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Mann ohne Anschluß

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Joel Schumacher gehört zu den Urgesteinen Hollywoods. Zahlreiche seiner Filme spielten allein in Amerika jeweils mehr als 100 Millionen Dollar ein, darunter „Der Klient“, „Die Jury“ oder „Batman Forever“. Geübt ist er in solidem Unterhaltungskino mit aufwendiger Ausstattung, Spezial-Effekten und abwechslungsreichen Drehorten. Zu seinen Erfolgsfilmen gehören zudem einige Streifen des phantastischen Genre wie „Flatliners“. Nun ist Schumacher, der seit seinem Armee-Film „Tigerland“ mit innovativen, modernen cineastischen Ausdrucksformen experimentiert, ein neuer, durchaus ungewöhnlicher Wurf gelungen. „Nicht auflegen“ dürfte zwar schwerlich als Meisterwerk der Kinogeschichte in die Annalen eingehen. Es ist eben doch nur ein Thriller, ein Unterhaltungsfilm, der keinesfalls an die beklemmend-verwirrende Atmosphäre beispielsweise von David-Lynch-Werken oder des aktuell ungewöhnlichsten Liebesfilms „Punch Drunk Love“ von P. T. Anderson heranreicht. Auf den ersten Blick auch – trotz Videoclip-Anleihen – konventionell gedreht, entwickelt „Nicht auflegen“ allerdings seinen außergewöhnlichen Charme durch den Minimalismus in seiner Erzählweise. Das Geschehen, ein Bühnenstück beinahe, spielt fast ausschließlich an einem Ort: in der ein Quadratmeter großen Telefonzelle auf einer Straße in New York. Diese sucht Stu Shepard (Colin Farrell), ein smarter Presseagent im Designeranzug, regelmäßig auf, um ungestört und unkontrolliert mit seiner Geliebten Pamela (Katie Holmes, bekannt aus „Go“) zu telefonieren. Stu ist ein Yuppie, wie er im Buche steht. Er führt Arbeitstelefonate auf zwei Mobiltelefonen gleichzeitig, spielt Zeitschriften gegeneinander aus, um eine optimale Berichterstattung zu erzwingen. Er lügt, droht, wirft mit Komplimenten und Scherzen um sich, und bedient dazwischen noch seine Ehefrau Kelly (Radha Mitchell) mit ein paar aufmunternden Worten. Eines Tages hat Pamela keine Zeit für Stu. Als er die Telefonzelle verlassen will, welche er regelmäßig aufsucht, da seine Frau die Handy-Rechnungen überprüft, klingelt das Telefon. Instinktiv, wie es sich für moderne Telefonsüchtige gehört, nimmt er den Hörer ab und gerät in eine Falle. Der unbekannte Anrufer erklärt, daß er ein Scharfschütze und Killer sei, Stus Lebenswandel kenne und aus einem Hochhausfenster in der Umgebung ein Gewehr auf Stu gerichtet halte. Seine Botschaft lautet: Sobald Stu den Hörer auflege, werde er umgehend erschossen. Zwar glaubt Stu zunächst an einen schlechten Scherz, doch wird er bald handfest von der Ernsthaftigkeit der Drohungen überzeugt. Langwierige telefonische Verhandlungen ergeben sich. Weil Stu deshalb die Telefonzelle dauernd besetzt hält, kommt es auch zum Standortstreit mit einigen Huren und deren rüpelhaftem Zuhälter, welcher vom Attentäter schließlich auf offener Straße per Zielfernrohr erschossen wird. Nun gerät Bewegung in die Szenerie. Polizei, Fernsehreporter, Stus Ehefrau und seine Geliebte erscheinen schließlich auf der immer belebteren Bildfläche und blicken verwirrt auf den Dauertelefonierer. Doch Stu bleibt, trotz aller Aufforderungen herauszukommen, eisern in seinem Telefonhäuschen stehen und spricht in den Hörer. Der Abend dämmert, als der vormals verantwortungslose und selbstsüchtige Yuppie durch den äußeren Druck des Anrufers einen Selbstentblößungs- und Reifeprozeß durchlaufen hat. Schumachers minimalistisch angelegter Film ohne größeren Drehortwechsel parodiert auf verblüffende Weise den Telefon-Wahn unserer Zeit. Schon in der Eingangssequenz sieht man unzählige Menschen mit ihren Mobiltelefonen die Straße bevölkern. Es scheint, als haben die Menschen verlernt, ehrlich miteinander zu reden, und quatschen deshalb um so mehr in die kleinen Apparate mit dem Leuchtdisplay. So treibt ein Killer das Spiel auf die Spitze, zwingt Stu zu telefonieren und den Hörer überhaupt nicht mehr zur Seite zu legen, um ihn dadurch letztendlich zum Reden zu bewegen – zum Reden über die Verlogenheit einer bigotten Gesellschaft, wobei in der übersteigerten puritanisch-amerikanischen Moral allerdings schon der Ehebruch als Anlaß zum Todesurteil genommen wird. Sparsam in der Ausstattung, sparsam in der Besetzung und nach ganzen 81 Minuten läuft bereits der Abspann. Die Kürze dieses Streifens, rekordverdächtig für einen „abendfüllenden“ Spielfilm, bereitet dem Spannungsbogen keinen Abbruch. Im Gegenteil, Schumacher verzichtete auf jede künstliche Streckung des Geschehens. Auch eine Form von Effektivierung und Einsparung bei Sicherung der Qualitätsstandards. Da könnte sich die Telekom noch einiges abschauen.

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