Der Berliner Historiker Heinrich August Winkler hat sich gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union (EU) ausgesprochen. In einem Aufsatz für die im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebene Zeitschrift Die Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte (Ausgabe 7+8/2004) schreibt Winkler, im Falle der Türkei werde die Aufnahmefähigkeit der EU überdehnt. Europa habe die Erweiterungsrunde von 2004 weder institutionell und politisch noch wirtschaftlich und gesellschaftlich bewältigt. In dieser Situation dürfe die Bundesrepublik Ende des Jahres im Europäischen Rat nicht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei mit dem Ziel der Vollmitgliedschaft stimmen. „Ein Europa bis zum Euphrat“, warnt Winkler, „würde auf absehbare Zeit keine Politische Union, sondern ein Europa der wechselnden Allianzen nach Art des Konzerts der Großmächte aus dem 19. Jahrhundert sein.“ Eine dieser Allianzen wäre dann die deutsch-türkische. Und mit skeptischem Blick auf die Geostrategen in Deutschland von Joseph Fischer bis Volker Rühe fragt der Historiker: „Könnte es sein, daß diese Vorstellung für manchen deutschen Politiker inzwischen etwas Verlockendes hat?“