Stöße aus vier Trompeten eröffneten den Trauermarsch. Doch der strahlende Klang währte nicht lange – brachiale Ausbrüche der Pauken, Posaunen, Hörner, Fagotte griffen an. Einen kurzen Moment lang herrschte fast Totenstille. Dann setzten Streicher zu einem elegischen Trio an, klagten ihr Leid, bis das gesamte Orchester einstimmte und alles im Chaos endete. Nochmals setzten die Streicher ein. So ging es dank der Nürnberger Philharmoniker unter Philippe Auguin fast 75 Minuten lang zu bei der fünften Sinfonie von Gustav Mahler. Sie verwandelten leblose Musiknoten in vibrierendes Feuerwerk, brachten das letzte Aufbäumen der deutschen Spätromantik zum Klingen (wenn wir Richard Strauss und Hans Pfitzner kurz vergessen). Dirigent Auguin hatte zu kämpfen, weil Komponist Mahler (1860-1911) alle drei Minuten eine neue Idee verfolgt: Ländler und Walzer zerschellen an sperrigen Gegenmelodien, ein Choral jagt von Steigerung zu Steigerung, bricht zusammen – und rappelt sich wieder auf; wienerisch-elegante Melodien enden im Totentanz. Mahler, den Leonard Bernstein einmal als den letzten „heiligen deutschen Künstler“ bezeichnete, aktiviert seine ersten drei Sätze mit glühendem Lavagestein, das die musikalische Kathedrale zum Beben bringt. Auch in der Nürnberger Meistersingerhalle beruhigte erst der vierte Satz die Ohren der Zuhörer, einige Augenblicke blieb die Zeit gar stehen. Ein liebliches Adagietto, bekannt aus Luchino Viscontis Film „Der Tod in Venedig“, öffnete eine Tür ins Paradies, ins buddhistische Nirwana. Auguin konnte sich zehn Minuten ausruhen, da er nur noch Harfe und Streicher dirigierte. Dann ging der Rummel wieder los wie auf einem hektischen Volksfest (so Mahlers eigener Kommentar). Doch das Schlimmste war überstanden, Vogelstimmen zwitscherten, die musikalische Achterbahnfahrt steuerte einem positiven Rondo entgegen. Langer Beifall folgte – im Unterschied zu Nürnbergs Opernhaus Nürnbergs. Dort befindet sich die Qualität so sehr in Auflösung, daß sich nach der letzten Premiere ein Sänger mit den Worten entschuldigte: „Ich bedanke mich dafür, daß ihr so lange geblieben sei. Aber für die Regie bin ich nicht verantwortlich.“ Das nächste Philharmonische Konzert im Nürberger Staatstheater, Richard-Wagner-Platz 2-10, findet statt am 12. Dezember. Tel. 09 11 / 2 3135 75. Als CD bietet sich die Einspielung mit Leonard Bernstein und den Wiener Philharmonikern an (Deutsche Grammophon).
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