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Fremde Götter greifen Raum

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In Köln kulminiert derzeit die politische Auseinandersetzung um den Bau einer Großmoschee. Sorge vor Islamisierung, Überfremdungsängste und die Größe des Gebäudes spielen in den Streit hinein. Die Konfrontation mit körperlicher Größe gehört zu den frühkindlichen Grunderfahrungen. In den ersten Lebensjahren sind wir fast ausschließlich von vielfach größeren Menschen umgeben. Früh erfahren wir dabei die zwei Facetten der Größe, zum einen das Staunen, die Bewunderung und den Hauch von göttlicher Kraft, zum anderen die Angst im Erleben unserer Kleinheit und Schwäche. Nicht ohne Grund spielen Riesen in Märchen und Sagen eine wichtige Rolle als mächtige und gefährliche Kreaturen — sei es bei David und Goliath, Odysseus und dem Zyklopen. Früh wurde in der menschlichen Kulturgeschichte die Erfahrung mit Größe auf das Bauwesen übertragen. Die ägyptischen Pyramiden von Gizeh entstanden ca. 2500 v. Chr. als Pharaonen-Grabstätten. Sie waren religiöse Ort und politische Machtdemonstration in einem. Ähnlich verhielt es sich später mit den antiken Tempelanlagen, die wiederum jenen Monumentalismus des frühen 20. Jahrhunderts beeinflußten, den sich dann die nationalsozialistischen und kommunistischen Machthaber zunutze zu machen versuchten. Mittelalter und Neuzeit des Abendlands kannten den Bau mächtiger Kathedralen, zum Beispiel den im 17. Jahrhundert fertiggestellten Petersdom in Rom, dessen Raumumfang weit über gottesdienstliche Notwendigkeit hinausging. Die christliche Kirche demonstrierte in ihren Sakralbauten Macht und religiöses Programm. Der Turm des Ulmer Münsters ist mit 161,53 Metern bis heute der höchste Kirchturm der Welt und ein landschaftliches Ausrufezeichen, mit dem das Streben gen Himmel, hin zu Gott, symbolisiert wird. Auch die Stadt Köln hat ein derartiges faszinierendes Monumentalbauwerk als Wahrzeichen. Ihr Dom gilt als die drittgrößte gotische Kathedrale der Welt. Nun schickt sich eine andere Religion an, in Köln ein religiöses Ausrufezeichen zu errichten. Der 1985 gegründete türkische Dachverband Ditib will als Bauherr im Stadtteil Ehrenfeld eine Großmoschee für 2.000 Gläubige errichten. Der Kölner Bau reiht sich in eine lange Kette aktueller islamischer Bauvorhaben und wird mit der wachsenden Zahl von Muslimen begründet; etwa 120.000 Muslime leben in Köln. Nach Jahren als unwürdig empfundenen Versteckens in Hinterhofgebetsräumen fühlen sich viele Muslime bereit und berechtigt, ans Licht zu treten  und den eigenen Glauben in Ästhetik präsentieren zu können. Pikanterweise entstammt der Moscheebau-Architekt Paul Böhm, Jahrgang 1959, einer alten Dynastie von Kirchenbaumeistern. Der im Rheinland bekannte Dominikus Böhm war sein Großvater. Böhms Planung zeigt ein ästhetisch ansprechendes Ensemble. Dabei nahm der Architekt Rücksicht auf den Bauherrn, der Transparenz gefordert hatte. Mehrere schalenartige Wandscheiben, Blütenblättern ähnelnd, deren Zwischenräume verglast werden, bilden im Zentrum eine Kuppel. Ein zentraler Platz mit Brunnen verbindet die Haupt­ebenen des Baus, also auch die Zugänge zum Gebetsraum im Obergeschoß. Basar, Bibliothek, Schulungs- und Büroräume ergänzen das Zentrum. Der Katholik Böhm versteht das Gebäude nicht als Zeichen der Abgrenzung, sondern als Beitrag zur Integration, die nur bei einem würdevollen Umgang mit den Muslimen in unserer Gesellschaft funktionieren könne. Der Bau mit 20.000 Quadratmetern Bruttogeschoßfläche entsteht