Monarchie und Alltag“, erschienen im Oktober 1980, gilt als Meilenstein der deutschen Popmusik. Düstere Klangkaskaden wie „Es liegt ein Grauschleier über der Stadt“, depressiven Sarkasmus à la „Paul ist tot“ oder zynische Agitprop-Parodien der Sorte „Ein Jahr (Es geht voran)“ hatte es zuvor in Deutschland nicht gegeben. Die deutsche New Wave-Revolution der späten siebziger Jahre – später als Neue Deutsche Welle gnadenlos zu Tode vermarktet – schuf vollkommen Neues: Man griff auf simple Melodien und entschlackte, ungekünstelte Texte in deutscher Sprache zurück, mit denen man sich von angloamerikanischen Vorbildern freischwamm. Einer der Erfinder und Begründer dieses Genres waren Fehlfarben, „Monarchie und Alltag“ ihre Debüt-LP. Als „Ein Jahr“ 1981 die Hitlisten stürmte, stiegen Sänger Peter Hein und Keyboarder Frank Fenstermacher aus. Die Reste von Fehlfarben veröffentlichten die LPs „33 Tage in Ketten“ (1981) und „Glut und Asche“ (1983). Zwar klang die Musik nun tanzbarer – aber Peter Heins nachdenkliche, beißend ironische und stets intelligente Texte und seine Art der Intonation fehlten doch sehr. Spätestens ab Mitte der achtziger Jahre waren Fehlfarben kein Thema mehr. Im Jahr 2000 erhielten Fehlfarben eine Goldene Schallplatte für 250.000 verkaufte Exemplare von „Monarchie und Alltag“. Man saß in der Kantine der EMI zusammen und beschloß: Wir machen eine neue Platte! Das Ergebnis heißt „Knietief im Dispo“ (!K7 Records/Wonder/Zomba) und ist das erste Album von Fehlfarben in Originalbesetzung seit zwölf Jahren. Nur Original-Schlagzeuger Uwe Bauer wurde von Saskia von Klitzing ersetzt. Bauer wollte sich auf das Wagnis einer Fehlfarben-Wiedervereinigung nicht mehr einlassen. Schade, denn das Wagnis hat sich wahrlich gelohnt! „Knietief im Dispo“ kann man schon heute als bestes, interessantestes und vielschichtigstes deutsches Rockalbum des Jahres bezeichnen. Was einem sofort beim ersten Hören der CD auffällt, sind die vielen Wortspiele. Peter Hein sinniert schon im ersten Song „Rhein in Flammen“ minutenlang und fast monoton vom Älterwerden; dazu dreschen Thomas Schwebel und Uwe Jahnke die Gitarren, Synthesizer und Computer bleiben, anders als zu Gründungszeiten, eher im Hintergrund. Auch in „Der Fremde“, „Was der Himmel verbietet“ oder „Herzen gelandet“ reiht Hein mit viel Ironie und Sarkasmus Wort an Wort. Geradezu poppig im Vergleich dazu, wenn auch textlich ebenfalls auf höchstem Niveau, erklingt „Club der schönen Mütter“, die erste Singleauskoppelung. Darin geht es um ein schummriges Nachtlokal, in dem nur Mütter als Bardamen beschäftigt sind – und zu Hause steigt die Kinderparty. „Reiselust“ ist zwar wiederum rockiger geraten und erinnert musikalisch konsequent an die Höhepunkte der deutschen New Wave vor 20 Jahren, gäbe aber auch eine gute Hitsingle ab. Auf traditionellen Punkimpressionen basiert auch der hysterische Rocker „(Geh) Du ran Du ran“. An Foyer des Arts zu ihren besten Zeiten erinnert „Das Leben zum Buch“. Geradezu romantisch, mit Xylophon und wehenden Synthis untermalt, erklingt „Die kleine Geldwäscherei“; eine nur vordergründig niedliche Geschichte über die Liebe eines älteren Mannes zu einem jungen italienischen Mädchen – Bowie steckt genauso drin, wie der frühe Joachim Witt. „Sieh nie nach vorn!“ heißt es zum Schluß der phantastischen CD: „Sieh nie nach vorn, was hab ich denn da verloren?“ – eine Art „Rückrufaktion“ für „Ein Jahr (Es geht voran)“. Es mag sein, daß Peter Hein einiges an Stimmqualität eingebüßt hat, und die achtziger Jahre mögen unwiderruflich vorbei sein. Trotzdem wird niemand, der ein Herz für eindringliche, durchaus aggressive Rockmusik mit deutschen Texten hat, an „Knietief im Dispo“ vorbeikommen können.