Das Statistische Bundesamt hat festgestellt, daß in Deutschland über zehn Millionen Menschen, also 13 Prozent der Bevölkerung, als arm gelten, weil sie weniger als 60 Prozent des monatlichen Durchschnittseinkommens zur Verfügung haben. Die Sinnhaltigkeit dieses Maßstabs ist umstritten, denn Armut müßte demzufolge ausgemerzt sein, wenn ausnahmslos alle Bürger sich zum Essenfassen in öffentlichen Suppenküchen versammeln. Trotzdem läßt er Rückschlüsse auf die Entwicklung einer Gesellschaft zu. In den Kommentaren wurde hervorgehoben, daß 1,7 Millionen Kinder von Armut betroffen sind. Kinder, so die Suggestion, seien ein Armutsrisiko. Solche Meldungen rufen regelmäßig die Wohlfahrtsverbände auf den Plan, die die Erhöhung von Hartz IV, des Kindergelds, kurzum der Sozialleistungen fordern. Dabei ist längst klar, daß Armut nicht nur einen materiellen Status bezeichnet, sondern oft mit seelischen, geistigen und sittlichen Verwahrlosungen zusammenhängt. Um zielgerichtet eingreifen zu können, müßte zunächst die Frage geklärt werden, wie viele Eltern tatsächlich durch die Erfüllung ihres Kinderwunsches unter die Armutsgrenze gerutscht sind bzw. wie viele dieser 1,7 Millionen Kinder bereits in Armutsverhältnisse hineingeboren wurden. Nur im ersten Fall wird die Erhöhung staatlicher Zuwendungen (oft würde die steuerliche Besserstellung von Familien genügen) einen positiven Effekt haben. Man kann aber davon ausgehen, daß die meisten der armen Kinder aus Familien stammen, in denen Armut erblich ist und die materielle Misere ein Ausdruck generationenübergreifender Verwerfungen ist. Unter diesem Aspekt ist die relative Armutsbemessung aufschlußreich. Da die Armut nicht absolut, sondern in Relation zum jeweiligen Landesdurchschnitt gemessen wird, kann der steigende Armutsanteil nur bedeuten, „daß in armen Familien relativ immer mehr Kinder geboren werden als in wohlhabenden“, schreibt der Leipziger Anthropologe und Sozialhistoriker Volkmar Weiss in einem Diskussionspapier ( https://www.volkmar-weiss.de/zyklisch.html ). Weiss bezieht sich unter anderem auf den Bericht der Kinderhilfsorganisation Unicef von 2005, laut dem ein enger Zusammenhang besteht zwischen „Aufwachsen in Armut, schlechten Leistungen in der Schule, schlechtem Gesundheitszustand, Frühschwangerschaft, Drogenkonsum, kriminellem und asozialem Verhalten, niedrigem Einkommen, Arbeitslosigkeit und langzeitiger Abhängigkeit von Sozialhilfe“, das typische Unterschichtensyndrom. Dieses Syndrom weitet sich auch aus, weil die sogenannten Unterschichten ungebrochen reproduktionsfreudig sind, während die Mittelschichten, aus denen sich das Gros der Begabten und Hochbegabten rekrutiert, die Leistungsträger also, sich der Reproduktion verweigern. Der FDP-Politiker Daniel Bahr äußerte vor einiger Zeit zutreffend, in Deutschland bekämen „die Richtigen“ zu wenig Kinder. Man muß hinzufügen: „die Falschen“ um so mehr. Eine derart reproduzierte und ausgeweitete Armut hat auf längere Sicht nicht nur sozial-, sondern auch bildungs-, gesellschafts- und natürlich wirtschaftspolitisch dramatische Folgen. Weiss hat in seinem Papier die in Intelligenzquotient-Werte (IQ) transformierten Pisa-Daten von 2003 mit internationalen IQ-Messungen (Lynn/Vahanen: „IQ and the wealth of nations“; IQ und der