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America is not the world“:
Auch Morrissey hat sich offenbar bemüßigt gefühlt, seine Stimme zur Entstehung der neuen Weltordnung zu erheben, und wie immer bei ihm ist das Resultat so subjektiv, wie es den Hörer im unklaren über seinen Standpunkt läßt. Da er seit einigen Jahren im selbstgewählten Exil in Los Angeles lebt, ist ihm durchaus zuzutrauen, daß er über eine differenzierte Sicht der USA verfügt und das sogenannte „andere Amerika“ wenigstens mit einer verklausuliert kritischen Liebeserklärung bedenken will. Der Ausbruch aus der Enge des britischen Ursprungsmilieus scheint Morrissey jedenfalls jenen Neuansatz erlaubt zu haben, der ihm verwehrt bleiben mußte, solange er der Versuchung unterlag, an das anzuknüpfen, was ihn mit seiner früheren Band The Smiths für ein paar Jahre zu einer nachhallenden Stimme seiner Zeit werden ließ. So konnten sich denn seine bisherigen Soloalben auch nur schwer in der Konfrontation mit einer Erwartungshaltung behaupten, die sie an der vermeintlichen Authentizität jugendbewegter Jahre maß und zugleich unbarmherzigere Kriterien anlegte. Man genoß zwar weiterhin seinen Zynismus und akzeptierte sein Beharren darauf, sich einem Arrangement mit der Realität menschlicher Vergemeinschaftung unter dem Vorwand zunehmender Lebenserfahrung zu verweigern. Die anhaltende Geschmacksunsicherheit, das gelegentliche Abgleiten in einen süßlich-banalen Sound und vor allem das Manko, sich vor lauter Selbstbezogenheit zwangsläufig wiederholen zu müssen, verzieh man ihm jedoch weniger und weniger. Morrissey fuhr fort, mit nachlassenden Kräften eine Innerlichkeit zu kultivieren, die für seine Hörer längst eine Reminiszenz geworden war. „You are the Quarry“ (Attack Records/ Sanctuary), seine neue Veröffentlichung nach sieben Jahren Pause, könnte nun endlich auf eine angemessenere Rezeption stoßen, auch wenn dem Album kaum Innovationen anzuhören sind. Es ist unverkennbar, daß Morrissey sich nicht mehr allein altklug geriert, sondern tatsächlich auch alt geworden ist. Sein Unbehagen und seine Melancholie haben sich verselbständigt und verleiten nicht mehr, in ihnen ein Lebensgefühl, und wäre es auch bloß ein vergangenes, wiederzuerkennen. Der unterschwellige Klassenstandpunkt, dem adoleszenten Menschen unterhalb der Oberschicht als einem Unverstandenen Würde zuzuerkennen und Gehör zu verschaffen, ist aufgegeben. Morrissey positioniert sich neu als Altstar, der nichts als ambitionierte Unterhaltung repräsentiert. Nun mag man ihn endlich professionell beurteilen, wie Robbie Williams zum Beispiel, nur mit mehr elitärem Behagen. Wer an den minimalistischen Charme der 1980er Jahre zurückdenkt, wird sich in erster Linie an die ostfriesischen Originale von Trio erinnern. Nicht weniger konkludent, allerdings ohne jegliche Charts-Ambitionen wurde er von der im Großraum Düsseldorf tätigen Kombo S.Y.P.H. repräsentiert. Mit schmucklos dahingeschmetterten, kurzen Liedern und ohne jeglichen Sinn für subkulturelle Verkleidung machten sich die Musiker einen Spaß daraus, den zur Konvention erstarrten Kanon der Möchtegern-Subversivität zu verabschieden, den die Altvorderen der grünen Gründergeneration vorgegeben hatte. „Zurück zum Beton“, „Industriemädchen“ oder „Lachleute & Nettmenschen“ wurden für einen Augenblick zu Fanfaren einer überschaubaren, aber auch unübersehbaren Bewegung von Jugendlichen, die sich partout nicht den Glauben an eine rosige Zukunft einreden lassen wollten. Die CD „Ungehörsam. Essential Recordings 1978-2003“ (Glitterhouse) stellt zusammen, was wesentlich war und verschweigt auch nicht, wie S.Y.P.H. ihren Weg zur neuen deutschen Albernheit und zu sterilen Klangexperimenten fortsetzten.

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