Mahler ist ja doch der überschätzteste Komponist des Jahrhunderts … Die Mahlermode hat ihren Höhepunkt schon überschritten, gottseidank“, meinte der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard. Für Nürnberg trifft das nicht ganz zu. Dort trieb der Dirigent Philippe Auguin die Nürnberger Philharmoniker zu neuen Höchstleistungen. Wieder nahm er ein Zentralmassiv von Gustav Mahler in Angriff – diesmal die siebente Sinfonie. Dunkle Streichertöne und ein kühl klingendes Tenorhorn eröffnen das Extremwerk. „Hier röhrt die Natur“ meinte Mahler zur Strahlkraft des Tenorhorns. Das Orchester beschleunigt, einige Instrumente duellieren sich und werden vom Schlachtenlenker Auguin in neue Höhen gejagt. Bisweilen folgen romantische Inseln zum Verschnaufen, Fensterchen ins Paradies und zur Filmmusik. Schließlich kündigen Hörner neue Herausforderungen an, Hektik kommt auf und das ganze Orchester erklimmt spröde, sperrige Steinwüsten. Später setzt Nachtmusik ein, angenehme Traumwelten steigen auf und werden durch Alpträume jäh beendet. Immer mehr Instrumente kündigen den Übergang in eine konfuse Moderne an. Zwischendurch wird es aber auch gemütlich: Kuhglocken deuten auf eine gemütliche Alm, Mandolinen und Gitarren entspannen die Ohren der Zuhörer, bis sich wieder eine gespenstische Romantik einschleicht. Schließlich endet das Stück nach mehr als 70 Minuten euphorisch-traditionell. Dirigent und Publikum sind erlöst – auch ohne Erlösungssinfonie. Für Philippe Auguin war es eines der letzten Konzerte, weil die Stadt Nürnberg wieder einmal recht erfolgreich beim Verscheuchen ihrer besten Dirigenten war. Dem weltberühmten Dirigenten Christian Thielemann ist in Nürnberg ja ähnliches widerfahren. Zugegeben, Gustav Mahler ist umstritten. In Thomas Bernhards Komödie „Alte Meister“ finden sich viele pauschalierende Worte: „Mahler war ein vorzüglicher Kapellmeister, aber ist ein mittelmäßiger Komponist … Die Mahlermode ist mir die ganzen Jahre entsetzlich gewesen, die ganze Welt war in einem richtigen Mahlertaumel, das war schon unerträglich …“ Etwas später macht sich Bernhard über Mahlers Ehrgeiz lustig, „die am längsten dauernde Symphonie der Musikgeschichte zu komponieren. Keinem anderen wäre eine solche Unsinnigkeit eingefallen, als Mahler. Manche Leute sagen, Mahler sei der letzte große österreichische Komponist gewesen, das ist lächerlich. Ein Mann, der bei vollem Bewußtsein fünfzig Streicher streichen läßt, nur um Wagner zu übertrumpfen, ist lächerlich. Mit Mahler hat die österreichische Musik ihren absoluten Tiefstand erreicht“. Die nächsten Konzerte in Nürnberg finden am 18. März und 22. April statt. Kartentelefon: 0 18 01 / 34 42 76.
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