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Plädoyer für die kriegerische Gesellschaft

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Plädoyer für die kriegerische Gesellschaft

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Laut der Berliner Tageszeitung Die Welt soll der US-Publizist Paul Berman das „wichtigste politische Sachbuch“ des Jahres 2004 vorgelegt haben. Dieses Buch trägt den Titel „Terror und Liberalismus“ und kann seit Erscheinen seiner deutschen Übersetzung in der Tat auf eine erhebliche Resonanz auch in den deutschsprachigen Medien verweisen. Wie so häufig aber relativieren sich bei näherem Hinsehen auch im Falle Bermans die Vorschußlorbeeren. Wer ist eigentlich dieser Paul Berman, der in Deutschland nicht unbedingt als bekannt vorausgesetzt werden kann? Die Europäische Verlagsanstalt, in der das Buch erschienen ist, gibt sich Mühe, Berman als „hervorragenden Intellektuellen der Zeitgeschichte“ zu profilieren, der regelmäßig in Zeitschriften wie der New York Times oder der New Republic schreibe. Er soll einer der „bedeutendsten amerikanischen Kulturkritiker“ sein. Andere beschreiben ihn als „unorthodoxen Linken“, der heute in vielen Fragen auf der Linie der sogenannten „Neocons“ argumentiert. Berman ist also eine Art Renegat, ein ehemaliger Linksaußen, der durch seine Hinwendung zum „Antitotalitarismus“ eine geistige Wandlung durchgemacht hat. Einer, der es, wie es so häufig bei Renegaten der Fall ist, dem linken Juste-milieu, dem er lange angehört hat, jetzt so richtig geben will. Dies erklärt wohl zum Teil auch die lobenden Kritiken, die mit Blick auf Berman zum Beispiel in dem als regierungsnah geltenden Periodikum Foreign Affairs oder auch anderswo zu lesen waren. Was nun hat Berman Umstürzendes zu sagen? Es ist im Kern das, was in Deutschland zum Beispiel der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Friedbert Pflüger, seit längerem vertritt, nämlich daß es sich beim Islamismus um eine politische Ideologie handeln soll bzw. um einen „Totalitarismus in seinem muslimischen Gewande“. In ihm lebe angeblich der „Totenkult“ des Nationalsozialismus bzw. des Stalinismus weiter. In dem großen Topf des „Totalitarismus“, so wie Berman (und auch Pflüger) ihn versteht, bekommt dieser alle Bösewichter der Vergangenheit und Zukunft unter, seien es nun Hitler und Stalin oder heuer Saddam Hussein, Ayatollah Khomeini, Osama bin Laden oder Exponenten der Hamas. Wie problematisch diese Abrechnung geraten ist, zeigt zum Beispiel die Tatsache, daß Berman sich in einer Passage des Buches bemüht, die „faschistischen Züge“ der Baath-Partei aufzuzeigen und auf der anderen das Regime des Baath-Politikers Saddam Hussein im Irak, der sich „islamisch“ nur dort gab, wo es ihm genutzt hat, als Beispiel für „muslimischen Totalitarismus“ kennzeichnet. Ein weiteres bezeichnendes Beispiel sind die Selbstmordattentate der zweiten Intifada. Hier legt Berman nahe, sie seien das Ergebnis des wachsenden Einflusses islamistischer Terrororganisationen. Diese Behauptung mag zwar bei Israels Regierungschef Ariel Scharon oder bei den Falken der Regierung Bush auf Wohlwollen stoßen, hat aber mit der komplexen Gemengelage in der Region Palästina wenig zu tun. Der angebliche „hervorragende Intellektuelle“ Berman, der weder als Islamwissenschaftler noch als Terrorismuskenner ausgewiesen ist, erweist sich hier eher als furchtbarer Vereinfacher. Das gilt erst recht für die historischen Analogien, die Berman zu erkennen meint. Da darf natürlich nicht der Hinweis auf die heute so verachteten „Appeaser“ der 1930er Jahre fehlen. Sie hätten zuviel Verständnis für die Härten gehabt, die Deutschland durch den Versailler Vertrag auferlegt worden waren; gleiches gelte