„Alle Menschen wollen glücklich sein“ wußte schon Aristoteles zu sagen. Und das trifft auch heute noch auf die Krone der Schöpfung zu. Anfang April veröffentlichte die FH Köln eine Studie, bei der eine Mehrheit aus 5.000 Arbeitnehmern aus dem Mittelstand sagte, daß sinnvolle Arbeit wichtiger sei als gute Bezahlung. Ebenso eine Umfrage des GfK-Vereins („Non-Profit-Organisation zur Förderung der Marktforschung“) wenige Wochen vorher, bei der Merkmale von Glück höher gewertet wurden als finanzielle Merkmale.
Aus diesen Empfindungen will natürlich auch die Politik Profit schlagen. So verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr, sie wolle „intensiver als bisher die konkreten Vorstellungen der Bürger von einem guten Leben in Erfahrung bringen“.
Das haben sie und ihre Genossen in der Bundesregierung geschafft. Viel mehr noch, die Menschen in Deutschland werden immer glücklicher: Da gibt es jene, die mit offenen Armen empfangen werden und die Gastfreundlichkeit der heimischen Bevölkerung dankend in Anspruch nehmen. Und da gibt es die anderen, die vor Freude und Glückswallungen jede Woche auf die Straße gehen und Party machen. Oder neue Parteien gründen, weil sie vor lauter Glückseligkeit nichts anderes anzufangen wissen mit ihrer Freizeit.
Die Probleme derjenigen, die keine haben
Natürlich ist es anders. Immer größere Teile der deutschen Bevölkerung werden unzufriedener. Das zeigt sich an den eben genannten umgekehrten Beispielen, wie auch am Leserzuwachs unterschiedlichster Publikationen, die eines gemeinsam haben: Gegen das Establishment in Politik und Medien anzuschreiben.
Denn offenbar nehmen Politiker und Journalisten meist nur die Probleme derjenigen ernst, die keine Probleme haben. Jedenfalls keine Probleme, die dem Normalbürger als solche aufkommen. In Mecklenburg-Vorpommern sorgen sich die Menschen trotz rot-roter Dominanz in den Rathäusern nicht um „Gender-Gaga“. Auch in kleinen Provinznestern sorgt man sich eher um geplante Flüchtlingsheime und die wirtschaftliche Zukunft als um die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf.
Was bedeuten diese Sorgen der Wählerschaft für ihre Vertreter? Genau: Unionsfraktionschef Volker Kauder behauptet, Deutschland könne noch mehr Flüchtlinge aufnehmen. Als sehr fragwürdiges Beispiel führt er Kurdistan an: Dort „leben fünf Millionen Einwohner mit einer Million Flüchtlingen zusammen. Wir können in Deutschland noch deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen“, sagte er heute der Bild.
Indikatoren des Unmutes wahrnehmen
Ein weiteres Beispiel, wie mit den Sorgen Tausender umgegangen wird, zeigte in dieser Woche die FAZ, die beim Gastauftritt des Islamkritikers Geert Wilders bei Pegida in Dresden von einer „Rede an einen politischen Kadaver“ sprach. Dabei täten Journalisten und Politiker gut daran, die wöchentlichen Demonstrationen ernst zu nehmen. Denn es spielt keine Rolle, ob es zehntausend, zwanzigtausend oder hunderttausend sind, die daran teilnehmen. Sie dienen als politischer Indikator für den Unmut und deshalb auch für das Glücksempfinden der Bürger. Indes werden Politiker und Journalisten weiterhin über die harten Beschimpfungen in den Kommentarspalten jammern, an ihrer Art und Weise des Umgangs mit den Sorgen ihrer Wähler und Leser aber nichts ändern.