Ihrem Ende eilen sie zu, die Götter. Und das recht flott, zumindest in Karlsruhe. Seit zwei Jahren ist am Badischen Staatstheater Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ in Arbeit. Nachdem nun am 29. September zur Saisoneröffnung „Siegfried“ auf die Bühne kam, soll die „Götterdämmerung“ bereits im Dezember folgen. Anders in Freiburg. Auch dort konstatiert im „Rheingold“ (Premiere war am 6. Oktober) Feuergott Loge das nahende Ende der Götter. Doch darauf kann man im südbadischen Stadttheater wahrscheinlich lange warten, denn der neuen Intendantin Barbara Mundel fehlt sprichwörtlich die Kohle, um einen ganzen „Ring“ zu schmieden. In Freiburg ist das Rheingold daher auch ein billig gülden schimmernder Ball (keine Spur von Glanz und Gleißen), der beim neckischen Spiel der Rheintöchter beinahe in den Orchestergraben hüpft. Und was später Nibelheims versklavte Zwerge zum Hort sammeln, wird in Plastiktüten verpackt. Daß das „Rheingold“ trotzdem auf dem Spielplan landete, hat programmatische Gründe. Das Theater Freiburg hat es in Mundels erstem Jahr auf eine Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus abgesehen – da bietet sich solch Stück über Geld und Größenwahn, Verträge und Verstrickungen, Liebe und Lug, Macht und Mißbrauch an. In Freiburg schlägt sich das Hausensemble wacker Mit den Moneten ist das ohnehin so eine Sache. Wie sich knappe Kassen und verschärfte Haushaltsdisziplin auf Wagner auswirken, ist an beiden Häuser vor allem: zu hören. In Karlsruhe setzt die Operndirektion auf frische Stimmen und „Ring“-Debütanten. Das ist mutig, aber in Sachen „Siegfried“ eben auch billiger als bereits eingeweihtes Stammpersonal auf Gastspielkurs. In Freiburg muß das Hausensemble ran. Das schlägt sich zwar wacker, aber nicht jede geschlagene Schlacht endet im Sieg. Und auf der Strecke bleibt im Breisgau oft nicht nur die Textverständlichkeit. Vor allem Allvater hat seine Probleme. Wenn sich Thomas Johannes Mayer als Wanderer in Karlsruhe anfangs im Ratespiel mit Mime (spielgewitzt: Matthias Wohlbrecht) noch halbwegs behaupten kann, so wird er später vom vokal hochpräsenten Stefan Stoll als Alberich radikal an die Wand gesungen. Dabei verfügt Mayer über klangschönes Material, das er weitgehend unforciert einsetzt, und er konnte damit bereits in Basel (Don Giovanni) und Freiburg (Wozzeck) Pluspunkte sammeln. Für höhere Wotan-Weihen fehlt seinem Bariton jedoch die nötige Ausladung. Ähnlich ergeht es Derrick Lawrence in Freiburg – wieder eine schöne Stimme, wieder klug geführt, aber gleichfalls nicht von durchsetzungsfähiger Stimmgewalt für diese Rolle. Besser als die Götterväter hier wie da schneidet Siegfried ab. Lance Ryan muß seine stimmlichen Ressourcen zwar – wie Mayer und Lawrence – ökonomisch einteilen, kann aber in entscheidenden Momenten ordentlich auf Erspartes zurückgreifen. Nicht ganz leicht tut sich Bühnenpartnerin Caroline Whisnant als Brünnhilde, doch ist abzulauschen, daß dieser Stimme in Zukunft bei besonnener Konditionierung eine weitere hochdramatische Fortentwicklung gelingen kann. Während die großen Partien nebst aller Scharmützel der Wagnerschen Weltdeutung also auch oft an der Vokalfront kräftig im Kampf stehen, überraschen manche kleineren Partien – in Karlsruhe etwa Ina Schlingensiepen als liebreizend-koloratesker Waldvogel, in Freiburg Anja Jung als ebenso tiefen- wie höhensichere Erda. Die Probleme, mit denen die Hauptrollen ringen, schwappen