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Kaum noch Bürgersinn

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Der im April vorigen Jahres eskalierte Konflikt zwischen der sächsischen Landesregierung unter Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), dem Paulinerverein, Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) und der Leipziger Universitätsleitung um die Neugestaltung des Leipziger Campus (die JF berichtete) hat sich nach einer kurzen Entspannungsphase erneut verschärft. Während Stadt und Universität weiterhin auf einer „modernen“ Gestaltung des Uni-Geländes beharren und damit dem originalgetreuen Wiederaufbaus der Kirche, die im Jahr 1968 auf Walter Ulbrichts Geheiß gesprengt wurde, eine Absage erteilen, wehren sich Paulinerverein und Landesregierung gegen eine solche Lösung. Nachdem die Universitätsleitung unter Rektor Volker Bigl im vergangenen April aus Protest gegen die angeblichen Dresdener „Einmischungsversuche“ zurückgetreten war, schien sich im Sommer 2003 eine Lösung abzuzeichnen. Nach Zustimmung aller Beteiligten wurde ein zweiter Architekturwettbewerb ausgeschrieben (das Ergebnis des ersten Wettbewerbs von 2001 war von Landesregierung und Paulinerverein wegen offensichtlicher Mängel kritisiert worden), der allen Teilnehmern gleiche Chancen garantieren sollte. Ende März 2004 war die Prämierung des Siegerentwurfs durch die Jury vorgesehen, die in erster Linie aus renommierten Architekten und Stadtplanern besteht. Doch seit Anfang voriger Woche ist von der zwischenzeitlichen Ruhe nichts mehr zu spüren. Nach Aussagen von Jurymitgliedern soll Oberbürgermeister Tiefensee in einer Sitzung des Gremiums vor 14 Tagen erklärt haben, daß sich alle Beteiligten vor der Auslobung des Wettbewerbs darauf verständigt hätten, nur solche Lösungen zu prämieren, die einen originalgetreuen Wiederaufbau der Paulinerkirche ausschließen. Im Ausschreibungstext lautete der entsprechende Passus allerdings: „Die Lösungsmöglichkeiten umfassen das Spektrum von der Neuinterpretation in einer zeitgemäßen Gestaltung unter Berücksichtigung einer angemessenen Erinnerungshaltung an die ehemalige Paulinerkirche bis hin zur Orientierung am historischen Erscheinungsbild der Paulinerkirche.“ Tiefensees Worte hatten indes schwerwiegende Folgen: Im Rahmen der erwähnten Sitzung beschloß die Jury, daß die beiden Entwürfe, die eine Rekonstruktion der Kirche erlauben würden, aus dem Wettbewerb ausscheiden und daher am 24. März auch nicht mehr als Sieger prämiert werden können. Ob sich die Mitglieder bei ihrer Entscheidung allerdings eher von Tiefensees Ausführungen beeindruckt zeigten oder nach strikten künstlerisch-architektonischen Kriterien entschieden, konnte bislang nicht geklärt werden: Aussprache und Abstimmung fanden hinter verschlossenen Türen statt. Den Ausschluß dieser beiden Entwürfe nahm der Paulinerverein zum Anlaß, gegen die „undemokratische Kungelei hinter geschlossenen Türen“ zu protestieren. Er fordert eine „öffentliche Debatte über alle eingereichten Wettbewerbsbeiträge, eine Offenlegung des geheimen Investorenwettbewerbs 2000/2001 zur Neugestaltung der Universität“ sowie die Offenlegung aller Verträge zwischen dem Investor, der den Campus-Umbau zum größten Teil finanzieren wird, und der Universität Leipzig. Zudem veröffentlichte der Paulinerverein eine der beiden abgelehnten Gestaltungsvarianten. Die Stadtverwaltung reagierte ihrerseits umgehend: Nach ihrer Auffassung habe der Verein damit eindeutig seine Kompetenzen überschritten, da die Weitergabe des Entwurfs an die Medien ohne vorherige Absprache erfolgte. Die Stadt Leipzig befürworte zwar, nunmehr alle Entwürfe der ersten Wettbewerbsphase der Öffentlichkeit vorzustellen und damit den Bürgern die Möglichkeit zur eigenen Bewertung zu eröffnen. Gleichzeitig müsse jedoch der Paulinerverein vom weiteren Wettbewerb ausgeschlossen werden, da er sich nicht an die festgesetzten „Spielregeln“ gehalten habe. Aus Enttäuschung über die Ablehnung seiner Favoriten habe sich der Verein als „schlechter Verlierer“ erwiesen. Eine schnelle Lösung des Konflikts erscheint im Augenblick nahezu ausgeschlossen. Auch das weitere Vorgehen der Streitparteien bleibt offen. Eventuell werden sich die Vertreter der Stadt und des Paulinervereins in absehbarer Zeit sogar vor Gericht wiedersehen. Einen Verlierer gibt es freilich schon heute: Von dem Bürger- und Gemeinschaftssinn, auf den die Leipziger in ihrer Geschichte immer so stolz waren, ist momentan sehr wenig zu spüren. Paulinerverein: Bürgerinitiative zum Wiederaufbau von Universitätskirche und Augusteum in Leipzig e.V., Grassistr. 12, 04107 Leipzig, Tel.: 03 41 / 9 78 22 79, Fax 03 41 / 9 78 22 65, E-Post: kontakt@paulinerverein.de , Internet: www.paulinerverein.de Modell der Paulinerkirche: Uni und Stadt lehnen Wiederaufbau ab

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