Auf den Weg in „die Bäder“, (Binz—Sellin—Göhren) geht es durch Garz, Rügens älteste Stadt. Nicht nur im oberen Preissegment zu findende Kraftwagen mit westdeutschen Nummernschildern fahren hier rasch durch. Dabei gibt es zwei gute Gründe für einen Zwischenstopp: zum einen das Stammhaus des Rüganer Bäckerei-Imperiums Köpcke, wo blätterteigige Quarktaschen im Vergleich mit Köstlichkeiten in Salzburg und Barcelona durchaus bestehen. Zum anderen, bei Köpcke um die Ecke, das Ernst-Moritz-Arndt-Museum. Der bescheidene Backsteinbau, 1937 eröffnet, bietet im Erdgeschoß eine Ausstellung zu Leben und Werk des 1769 nahe Garz, in Groß Schoritz, geborenen „Sängers der Teutschen“. Auch finden sich einige Hinweise darauf, wie leidenschaftlich geschichtspolitische Kämpfe um den heute — da „Nationalist“ und natürlich „Antisemit“ — als „umstritten“ geltenden Historiker und Publizisten ausgefochten wurden. 1969, zum 200. Geburtstag, hatte jedenfalls die DDR die Nase vorn, die ihn, den Propagandisten deutsch-russischer „Waffenbrüderschaft“ von 1813, als nationale Leitfigur aufbaute. Das Garzer Heimatmuseum wandelte sich folglich zur „Nationalen Arndt-Gedenkstätte“. Und während Bundespräsident Theodor Heuss als Herausgeber den Rheinland-Verteidiger Arndt 1955 nicht mehr ins Monumentalwerk „Die großen Deutschen“ aufnehmen mochte, verewigte sich sein Kollege Walter Ulbricht im Garzer Besucherbuch markig: „Ruhm und Ehre dem großen deutschen Freiheitskämpfer Ernst Moritz Arndt“. Kein Wunder, daß die Greifswalder Universität den Namen ihres berühmtesten Dozenten auch im Arbeiter- und Bauernstaat behielt und erst zwei gesinnungstüchtige „Westimporte“ mit publizistischer Schützenhilfe von Zeit und Spiegel dies 1998 — gottlob erfolglos — skandalisierten. Sylvia Knöpfel, Garzer Museumsleiterin seit 1992, läßt die vom Ringen um ein „widersprüchliches Erbe“ gezeichnete Geschichte ihres kleines Haus in einem ansprechenden Jubiläumsband Revue passieren. Daß es durchaus auch in Greifswald noch eine Arndt-Forschung gibt, belegen die Aufsätze von Dirk Alvermann, dem Leiter des Universitätsarchivs, und vom Kirchenhistoriker Irmfried Garbe, die sich den literarischen Anfängen Arndts und seines Freunds Ludwig Gotthard Kosegarten zuwenden und einen Beitrag zur wenig bekannten pommerschen Geistesgeschichte um 1800 leisten. Sylvia Knöpfel (Hrsg.): „Rudere vorsichtig, es gibt der Klippen und Sandbänke viele“. Festgabe zum 70jährigen Bestehen des Ernst-Moritz-Arndt-Museums Garz/Rügen, Selbstverlag des Museums, Garz 2007, broschiert, 116 Seiten, Abbildungen, 12,60 Euro