zudem in den Orchestergraben. Wenn Dirigenten sängerfreundlich die Partitur zu entfalten wissen, dann ist das eine Tugend. Wenn sie aber sängerschonend dirigieren müssen, dann zeugt das zwar von Verantwortung, bleibt für die Ohren jedoch unbefriedigend. Zu ersterem ist Anthony Bramall am Pult der Badischen Staatskapelle ebenso in der Lage wie Patrik Ringborg bei den Philharmonikern in Freiburg. Zu letzterem sehen sich beide gezwungen – zu viele Taktschläge im Schonwaschgang plus Hand an der dynamischen Bremse bekommen Wagner allerdings nicht wirklich. Bramall sorgte dabei noch eher für den Fluß der Musik als Ringborg, der dafür eine Menge kammermusikalische Detailarbeit aus dem Freiburger Orchester herausholte, teilweise jedoch auf Kosten einer straffen Führung. Zuviel Schonung der Sänger bekommt Wagner nicht gut Vor allem in Karlsruhe deckte solch ausgebremste Musik manch szenisches Defizit auf. Dennis Krief, der als Regisseur und Ausstatter in Personalunion den „Ring“ ohne Schnickschnack und soziotrulligem Überbau inszeniert (und damit bislang nicht den schlechtesten Staat machte), setzte im „Siegfried“ die Protagonisten zwar sinnvoll ins rechte Licht und sinnfällig in Beziehung zueinander. Doch wo es darum geht, gerade auch angesichts eines symbolistisch reduzierten Einheitsraums den Emotionen einen gestisch überzeugenden Ausdruck zu leihen oder Gedanken in Gesichtern zu spiegeln, dort versagt seine Regie weitgehend. Detaillierter arbeitet Frank Hilbrich in Freiburg. Auch seine Regie erzählt die Geschichte vom Rhein- beziehungsweise Raubgold unverstellt, wenngleich vor allem durch die vom Rechtsrock-Leibchen bis zu abgestürzter Eleganz reichenden Kostümentwürfe von Gabriele Rupprecht jene „Heutigkeit“ ins Auge sticht, ohne die in Freiburg in den vergangenen Jahren keine Opernproduktion auszukommen glaubte. Doch Hilbrich gelingt es, den Konflikt seiner Götter, Zwerge, Riesen und Rheintöchter auch szenisch überzeugend zu beglaubigen. Zudem findet die Regie für so manches mummenschanzanfällige Szenario (etwa die Verwandlung von Alberich in Kröte und Wurm) pfiffige und überzeugende Lösungen – das flexible, mit einfachen, gerne das Theater selbst zitierenden Mitteln arbeitende Bühnenbild von Volker Thiele erweist sich dabei als dramaturgisch sinnvolles Konstrukt. Keineswegs wäre es uninteressant zu sehen, wie Hilbrich dieses „Rheingold“ zu einem Ring-Zyklus fortschreiben würde. In Freiburg dürfte sich diese Gelegenheit kaum bieten. Den Karlsruhern bleibt letztlich zu wünschen, daß trotz der knapp bemessenen Zeit bis zur abschließenden Götterdämmerung der Regie von Denis Krief in puncto Ideenreichtum nochmals ein neuer Schub widerfährt, auf daß es nur im „Ring“, nicht aber auf dem Theater szenisch dämmere. Die nächsten „Siegfried“-Aufführungen im Badischen Staatstheater Karlruhe finden statt am 1. November und 9. Dezember sowie am 18. Februar 2007, jeweils um 17 Uhr. Karten-Telefon: 07 21 / 93 33 33, Internet: www.badisches-staatstheater.de Im Theater Freiburg sind die nächsten „Rheingold“-Aufführungen am 8., 11. und 19. November sowie am 9. und 29. Dezember jeweils um 19.30 Uhr zu sehen. Karten-Telefon: 07 61 / 2 01 28 53, Internet: www.theaterfreiburg.de Fotos: Wotan (Derrick Lawrence): Kampf dem Kapitalismus in Freiburg, Mime (Matthias Wohlbrecht), Siegfried (Lance Ryan): In Karlsruhe setzt man auf frische Stimmen
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