für die Repressionen, unter denen Volksdeutsche zum Beispiel in Polen oder der Tschechoslowakei litten, meint Berman. Vor lauter Verständnis seien sie politisch irgendwann handlungsunfähig gewesen und hätten dadurch dem (kurzfristigen) Triumph Hitlers Vorschub geleistet. So sei es auch heute, argumentiert Berman, wenn europäische Politiker gegenüber der arabischen Welt „Verständnis“ aufbrächten und bei der Ursachenforschung für den Konflikt mit dem Islamismus auch nach Gründen suchten, die im Westen zu verorten seien. Was Berman hier wohl nahelegen will, ist, daß derjenige, der nicht uneingeschränkt das Hohelied auf den ubiquitären Interventionismus der „einzigen Weltmacht“ anstimmt, sich mit den vermeintlichen „Appeasern“ vergleichen lassen muß. Daß Bermans Bild der „Appeaser“ bestenfalls klischeehaft ist, kann hier nur am Rande kritisch vermerkt werden. Doch darum geht es ihm wohl auch nicht vorrangig. Berman will mit seinen ehemaligen linken Weggefährten, wie zum Beispiel dem Linguisten Noam Chomsky oder dem französischen Publizisten Pascal Bruckner, abrechnen, die bei den US-Interventionen in Afghanistan und im Irak partout keine rechte Begeisterung an den Tag legen wollten und sich erdreisteten, unangemessene Fragen zu stellen. Ein nicht unerheblicher Teil des Buches dreht sich um das Werk des ägyptischen Muslimbruders Sayyid Qutb, der, wenn man so will, als erster großer Theoretiker des militanten Islamismus eingestuft werden kann und auch heute noch eine große Autorität bei den Anhängern des Dschihad genießt. Unter Ägyptens Präsident Nasser wurde Sayyid Qutb in Haft genommen, in der er, bevor er ermordet wurde, eine umfangreiche Koran-Exegese verfassen konnte. Jener Sayyid Qutb sei, auch da ist sich Berman sicher, der eigentliche Schöpfer des „islamistischen Todeskultes“, der heute die freien Gesellschaften des Westens, die für Freiheit, Weltoffenheit, Marktwirtschaft und dergleichen mehr stünden, herausfordert. Diese westlichen Gesellschaften seien aber durch eine indifferente Toleranz, ja geradezu durch Teilnahmslosigkeit in politischen Fragen gekennzeichnet. Auch hier zeigen sich aufschlußreiche Parallelen zum obengenannten CDU-Politiker Pflüger, der in diesem Zusammenhang gerne von der „Schwäche des Westens“ spricht. Daß der Westen mit dieser Mentalität gegenüber der islamistischen Herausforderung nicht bestehen kann, ist für Berman eine ausgemachte Sache. Er legt deshalb in Anlehnung an eine Rede von US-Präsident Abraham Lincoln (1861-65) auf dem Friedhof des Schlachtfelds von Gettysburg nahe, daß sich jetzt und hier die „freiheitliche Gesellschaft in eine kriegerische“ zu verwandeln habe. Pflüger fordert etwas weniger martialisch vom Westen „Selbstbehauptung“. Auch wenn man die Gründe, die Berman für diesen Mentalitätswandel ins Feld führt, nicht teilen mag: hier argumentiert er in eine Richtung, die Unterstützung verdient. Allerdings mit einer signifikanten Einschränkung: Der von Berman eingeforderte Mentalitätswandel kann nicht bedeuten, den „antitotalitären“ Einsatz von US-Hightech-Waffen überall auf der Welt gutzuheißen. Er muß vielmehr auch und gerade auf die Verteidigung des Eigenen gegen Überfremdung und kulturelle Entortung hinauslaufen. Zu dieser (eigentlichen) Herausforderung des Westens weiß Berman bezeichnenderweise wenig zu sagen. Foto: Radikale Anhänger des „Islamischen Dschihad“, Gaza 2004: Im großen Topf des Totalitarismus Foto: Sayyid Qutb in Haft 1965: Schöpfer des islamistischen Todeskultes Paul Berman: Terror und Liberalismus. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2004, 266 Seiten, broschiert, 22,90 Euro.

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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