Reichtum der Nationen, 2002) in Beziehung gesetzt. Die Pisa-Daten wurden von Schülern des Jahrgangs 1988/89 erhoben, die IQ-Studie von 2002 erfaßte deren Eltern und Großeltern. Daraus ergibt sich, daß die Länder mit der geringsten relativen Kinderarmut einen IQ-Zuwachs aufweisen, während in Ländern wie Deutschland, wo die Armen-Quote steigt, der Durchschnitts-IQ entsprechend sinkt, auch wenn er mit aktuell 100 immer noch relativ hoch ist. Am besten schneiden Hongkong und Finnland mit 107 ab, die Türkei liegt bei 90. Bildungsexperten raten nun, intellektuellen Kompetenzerwerb vom sozialen Hintergrund zu entkoppeln und „Bildungsferne“ (der Begriff suggeriert, daß es keine Dummen mehr gibt) durch Sozialtechnik auszugleichen. Der Ruf nach Gemeinschaftsschulen, wo die Arzttochter dem Macho mit Mangel-IQ von der ersten bis zur zehnten Klasse intellektuell beispringt und im Gegenzug Sozialkompetenz erwirbt, wird immer lauter. Doch solche Vorschläge sind illusorisch, ja menschenverachtend. Das legen die Forschungsergebnisse nahe, die Heiner Rindermann im Aufsatz „Was messen internationale Schulleistungen?“ (Psychologische Rundschau, 57/2 , 2006) zusammengefaßt hat. Danach ist Bildung „eingebettet und beeinflußt von Kultur. Bildung ist nicht nur institutionell, sondern auch familiär, schließt Erziehung ein.“ Rindermann hebt den Zusammenhang zwischen kulturellen, gesellschaftlichen, politischen sowie wirtschaftlichen Merkmalen und den Ergebnissen in Intelligenz- und Schulleistungstests „eines Staates auf Staatenebene“ hervor. „Kognitive Fähigkeiten sind ein sensibler Indiktator für gesellschaftliche Zustände und gesellschaftliche Entwicklungen.“ Mit anderen Worten: In modernen Gesellschaften ist der IQ höher als in vormodernen. Rindermann geht noch weiter und berührt in vorsichtigen Wendungen ein absolutes Tabu der demokratischen Gesellschaft: „Bildungseffekte müssen genetische Faktoren nicht unbedingt ausschließen und umgekehrt.“ Schlechte Aussichten also für Deutschland. Moderne Gesellschaften betreiben, anscheinend einem inneren Gesetz gehorchend, die eigene Zerstörung. Unter dem Motto von Gleichheit und Gerechtigkeit zeigt der Sozialstaat sich um so großzügiger, je leistungsschwächer und dümmer die Eltern und ihre Kinder sind. Für Wissenschaft und Begabtenförderung fehlt dann natürlich das Geld. Hinzu kommt, daß die Zuwanderung statt aus modernen und bildungsorientierten aus archaischen Gesellschaften erfolgt, und zwar aus deren Unterschichten. So weisen die migrantischen Jugendlichen in Kreuzberg einen durchschnittlichen Intelligenzquotienten von 86 auf, ein alarmierendes Unterschichtenindiz, denn erst ab 105 beginnt die höhere Gesellschaftsfähigkeit. Der durchschnittliche IQ in den deutschen Hochleistungszentren München und Stuttgart liegt bei 112, aber irgendwann wird man sich auch dort den Folgen der demographischen Umschichtungen nicht mehr entziehen können. Mit dem Mut zum Zynismus könnte man die falsche bzw. unterlassene Sozial-, Familien-, Bildungs-, Bevölkerungs- und Zuwanderungspolitik in Deutschland als Negativ-Eugenik, als Züchtungsprogramm für den Abstieg zusammenfassen. Foto: Kind in der „Arche“ in München: Der 1995 in Berlin gegründete christliche Verein „Arche“ bietet Hilfe für sozial benachteiligte Menschen an