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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

Ein Dorn im Auge der SED

Ein Dorn im Auge der SED

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Im Dezember 1948 schrieb der Lyriker Peter Huchel in einem Brief an seinen berühmten Kollegen Gottfried Benn: „Nach monatelangen Vorbereitungen übergeben wir der Öffentlichkeit das erste Heft einer neuen Zeitschrift Sinn und Form, von der wir der Meinung sind, daß sie die große repräsentative Literaturzeitschrift sein wird.“ Huchel avancierte zum Gründungs-Chefredakteur der Zeitschrift, die der Gründer und Herausgeber, der spätere DDR-Kultusminister Johannes R. Becher, ursprünglich als „literarische Visitenkarte“ des neu entstehenden Staates konzipiert hatte. Gegen den Widerstand der Kultur-Polizisten der SED um Kurt Hager entwickelte Huchel Sinn und Form jedoch zu einem Literatur-Forum mit gesamtdeutschem Anspruch und internationaler Ausstrahlung, undogmatisch, weltoffen und im besten Sinne des Wortes unangepaßt. 1962 mußte Huchel nach einer vom damaligen DDR-Kulturminister Alexander Abusch veranlaßten Prüfung der Zeitschrift und unter dem Druck der Kulturbürokratie jedoch seinen Posten räumen, nachdem er es abgelehnt hatte, sich unter Kuratel eines als „Aufpasser“ gedachten zweiten Chefredakteurs zu stellen. Es war nicht der erste Versuch, ihn zwangsweise von seiner Aufgabe zu entbinden. Bereits neun Jahre zuvor wollte Abusch Huchel zum Rücktritt zwingen, doch Bert Brecht bestärkte ihn damals, „seinen Laden zu verteidigen“. Neben dem Berliner Ensemble sei Sinn und Form „die beste Visitenkarte der DDR im Ausland“. Aber selbst unter der Ägide des der Partei treu ergebenen Wilhelm Girnus gelangten immer wieder Texte in die Zeitschrift, die der SED-Führung die Haare zu Berge stehen ließen, beispielsweise Volker Brauns „Unvollendete Geschichte“, in der Tabu-Themen wie Republikflucht und Stasi-Spitzeleien zur Sprache kamen. Ein Dorn im Auge waren den orthodoxen Parteikommunisten auch die Denker der Frankfurter Schule Theodor Adorno, Max Horkheimer und Walter Benjamin, die dogmatischen Fortschritts-Optimisten mit ihrer Philosophie einer negativen Dialektik wie die Konterrevolution in Person vorkommen mußten. Nichtsdestotrotz kamen in Sinn und Form auch sie zu Wort. Herausgegeben von der Akademie der Künste und geleitet von Sebastian Kleinschmidt erscheint die Zeitschrift inzwischen zweimonatlich im 55. Jahrgang. Nach der Wiedervereinigung hat sie sich weit geöffnet, nun kann man hier auch die Essays bedeutender Vertreter eines literarischen und philosophischen Konservativismus von E. M. Cioran über Hans-Georg Gadamer bis zu Ernst Jünger lesen. Jüngers Tagebuch-Aufzeichnungen nahmen allerdings einige eher linksaußen angesiedelte Sinn und Form-Autoren um Walter Jens zum Anlaß, einen Zwergenaufstand vom Zaun zu brechen, der jedoch schon alsbald mangels genügend großer Beteiligung wieder verpuffte. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift gefallen besonders Michel Tourniers Essay „Journal Extime“ und Jean Starobinskis Text über „Rousseaus Einfluß auf die Französische Revolution“. Weniger überzeugend ist dagegen Franz K. Stanzels „Replik auf Heinz Schlaffer“. Anschrift: Tableau Zeitschriftenservice. Greifswalder Str. 9, 10405 Berlin. Das Einzelheft kostet 9 Euro, das Jahresabo 39 Euro (Schüler/Studenten 30 Euro).

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