Passend zu den Einwandererkrawallen in Frankreich mahnt die Wochenzeitung Das Parlament in ihrer Ausgabe 45/2005 auf der Titelseite: „Kleinreden nützt nichts“, und auf Seite 3 ist ein Bericht aus dem Elsaß überschrieben: „Schock in der Idylle“. Aber gemach, natürlich geht es nicht um die aktuelle Randale bei unseren Nachbarn, sondern abstrakt und allgemein um den europäischen Rechtsextremismus. Er ist dem vom Deutschen Bundestag herausgegebenen Wochenblatt eine komplette Sonderausgabe wert. Den Leitartikel („Mehr als nur ein Gewitter“) über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von „Rechtsaußen-Parteien“ in Europa verfaßte Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung, der Europa von Rassisten, Islamophoben und Rechtsdemagogen umstellt sieht. Ach, Heribert! möchte man da ausrufen. Unter den weiteren Beiträgern fällt der große Anteil freiberuflicher Journalisten auf, die den Rechtsextremismus als Marktnische entdeckt haben, aus der heraus sich hin und wieder sogar ein staatlicher Auftrag ergattern läßt. Der anspruchvollste Artikel stammt von Armin Pfahl-Traugbher, der mit dem Arbeitsplatz auch die Ein- und Ansichten geändert hat. Solange er seine Brötchen als Kammerjäger beim Bundesamt für Verfassungsschutz verdiente, malte er eine „kulturelle Hegemonie“ der „Neuen Rechten“ an die Wand. Jetzt arbeitet der Politikwissenschaftler und Soziologe als Professor an der Fachhochschule des Bundes in Brühl und kann keine „Kulturrevolution von Rechts“ mehr erkennen. Ein Vergleich mit der französischen „Nouvelle Droite“ zeige der rechten Szene in Deutschland ihre ideologischen Mängel auf, und den von der „Dresdner Schule“ der NPD angekündigten „Kampf um die Köpfe“ sieht er als gescheitert an, noch bevor er richtig begonnen hat. Auch der Chemnitzer Politikwissenschaftler Ekkehard Jesse hält den Alarmismus für übertrieben. Den relativen Erfolg rechter Parteien in der Ex-DDR erklärt er mit der realsozialistischen Erblast und der schwierigen Transformation nach 1989. Das ist richtig, aber kaum die Hälfte der Wahrheit. Wie stets fehlt der kritische Blick auf die bundesdeutsche Gesellschaft, die, statt ihre eigenen Deformationen und Fehlentwicklungen – die Ausländerpolitik ist das prominenteste Beispiel – zu diskutieren und abzustellen, diese der DDR-Bevölkerung überstülpte und von ihr verlangte, sie als moralisch überlegen und als Bestandteil demokratischer Kultur zu akzeptieren. Dieser politisch-kulturelle Kolonialismus schloß direkt an die autoritären DDR-Strukturen an und erwies sich wegen seiner ideologischen Ausrichtung auch für die SED/PDS als anschlußfähig, die bereits 1990 mit der Forderung nach der „multikulturellen Gesellschaft“ in den Wahlkampf ging. Der Protest gegen diese links-liberale Ost-West-Allianz kann sich nur auf der Rechten entladen. Auf der letzten Seite wird des fünften Jahrestags des Gleichstellungsgesetzes gedacht. Ein Foto zeigt zwei fünfzigjährige Männer, einen schwarzen und einen weißen, die sich innig küssen. Laut Bildunterschrift handelt es sich um ehemalige Pfarrer, die den Bund der Ehe eingegangen sind und damit ein „Beispiel zur Ermutigung anderer“ gesetzt haben. Da sage noch einer, Das Parlament mache sich keine Gedanken über die wirklichen Probleme und die Zukunft des Landes. Das Parlament. Herausgeber Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Jahresabo: 34,90 Euro