Der Text-Bildband „Ost-Berlin: Leben vor dem Mauerfall“ hat eine besondere Geschichte, es ist die eines „lebendigen Buches“, wie Norbert Jaron betont, in dessen Verlag das Buch nunmehr seine zweite, „verbesserte“ Auflage erlebt – in der vierten insgesamt Verlagsausgabe seit 1987. Damals veröffentlichten der Autor Lutz Rathenow und der Fotograf Harald Hauswald ihr von den DDR-Behörden abgelehntes Buchprojekt im Münchner Piper-Verlag, es trug den Titel „Ost-Berlin: die andere Seite der Stadt“ und war ein Affront gegen die sich zum „750. Jahrestag Ostberlins“ herausputzende DDR-Führung. Die Respektlosigkeit, mit der die nicht-offizielle Seite des real-sozialistischen Alltags abgebildet wurde, begründete Hauswalds internationales Ansehen als Fotograf und Rathenows Ruf als einer der wichtigsten literarischen Dissidenten in der Endphase der DDR. Hans-Ulrich Schacht bezeichnete die Publikation seinerzeit in der Welt als eine, die „die Chance hat, auch in fünfzig Jahren noch wichtig zu sein“. Die Geschichte scheint diesem Verdikt recht zu geben. Obgleich das Buch binnen eines Jahres vergriffen war, verzichtete der Münchener Verlag auf eine Wiederveröffentlichung. Daß Erich Mielke und Kurt Hager das Buch als unfreundlichen Akt gegen den im Kulturabkommen vereinbarten Kulturaustausch DDR-BRD einordneten, schien nicht wirkungslos geblieben zu sein. Seit knapp zehn Jahren war das „Kultbuch“ vergriffen, nun ist es – erneut in einer veränderten Auflage (in Titel, Format, Layout, Fotoauswahl und Vorwort) – wieder verfügbar und erstmals auf der Leipziger Buchmesse: Dort war es Ende der achtziger Jahre von den Zollorganen direkt am Verlagsstand beschlagnahmt worden. Harald Hauswald, Lutz Rathenow: Ost-Berlin. Leben vor dem Mauerfall. Jaron-Verlag. Berlin 2005, 128 Seiten, broschiert, 12 Euro