auf einem 4.500 Quadratmeter großen Grundstück. Die Kuppel wird 34 Meter, die beiden Minarette gar 55 Meter in die Höhe ragen. Eine Moschee ist ein ritueller Ort gemeinschaftlichen islamischen Gebets und Stätte der islamischen Wertevermittlung. Die Größe der Moschee ist einerseits Zeichen eigener Präsenz, andererseits selbstverständlich auch eine Demonstration von Machtanspruch. Die Größe der Kölner Moschee weckt Ängste der deutschen Urbevölkerung. Eine andere derzeitige Großplanungswelle hingegen wird oft weder zur Kenntnis genommen noch in Frage gestellt. Flächendeckende Planungen von Einkaufszentren, sogenannten Shopping-Malls, durch Investorenkonsortien nehmen immer gigantischere Ausmaße an und drängen selbst in bislang weitgehend intakte klein- und mittelstädtische Strukturen. In Essen wurde gerade für das monströse Zentrum „Limbecker Platz“ eine historische Karstadt-Fassade von Wilhelm Kreis abgerissen. In Heilbronn hat sich die „Stadt Galerie“ mit Aluminiumverkleidung in die Altstadt gewuchert. Berlin-Marzahn darf sich über das futuristische „Eastgate“-Center freuen. Ludwigshafen erhält demnächst eine wuchtige „Rhein-Galerie“, Leverkusen seine „Rathaus-Galerie“, Frankfurt am Main ein riesiges „Frankfurt Hoch Vier“-Projekt. Büro- und Gewerbekomplexe fressen sich in die Landschaft, immer selbstverliebter verdrehte Hochhäuser erheben sich als Machtsymbole der Banken und Versicherungskonzerne längst über alle Kirchtürme. Auch der Baugrund der Kölner Moschee ist umgeben von bis zu 70 Meter hohen Häusern und dem 260 Meter hohen Fernsehturm. Gesellt sich aber ein Minarett in den Reigen der Türme, wird das zum kulturpolitischen Reizthema. Die Abwehr hat aber andere Ursachen, und diese sind nicht unbegründet. Die Moschee ist nur der sichtbare Ausdruck der seit langem in den Kreissälen deutlichen Tendenz des sich beschleunigenden demographischen Wandels, den man verdrängen konnte, solange man seiner im Stadtbild nicht baulich gewahr wurde. Da die Political Correctness mit ihren allgegenwärtigen Rassismus-Vorwürfen verhindert, daß sich Protest direkt formieren kann, kanalisiert sich dieser über Umwege. Der Einsatz gegen die Großmoschee ist somit ein Ventil für die weiterreichende Sorge vor kultureller Überfremdung, vor religiöser Intoleranz mittelalterlichen Zuschnitts und vor neu entstehenden politischen Machtformationen zu Lasten der alteingesessenen Bevölkerung. Der demographische Wandel ist allerdings ein Faktum, das durch Moscheebauten nur unterstrichen wird. Dabei steht die Größe dieser Bauten auch für den Anspruch eines erstarkenden Islam auf universale Gültigkeit. Die Abwehrhaltung mancher Deutscher resultiert aber gerade aus der traurigen Erkenntnis, daß außer Bürohochhäusern und Shopping-Malls nichts Großes mehr in ihnen selber reift und nach Umwandlung in gebaute Materie verlangt. Vorbei die Zeiten von Walhalla, Völkerschlachtdenkmal und „deutschem Dom“. Die verbliebenen Kirchen verwaisen, oder es wird bereits mit ihrem Abriß begonnen wie unlängst in Hamburg-Barmbek. Wer keine eigene Größe mehr kennen darf, fürchtet sich vor jener der anderen. So haben die Deutschen den neuen Moscheen bislang nichts entgegenzusetzen als ein trotziges „Nein“. Das aber wird nicht ausreichen, die Leere der großen geistigen und ästhetischen Bauflächen in unserem Land zu füllen, die nach inhaltlicher Gestaltung verlangen. Foto: Modell der geplanten Großmoschee in Köln-Ehrenfeld: Wer keine eigene Größe mehr kennen darf, fürchtet sich vor jener der anderen

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