hängen wie die richtigen Votivtafeln in Kirchen und an anderen geweihten Orten. Der Held selbst ist nur im Augenblick seiner Tat wirklicher Held. Als lebendes Vorzeigeobjekt bei festlichen Anlässen wirkt er leicht peinlich, ja komisch; Er gerät in die „Veteranenfalle“, wie Nietzsche es genannt hat. An seiner Gestalt leuchten irritierende Reflexe auf und bringen sein Bild ins Schwanken. Schlimmstenfalls bietet er sich dar als mit Medaillen behängte Feierabendfigur, die der kecken Jugend nur noch ironische Verbeugungen und freche Witzchen abgewinnt.

Die eventuellen frechen Witzchen werden die Juroren des jetzt anlaufenden „Geschichtswettbewerbs“ natürlich aus den Beiträgen herausredigieren. Der Ironie der Verbeugungen aber können sie kaum etwas anhaben. Sie liegt in der Sache selbst.

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